Fußballer vor Gericht: Foul oder schwere Körperverletzung?

Weiden. Vor Einzelrichter Hermann Sax kam eine Strafsache zum Aufruf, die in der Zuschauerreihe zu Emotionen führte. War es ein auf dem Fußballplatz spieltypisches Foul oder war es schon schwere Körperverletzung?

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Ein Hauch von ZDF-Sportstudio, wenn es nicht um eine mutmaßliche schwere Körperverletzung gegangen wäre. Foto: Martin Stangl

Wäre es nicht ein ernster Anlass gewesen, so hätte man den Gerichtssaal für eine neue Location des ZDF-Sportstudios halten können. Vorne mehrere Monitore, auf denen Szenen eines Fußballspiels wiedergegeben wurden, hinten in der Zuschauerreihe emotional aufgeheizte Fans beider Kontrahenten. Den Ernst der Situation verkörperten jedoch Richter Hermann Sax, Staatsanwältin Laura Rittmann und Strafverteidiger Stephan Schütz.

Video als Beweismittel

Zum Aufruf kam eine mutmaßliche schwere Körperverletzung während eines Spiels in der Kreisklasse Ost. Als Beweismittel diente ein Video von OberpfalzECHO (Minute 2:35). Darauf war zu sehen, dass ein Fußballer der SpVgg Windischeschenbach während einer Ballannahme von einem gegnerischen Spieler heftig zu Fall gebracht wurde.

Ins Rollen kam der Fall deshalb, weil der gefoulte Spieler (22) Strafanzeige wegen schwerer Körperverletzung stellte. Der als Zeuge aufgerufene Windischeschenbacher hatte sich auf ausdrückliches Anraten seines Vaters dazu entschlossen. Sein Verein, die SpVgg Windischeschenbach, ist an der Strafanzeige nicht beteiligt.

Der im Gerichtssaal engagiert auftretende Vater musste sich während der Verhandlung einen Hinweis der Verteidigung gefallen lassen, dass Zuhörer im Gerichtssaal kein Recht auf Wortbeiträge haben.

Emotionen im Gerichtssaal

Ebenso schwer fiel es allerdings auch dem “Fanclub” des Angeklagten, die Emotionen zu kontrollieren. Richter Hermann Sax – um Deeskalation bemüht – versuchte aus dem mehrfach vorgespielten Video neutrale Erkenntnisse zu ziehen. Dabei verheimlichte er nicht, dass er mit etlichen Kollegen die betreffende Sequenz eingehend analysiert hatte: “Eine gewisse Tendenz zum absichtlichen, schweren Foul kann ich schon erkennen”, so seine vorläufige Einschätzung.

Aufgrund einer laufenden Bewährung versuchte der Richter den Angeklagten zu einer etwaigen Schuldeinsicht und Reue zu bewegen. Immerhin stand dessen Bewährung und damit ein Haftvollzug auf dem Spiel.

Keine Absicht, sondern normaler Zweikampf

Selbst nach einem Beratungsgespräch mit seinem Strafverteidiger beharrte der angeklagte Fußballer (25) auf der Tatsache, dass das Foul im Eifer des Gefechts auf dem Platz “einfach” passiert sei: “Natürlich bereue ich das Foul. Deswegen habe ich mich auch danach sofort auf dem Platz entschuldigt.”

Verteidiger Stephan Schütz befragte den mutmaßlich Geschädigten nach den erlittenen Verletzungen. Dieser gab an, am Folgetag vom behandelnden Arzt eine Salbe zur Selbstbehandlung des Hämatoms und der Prellung erhalten zu haben. Eine Krankschreibung ist nicht erfolgt, “weil ich möglicherweise den falschen Arzt habe”.

Interessant war in diesem Zusammenhang auch, dass der Gefoulte das Spiel nach kurzer Behandlung fortsetzen konnte. Auch ein offizieller Protest des Vereins wurde im Nachgang dem Schiedsrichter nicht gemeldet.

Schiedsrichter als Zeuge

Licht ins Dunkel sollte der als Zeuge geladene Schiedsrichter (74) bringen. Zum wiederholten Mal wurde darauf im Gerichtssaal in Zeitlupe das Foul vorgeführt.

Auf mehrmaliges Nachfragen des Richters verteidigte der Schiedsrichter seine damalige Entscheidung auf dem Sportplatz: “Jawohl, es war ein hartes Foul. Deshalb habe ich es sofort mit einer zehnminütigen Zeitstrafe geahndet. Eine gelbe oder rote Karte wäre zu hart gewesen, da eine derartige Aktion vielfach auf dem Fußballplatz passiert. Wenn eine Strafverfolgung wegen schwerer Körperverletzung für so ein Foul Schule macht, dann: Gute Nacht Fußball!”

Wenn eine Strafverfolgung wegen schwerer Körperverletzung für so ein Foul Schule macht, dann: Gute Nacht Fußball!” Schiedsrichter der Partie SpVgg Pirk gegen SpVgg Windischeschenbach

Kompromiss Schmerzensgeld

Nachdem es lange danach ausgesehen hatte, dass der Angeklagte übermäßig hart gegen seinen Gegner vorgegangen ist, wendete sich das Blatt nach den Aussagen des erfahrenen Schiedsrichters. Trotz gewisser Zweifel an der Angemessenheit der eingesetzten körperlichen Mittel des Angeklagten schlug das Gericht die Einstellung des Verfahrens gegen eine Schmerzensgeldzahlung von 900 Euro vor.

Nach kurzer Beratung mit seinem Verteidiger nahm der Angeklagte den Vorschlag an. Damit bleibt seine strafrechtliche Vorbelastung unberührt und ihm letztendlich die Widerrufung der Bewährungsstrafe erspart.

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