Fake-News-Glosse: Was die erbitterten Feindstädte Amberg und Weiden zu Partnern macht
Amberg/Weiden. Da ist die Tageszeitung einer ganz großen Sache auf der Spur. In einer Pressemitteilung hatte die Weidener CSU eine Städtepartnerschaft mit Amberg ins Spiel gebracht. Und jetzt soll das gar nicht ernst gemeint sein? Wir haben im Amberger Rathaus nachgefragt.
„Verwaltungstechnisch liegt uns kein Antrag auf eine Städtepartnerschaft vor“, sagt Ambergs Oberbürgermeister Michael Cerny augenzwinkernd über den Sturm im Wasserglas, den die Pressemitteilung der Weidener CSU bei Oberpfalz-Medien ausgelöst hat.
Dürfen Vertreter der staatstragenden Partei in Bayern in Zeiten von Fake-News selbst mit einer humorvollen Zuspitzung für Verwirrung bei den Lesern sorgen? Noch dazu bei einer derart heiklen Angelegenheit wie einer Städtepartnerschaft zweier, lange herzhaft verfeindeter Städte?
Erbitterte Rivalität: „Wir wollen auch eine Vils“
Ambergs CSU-Fraktionsvorsitzender Matthias Schöberl erläutert den historischen Hintergrund: „Es gab Zeiten, da haben sich gestandene Amberger Stadträte standhaft geweigert, nach Weiden zu fahren“, erinnert sich der promovierte Historiker an die finsteren Zeiten erbitterter Rivalität. „Wenn die Weidener eine Vils gehabt hätten, hätten wir gesagt: Wir wollen auch eine Vils.“ Seitdem, so erzählt es die Legende, fließt die Vils durch Amberg und nicht mehr durch Weiden.
Woher aber rührt diese Erbfeindschaft zweier Mittelmachtstädte in Schlagdistanz von gerade mal 40 Kilometern? „Amberg war einmal groß und wichtig“, weiß Schöberl, „die Residenzstadt des Winterkönigs leidet immer noch unter dem Verlust der Oberpfälzer Hauptstadtwürde.“ Und dann trat das Gespann Hans Schröpf und Gustl Lang den Ambergern auch noch mitten in diese Achillesferse. „Sie starteten eine große Aufholjagd, während wir in Amberg einiges verschlafen haben.“ Die Hauptstadt a.D. verbarrikadierte sich hinter trutzigen Stadtmauern und -toren und blickte argwöhnisch auf den Emporkömmling im Norden, einer Art Red Bull Leipzig der Oberpfalz.
Keine Maut mehr für Weidener
Die Zeiten haben sich geändert. „Gott sei Dank“, sagt Oberbürgermeister Cerny. „Die alte Rivalität ist Geschichte, die Weidener müssen keine Maut mehr bei uns bezahlen“, sagt der CSU-Politiker süffisant. Auch das strenge Regiment des ehemaligen Rechtsreferenten Otto K. Dietlmeier, der die städtischen Verkehrsüberwacher regelrecht auf die Jagd nach Parksündern geschickt haben soll, ist längst passé. Wendepunkt dürfte die gemeinsame Gründung der Hochschule am Doppelstandort Amberg-Weiden gewesen sein.
Auch wenn Historiker Schöberl die Entstehungslegende der heutigen OTH infrage stellt, lassen wir uns eine gute Geschichte ungern durch Fakten kaputt recherchieren: Gustl Lang soll in München so lange die Luft angehalten haben, bis ihm bescheinigt wurde, dass auch Weiden einen Teil der Hochschule abbekommt. „Ich habe Otto Wiesheu angerufen“, macht Schöberl das Heldenepos madig, „die kolportierten Geschichten sind ein Krampf.“ Wenn man sich die Kabinettsvorlage durchlese, habe die Staatsregierung den Doppelstandort von vornherein vorgesehen.
Gemeinsam gegen Regensburg
So oder so, die Gründung der Stadt- und Landkreis-übergreifenden Hochschule sei nicht nur Strukturpolitik gewesen: „Es ist die erste gemeinsame Aufgabe“, sagt Cerny. Startschuss für die Anbahnung erster kooperativer Ansätze etwa bei den Kliniken: „Dass daraus nicht mehr geworden ist, liegt an der unterschiedlichen Struktur der beiden Häuser, und wahrscheinlich hätte auch das Kartellamt dagegen geschossen.“ Heute diskutiere man aber sehr intensiv miteinander, wie man die Lauterbach’sche Krankenhaus-Reform zum Wohl der Kliniken Nordoberpfalz und des Marien-Klinikums umsetzen könne.
Und damit nicht genug: „Bei der Zusammenlegung beider Rettungszweckverbände mit Schwandorf und den Landkreisen außenrum hätte es vor 20 Jahren wohl noch geheißen, ,nur über meine Leiche‘.“ Schließlich hätten beide Mittelstädte oberzentrale Funktionen im Bereich Schule – „man denke nur an die Gastschulbeiträge“ – und Kultur: „Wir haben die gleichen Fragestellungen“, beschreibt Cerny die Lage, „wie gehen wir mit Leerständen um, wie gestalten wir die Innenstadt positiv?“ Habe man sich früher als Konkurrenten in der mittleren und nördlichen Oberpfalz beäugt, betrachte man sich inzwischen als Partner in Abgrenzung zum Oberpfalz-Metropölchen Regensburg.
Von wegen Fake-News: Eine Seite in der Zeitung
Und dann sitzen am Abend die beiden CSU-Fraktionen aus Amberg und Weiden nach der Klausur bei einer Winkler- oder Bruckmüller-Halben zusammen und resümieren halb ernst, halb scherzhaft: „Wo wir jetzt schon so viel zusammenarbeiten und das weiter ausbauen wollen, können wir gleich eine Städtepartnerschaft machen“, erklärt Weidens CSU-Fraktionschef Benjamin Zeitler. „Das wäre mal ein April-Scherz, der aufhorchen lässt“, stimmte OB Cerny schmunzelnd zu.
„Dass die Tageszeitung daraus ein Standardwerk über die Gefährlichkeit von Fake-News produzieren würde, wäre uns im Traum nicht eingefallen“, schüttelt Zeitler den Kopf. „In der PM stand ja nichts Falsches, es geht lediglich darum, wie eng man den Begriff der Städtepartnerschaft fasst.“ Ein Gutes habe die Berichterstattung aber: „Schau her“, habe Zeitler zu seiner Fraktion gesagt, „immerhin haben wir es geschafft, mal wieder eine ganze Seite in der Zeitung zu bekommen.“
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