Gießerei-Tradition geht weiter: Firma “595°Solutions” setzt auf Thixomolding [Video]

Flossenbürg. Flossenbürg bleibt Gießerei-Standort. Die Firma 595° Solutions tritt die Nachfolge von Schulte und Schmidt an. Das Unternehmen setzt dabei auf das innovative Thixomolding-Verfahren und auf einen besonderen Rohstoff: Magnesium

Das Corona-Virus hatte auch die Automobilbranche infiziert. Lieferengpässe, Produktionsstopps und sinkende Absatzzahlen machten den Herstellern schwer zu schaffen. In die Knie ging so mancher Zulieferer. Auch die Firma Schulte und Schmidt gibt es nicht mehr.

Dafür steht seit Jahreswechsel mit der 595° Solutions GmbH ein Nachfolgeunternehmen in den Startlöchern. Die Firma setzt zwar die 45-jährige Tradition des Leichtmetallgießens in den Produktionshallen in der Flosser Straße fort, hat aber den Fokus auf ein innovatives Verfahren gerichtet: das Thixomolding mit Magnesium “Wir haben den Turnaround geschafft”, blickt Geschäftsführer Achim Sach zuversichtlich in die unternehmerische Zukunft.

Geschäftsführer Achim Sach führte Bürgermeister Thomas Meiler, den stellvertretenden Landrat Albert Nickl und den Landtagsabgeordneten Dr. Stephan Oetzinger (von rechts) durch den Betrieb. Foto: David Trott

Nürnberger Standort wurde geschlossen

2020 und 2021 waren für die Flossenbürger schwierige Jahre. Wegen Corona brachen die Umsätze um bis zu 50 Prozent ein. 2021 musste der Schulte- und Schmidt-Standort in Nürnberg geschlossen, die Belegschaft, bis auf einen kleinen Rest entlassen werden. Und auch in der Oberpfälzer Kommune arbeiteten früher einmal bis zu 350 Leute. Aktuell sind es 260.

“Wir wollen uns aber personell weiter verstärken und suchen dringend Fachkräfte”, erläutert Sach. Er führte jetzt den Landtagsabgeordneten Dr. Stephan Oetzinger, den stellvertretenden Landrat Albert Nickl und Flossenbürgs Rathauschef Thomas Meiler durch das Unternehmen.

Do Capital Partners stieg ein

Dass bei dem größten Arbeitgeber in der Gemeinde nicht die Lichter ausgegangen sind, sondern ganz im Gegenteil, heller denn je brennen, ist dem Engagement von Do Capital Partners in München zu verdanken. Die familiengeführte Beteiligungsgesellschaft konnte sich für das vorgelegte Zukunftskonzept begeistern, in dessen Mittelpunkt das sogenannte Thixomolding-Verfahren steht.

Eine neue, hochmoderne, 1,4 Millionen Euro teuere und 50 Tonnen schwere Anlage aus japanischer Produktion, ist bereits aufgebaut. Es ist übrigens die erste Maschine mit 850 Tonnen Schließkraft, die in Europa zum Einsatz kommt. Sie stellt pro Stunde 150 Magnesium-Gussteile in einem vollautomatisierten Prozess her. Und der Maschinenpark wird weiter wachsen. “Heuer und im kommenden Jahr werden noch einmal rund zehn Millionen Euro investiert”, erläutert Sach.

Magnesium ist ein metallisches Leichtgewicht

Beim Thixomolding-Verfahren werden die Magnesium-Legierungen im Unterschied zum klassischen Druckguss nicht komplett verflüssigt, sondern nahe der sogenannten Liquidustemperatur vergossen – also genau am Übergangsbereich zwischen fest und flüssig. Die so hergestellten Bauteile verfügen über die besten mechanischen Eigenschaften. Zudem sind bereits geringere Temperaturen zur Verarbeitung der Legierungen ausreichend, das hilft Energie zu sparen. Die Liquidustemperatur der derzeit gängigsten Legierung im Magnesium-Guss beträgt übrigens exakt 595° Celsius: Damit war auch der Firmenname geboren.

Entwicklung von neuen Legierungen

Apropos Magnesium. Es ist ist ein metallisches “Fliegengewicht”, wiegt 75 Prozent weniger als Stahl und bringt im Vergleich zu Aluminium ein Drittel weniger Gewicht auf die Waage. Wichtig zum Beispiel für die Automobilhersteller, die um fast jedes Einspar-Kilogramm kämpfen.

Die Flossenbürger spielen noch andere Trumpfkarten aus. Man forscht und entwickelt. Eine brandfeste Legierung, die zugleich über bessere mechanische Eigenschaften verfügt, befindet sich in der Markteinführung. Und auch die Digitalisierung spielt in dem Unternehmen eine große Rolle. Kunden bekommen durch einen digitalen Zwilling Zugang zur Magnesium-Fertigungslinie. Mit Hilfe von Virtual und Augmented Reality kann sie erkundet werden.

595°Solutions beliefert namhafte Hersteller

Zu den Kunden der Gießerei gehören namhafte Hersteller und Zulieferer der Automobil- und Zweiradindustrie, wie MAN, KTM oder Bosch, ebenso wie Produzenten für die Luft- und Raumfahrt. 595° bietet Produkte und Lösungen für Antriebstechnik und motornahe Anwendungen, Sitzkomponenten sowie Gehäuse für Batteriebauteile oder Steuermodule an. Zum Portfolio zählen zudem Anwendungen für die Medizin- und Elektrotechnik. Für den Freizeitbereich produzieren die Flossenbürger beispielsweise Bauteile für E-Bikes. Auch hier sieht Sach ein enormes Wachstumspotenzial. “Es wird hierzulande mit einer Verdoppelung der E-Bikes auf 4,2 Millionen Stück gerechnet”, betont er.

Neben Flossenbürg wird noch in Vohenstrauß und im rumänischen Brasov produziert. In Nürnberg befindet sich die Verwaltung. Aktuell sind bei 595° Solutions 550 Mitarbeiter beschäftigt.

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