Schobers Rock-Kolumne, Halloween-Ausgabe: Herbstzeitlose Symphonie des Grauens

Parkstein. Er hat sie alle geholt: Konzertveranstalter Hubert Schober brachte Rio Reiser oder Manfred Man nach Weiden. Der gelernte Sozialpädagoge veranstaltete international erfolgreiche Shows wie die Circus-Produktion Mother Africa. Für OberpfalzECHO rezensiert er musikalische Neuerscheinungen und Evergreens.

Hubert Schobers Musik-Auswahl für Halloween. Collage: jrh

Einst vertrieben die Kelten am 31. Oktober böse Geister. Heute spuken an Halloween Kinder in Kostümen durch die Nachbarschaft und Erwachsene treffen sich zu Grusel-Partys. Zeit für ein paar eher melancholischere Songs.

Herbstzeitlose Melodien

Gerade recht kommt da das achte Album der Briten von The Clientele. Leider wurde die Combo um Sänger und Songschreiber Alasdair MacLean immer unterschätzt und kann so nur auf eine kleine aber treue Fan-Gemeinde bauen. „I Am Not There Anymore“ (Cargo) hat erneut alle Zutaten des Clientele-Sounds.

Schwelgerische Streicher, die sanfte, juvenile Stimme von MacLean, ein paar Hab-Acht-Holz-Bläser, zirpende Gitarren und all dies mündet in wunderschöne herbstzeitlose Melodien aus Chamber-Folk & Pop. Es gibt aber mit einem sehr verhalten eingesetzten Drum-Computer und ein paar weiteren elektronischen Spielereien auch neue Akzente im gewohnten Wohlfühl-Sound zu vermelden.

Symphonie des Grauens

In eine andere, deutlich rhythmischere Kerbe schlagen die Kollegen von The Monochrome Set. Die haben inzwischen nicht nur 30, sondern fast 45 Jahre auf dem Buckel und pflegen den Post-Wave-Sound der 80er. Die Doppel-LP, „Radio Sessions (Marc Riley BBC 6 Music 2011-2022)“ (Tapete) versammelt 32 Songs, darunter bekannte Hits wie „Eine Symphonie des Grauens“, „Jet Set Junta“ und „Alphaville“.

Aber auch fantastische Versionen von selten gehörten oder weniger bekannten Songs wie „Rain Check“ oder „Hip Kitten Spinning Chrome“. Die Mischung aus Live-Setting und Studio-Atmosphäre zeitigt von jeher äußerst interessante Song-Versionen, so auch hier, bei den englischen Talking Heads.

Das Scheitern der Liebe

Wir bleiben in Charles Königreich. Ein aufstrebendes Duo bestehend aus Sänger und Instrumentalist Jack Ratcliffe und Instrumentalist und Produzent George Hasbury nennt sich Arliston und widmen ihre erste EP dem Scheitern der Liebe. Ratcliffe schmachtet und leidet im Falsett, singt mit sich selbst im Chor und beeindruckt durch seine Präsenz.

Der Sound ist betont transparent und elektronisch gehalten, auch wenn sich in „451“ ein paar Bläser einmischen. Bon Iver, Talk Talk, Haevn, The National, James Blake kommen einem angesichts dieser dramatischen Oden in den Sinn. Pop für die dunklen Seiten des Lebens und der Liebe, das ist „How In Heaven“ (Sob Story Rec).

Schwedische Schnecken der Liebe

Ein Königshaus gibt es auch in Schweden, aus dem schönen Göteborg stammen Little Dragon. Und auch diese Kapelle mag es gerne elektronisch, behandelt das Thema Liebe & Scheitern aber deutlich beschwingter, mit einem unbedingt positiven Blick nach vorne. Die Schulfreunde Erik Bodin (Schlagzeug und Perkussion), Fredrik Wallin (Bass), Håkan Wirenstarnd (Keyboards) und Yukimi Nagano (Gesang) haben eine veritable Schar an Bewunderern.

Dazu zählen SZA, Erykah Badu, Anderson Paak, Diplo, Flume, Ava DuVerney, Ali Wong, Syd, Disclosure, LaKeith Stanfield oder The xx – und selbst Damon Albarn war sich für einen Gastbeitrag nicht zu schade. Songs wie das titelgebende „Slugs Of Love“ (Ninja Tune), eine flott tanzbare Mischung aus R&B, süßem Pop und Electronics plus ein paar Saxophon-Takten machen einfach Spaß und feiern Yukimi Nagano als wandlungsreiche Sängerin.

Aus der Zeit gefallener Norweger

Ums Eck, in Norwegen, ist Morten Martens beheimatet. Der singt auch als Mann fast so schön wie die Kollegin, ist aber vor allem instrumentell sehr versiert. Gesang, Schlagzeug, Percussion, Bassgitarre, E-Gitarre, Akustikgitarre, elektrische Sitar, Orgel, Klavier, Rhodes, Clavinet, Mellotron, Glockenspiel, Vibraphon, Synthesizer und Flöte stehen da auf der Liste. Lediglich auf dem Schlagzeugstuhl und bei zusätzlichen Gesängen lässt er sich auf seinem hervorragenden Debüt, „Rêverie“ (Big Crown Rec) unterstützen.

Als „Bandname“ hat er das französische Les Imprimés, also die Ausdrücke gewählt. Und gewählt auszudrücken versteht er sich, steht man als Zuhörer auf den guten alten Soul der 60er. Liebes-Schmachter wie „It‘s Over“ gehen runter wie Öl, Bossa-Nova-Funk-Rhythmen („Love & Flowers“) mit Jazz-Flöte verführen zu einem dezenten Tänzchen, der verträumte Pop im Simply Red-Stil von „Falling Love“ an die Cocktailbar. Ein wunderschönes Album, aus der Zeit gefallen wie eine Stil-Pretiose.

Schalk im US-Nacken

Von zeitloser Schönheit und eines der ganz wichtigen Werke der Pop-Musik ist sicherlich „The Unauthorized Biography Of Reinhold Messner“, das Ben Folds 1999 veröffentlichte. Es folgten weitere Meisterwerke, dann gab es (leider) eine Pause, um jetzt um so euphorischer sein neues Werk, „What Matters Most“ (New West Rec) zu feiern. Der Schalk sitzt dem Pianisten, Komponisten und Sänger weiterhin im Nacken, sein spezieller Humor war, wie auch der vom Kollegen Randy Newman, von jeher eines seiner Markenzeichen.

Und wenn es um (Piano-) Melodien, macht man dem Manne eh nichts vor, seit Elton John abgetreten ist. Folds brilliert bei Art-Folk-Stücken ebenso wie beim Brit-Pop oder eher verschachtelten Steely-Dan-Anwandlungen. Zusammen mit Morten Martens zuvor besprochenes Werk die definitiven Abräumer dieser Ausgabe!

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