Sogenannte “Keiler” zocken ihre ahnungslosen Opfer gnadenlos ab

Weiden. Mit Schockanrufen lässt sich das große Geld verdienen. Betrüger haben es dabei auf ältere, alleinstehende Menschen abgesehen. Eine erfahrene Kripobeamtin zeigt, wie skrupellos diese "Keiler" dabei vorgehen und wie man sich wehren kann.

Mit Schockanrufen zocken die Betrüger ahnungslose Opfer ab. Symbolbild: OberpfalzECHO

Ihre Masche ist perfide. Sie setzen Leute unter Druck, machen ihnen Angst. Sogenannte Callcenter-Betrüger geben sich am Telefon als Polizisten oder Staatsanwälte aus. Sie konstruieren Horrorszenarien, um an das Geld oder die Wertsachen ihrer Opfer heranzukommen. Kriminalhauptkommissarin Gloria Görner-Degasperi erläuterte jetzt in der Weidener Filiale der Vereinsbank Raiffeisenbank Nordoberpfalz die fiesen Methoden dieser Gangster. Das Geldhaus hatte ihre Kunden zu dem Vortrag eingeladen. Und die erfahrene Polizistin gab Ratschläge, wie man vermeiden kann, den Kriminellen auf den Leim zu gehen.

Absolute Profis am Werk

Das ist schwer genug. “Hier sind absolute Profis am Werk”, warnt die Beamtin. Die sind gebildet, psychologisch und rhetorisch bestens geschult. Ob perfektes Hochdeutsch, Wiener Schmäh oder Oberpfälzer Dialekt, sie haben alles drauf. “So wirken sie am Telefon noch vertrauensvoller”, weiß Gloria Görner-Degasperi. Und sie sind technisch versiert. IT-Cracks sitzen am Rechner. “Keiner ist gefeit davor, ihnen in die Falle zu gehen”, warnt die Beamtin. Und selbst sie, die sich tagein, tagaus mit den Machenschaften dieser Betrüger beschäftigt, würde nicht ausschließen wollen, von ihnen einmal überrumpelt zu werden.

Schnell verdientes Geld

Mit Schockanrufen und Enkeltrick-Methoden lässt sich viel Geld verdienen. 2022 knöpften diese Betrüger alleine in der nördlichen Oberpfalz ihren Opfern mehr als 255.000 Euro ab. Ein Jahr zuvor waren es fast 1,1 Millionen Euro. 2021 wurde alleine ein Arzt im Ruhestand um einen hohen sechsstelligen Betrag erleichtert. Das sind die “offiziellen” Zahlen.

Gloria Görner-Degasperi geht davon aus, dass die Dunkelziffer tatsächlich höher liegt: “Aus Scham, auf die Betrüger hereingefallen zu sein, meldet man es nicht der Polizei.” Dabei gibt es gar keinen Grund dafür: Denn in einem Schockzustand wird nicht mehr rational gedacht, sondern intuitiv gehandelt – eine völlig normale Reaktion des menschlichen Gehirns.

Regionalmarktleiter Christian Weigert und Geschäftsstellenleiter Thomas Graf bedankten sich bei Kriminalhauptkommissarin Gloria Görner-Degasperi (von rechts) für den Vortrag. Foto: Theo Kurtz

Opfer unter Druck gesetzt

Die Masche: Die Betrüger, sogenannte Keiler, suggerieren den angerufenen Personen, dass sie dringend finanziell helfen müssen. Oft wird vorgespielt, dass ein Angehöriger eine Straftat oder einen Verkehrsunfall verursacht hat und ihm nun eine Gefängnisstrafe droht. Das Opfer wird dabei massiv unter Druck gesetzt. Es soll eine Kaution oder eine Entschädigung gezahlt und einem Abholer übergeben werden.

Wie bei dem 67-Jährigen aus dem Landkreis Tirschenreuth. Der hatte im Januar 2023 einen fünfstelligen Bargeldbetrag einer unbekannten Person ausgehändigt. Er hatte zuvor über einen Anruf von einem tödlichen Verkehrsunfall erfahren, den angeblich seine Tochter verursacht haben soll. Natürlich alles erstunken und erlogen.

Die Kriminellen spielen ihren Opfern am Telefon ein sauberes Theater vor. Sie werfen sich gegenseitig die Gesprächsbälle zu, um damit ein reales und aktuelles Geschehen zu simulieren. Gleich zu Beginn meldet sich weinend das vermeintliche Familienmitglied, dem der Knast droht. Dann klinkt sich ein falscher Polizist ein und kurz darauf wird ein nicht weniger unechter Staatsanwalt zugeschaltet. Klingt alles real. “In Wirklichkeit sitzen sich die Betrüger im gleichen Raum einfach nur gegenüber”, weiß die Kripo-Beamtin.

Am besten gleich auflegen

Die Gangster nutzen diesen Schockmoment aus und setzen ihre Opfer auch unter zeitlichen Druck, um sie zu unüberlegten Handlungen zu drängen. “Um den Stresslevel hochzuhalten, werden die Leute ständig an der Strippe gehalten”, weiß Gloria Görner-Degasperi. So hätten die Opfer keine Sekunde Zeit, einen vernünftigen Gedanken zu fassen. Genau hier setzt die Kripo-Beamtin an.

“Das Gespräch unbedingt unterbrechen und bei dem angeblich in Not geratenen Verwandten anrufen und sich vergewissern, oder gleich die Polizei verständigen.” Noch besser wäre es natürlich, sich erst gar nicht auf das Telefonat mit den Kriminellen einzulassen, sondern sofort auflegen, bevor die falsche Tochter in den Hörer heult.

Falsche Polizisten warnen vor Einbrecher

Immer öfter melden sich per Telefon falsche Polizisten. Aktuell grasen die Betrüger wieder einmal den Großraum Regensburg ab. Ein Szenario: Der Beamte ruft bei dem Opfer an und warnt es vor Einbrechern, die bereits in der Nachbarschaft zugeschlagen haben. Er empfiehlt daher dringend, Bargeld und Wertgegenstände der Polizei zu übergeben. Die würden die Schätze in Sicherheit bringen.

Kurze Zeit später stehen dann prompt “Beamte” vor der Tür des Opfers, um die zu Hause gebunkerte Barschaft und den Schmuck in Empfang zu nehmen – und damit natürlich auf Nimmerwiedersehen zu verschwinden. Kaum zu glauben, aber auch diese Masche funktioniert.

Nichts über sein Vermögen verraten

Gloria Görner-Degasperi warnt: “Niemals Auskunft darüber geben, dass man Geld oder Wertgegenstände daheim hat.” Noch ein Tipp von ihr: Von Polizeibeamten den Ausweis zeigen lassen. Man kann sich auch bei der zuständigen Polizeidienststelle rückversichern, ob tatsächlich Beamte losgeschickt worden sind. “Denn jeder Einsatz muss dokumentiert werden”, erläutert sie. Ein weiterer Ratschlag: Eine Liste von den wertvollen Schmuckstücken erstellen und die Pretiosen abfotografieren.

Übrigens: Die Betrüger haben es in erster Linie auf ältere, alleinstehende Herrschaften abgesehen. Die ausfindig zu machen, ist für die Profis nicht allzu schwer: Telefonbücher werden nach eher altmodisch anmutenden Vornamen durchforstet. Ist die Rufnummer hinter der Vorwahl etwa nur dreistellig, kann davon ausgegangen werden, dass sie schon seit Jahrzehnten existiert. Daraus lassen sich wiederum Rückschlüsse auf das Alter der dort lebenden Person ziehen.

Ist im Telefonbuch neben dem Familien- nur ein einziger Vorname angegeben, dann reiben sich die Betrüger erst recht die Hände. Wahrscheinlich alleinstehend. Volltreffer! “Man sollte sich wirklich Gedanken über seinen Telefoneintrag machen”, findet die Kripo-Beamtin.

Beratungsstelle der Kripo in der Innenstadt

Übrigens: Die Kriminalpolizei Weiden hat im September 2023 in der Ringstraße 12 (ehemals Uhren Heinz) eine Beratungsstelle eingerichtet. Hier können sich die Bürgerinnen und Bürger jeden Montag von 9.30 Uhr bis 13.30 Uhr zu Themen wie Einbruchsschutz oder Verhaltensprävention, wie etwa bei den Schockanrufen, informieren.

Tipps vom Bundeskriminalamt (BKA):

  • Folgen Sie nicht den Aufforderungen der Anrufer. Lassen Sie sich nicht in ein Gespräch verwickeln oder unter Druck setzen. Legen Sie einfach auf.
  • Geben Sie am Telefon keine Details zu persönlichen oder finanziellen Verhältnissen preis.
  • Rufen Sie Ihre tatsächlichen Angehörigen unter der Ihnen bekannten Nummer an.
  • Denken Sie daran: Die Polizei oder vergleichbare Amtspersonen werden Sie niemals telefonisch um die Aushändigung von Bargeldbeträgen oder Wertsachen bitten.
  • Übergeben Sie niemals Geld oder Wertgegenstände an Personen, die Sie nicht kennen.
  • Lassen Sie grundsätzlich keine Unbekannten in Ihre Wohnung oder Ihr Haus.
  • Falls Sie einen solchen Anruf erhalten haben, wenden Sie sich bitte umgehend an Ihre örtlich zuständige Polizeidienststelle, um den Vorfall zur Anzeige zu bringen.

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