[Update] US-Richter schickt Brandon L. für 2 Jahre 9 Monate in Haft

Vilseck. Das Strafmaß steht fest. Brandon L. muss 2 Jahre 9 Monate in Haft (Höchststrafe wären vier Jahre gewesen). Außerdem wird der 29-Jährige degradiert.

Das Urteil gegen einen US-Sergeant ist gefallen. Symbolfoto: pixabay

[Udpate, Freitag, 16.20 Uhr] Gegen 16 Uhr verkündet Richter Thomas Hynes das Strafmaß. Neben der verhängten Haft ist der Sergeant zum Private degradiert worden mit Konsequenzen auf seinen Verdienst. Er wird nicht unehrenhaft aus der Army entlassen.

Wie Jason Treffrey vom Büro für Public Affairs erläutert, ist das Urteil noch nicht rechtskräftig. Nach Artikel 66 des UCMJ wird jede Strafe, die eine Entlassung oder Haft über zwei Jahre beinhaltet, automatisch vom Berufungsgericht der Armee überprüft. Der Angeklagte kann auch selbst innerhalb von 90 Tagen Berufung einlegen. Kläger erhalten einen anderen kostenlosen Verteidiger von der Defense Appellate Division aus Fort Belvoir, Virginia.

Die meisten Angeklagten, die zu mehr als ein paar Monaten Haft verurteilt werden, verbüßen ihre Zeit entweder in der Joint Regional Confinement Facility oder in der Disziplinarkaserne, beide in Fort Leavenworth, Kansas.

[Update, Freitag, 10.40 Uhr] Am heutigen Freitag wird am Militärgericht in Vilseck über das Strafmaß verhandelt. US-Soldat Brandon L. war am Donnerstag vom Panel (“Jury”) wegen Körperverletzung an einem Kind schuldig gesprochen worden. Der Angeklagte konnte am Donnerstagabend selbst entscheiden, ob die Strafhöhe von Richter Colonel Lt. Thomas Hynes oder dem Panel festgelegt wird. Er entschied sich für den Richter. Das Panel war damit entlassen.

Für die Verhandlung um das Strafmaß sind am Freitag, 9 Uhr, noch einmal Zeugen aufgerufen worden. Die Staatsanwaltschaft holte die Mutter noch einmal nach vorne, die berichten sollte, wie es ihr gehe. Fazit: sehr schlecht. Außerdem wurde ein Arzt angehört, der über die Schmerzen berichtete, die das Baby erlitten habe.

Die Verteidigung fuhr zwei Kollegen des Angeklagten vom zweiten Kavallerieregiment auf, die nur lobend von ihm berichteten. Weitere Soldaten sollten zu seinem Charakter angehört werden. Problem: Die fünf Männer sind nicht mehr in Deutschland, sondern inzwischen an der Ostküste und in Alaska stationiert. Die Verhandlung wurde am Vormittag für eine Stunde unterbrochen. Die “Defense” will versuchen, sie trotz Zeitverschiebung für eine Aussage zuzuschalten.

Das Urteil vom Donnerstagabend: “not guilty” des Mordes

[Update, Donnerstag, 19.30 Uhr] Auf dieses Urteil hatten die Beteiligten ab 14.45 Uhr fast vier Stunden lang gewartet. Um 19.07 Uhr dann der spannende Satz: “Not guilty” des ersten Anklagevorwurfs. Sprich: Die achtköpfige Militärjury hat den US-Sergeant nicht des Mordes schuldig gesprochen.

Übrig blieb letztlich nur eine Verurteilung wegen einer Körperverletzung an einem Kind (Baby Kaleb hatte im Februar 2021 ein blaues Auge). Angeklagt war auch eine schwere Körperverletzung (Rippen- und Beinbrüche im Januar/ Februar 2021); auch hier sah das Panel die Täterschaft von Brandon L. als nicht bewiesen an: Der Urteilsspruch lautete auf “nicht schuldig”. “Nicht schuldig” ist der Soldat zudem des Vorwurfs der Behinderung der Justiz. Der Schuldspruch der Jury kommt damit beinahe einem Freispruch gleich.

Freitag, 9 Uhr: Richter Hynes verkündet Strafmaß

Baby Kaleb starb am 23. März 2021 an einem Schädelbruch und einer Hirnblutung, bei der Obduktion erkannte man zehn abgeheilte Brüche an Rippen und Beinen. Offenbar sah die aus acht ranghohen Militärs bestehende Jury nicht genug Beweise, die für den Sergeant als Täter sprachen.

Das Plädoyer der Staatsanwaltschaft

Am Vormittag hatte es die Plädoyers gegeben: Staatsanwältin Rachel Bokmeyer startete ihr Plädoyer mit einem netten Familienbild: Baby Kaleb auf dem Arm eines Verwandten. Es ist am Tag vor der Todesnacht aufgenommen worden. Die Kindsmutter hatte ihre Familie besucht. „Kaleb is happy“, beschreibt Rachel Bohmeyer das Foto. Niemand habe an diesem Tag eine Verletzung an ihm gesehen.

Keine 24 Stunden später war der Junge tot. Aus steigender Frustration beim nächtlichen Füttern habe Soldat Brandon L. das Kind geschüttelt und geschlagen: „He shakes him. He slams him.“

Die Kernaussagen der Staatsanwaltschaft: Baby Kaleb starb an den Folgen kräftigen Schüttelns und stumpfer Gewalt gegen den Kopf. Beides gleichzeitig. Es war nach Ansicht mehrerer Rechtsmediziner und Ärzte durch die Erschütterung des Gehirns sofort bewusstlos. Niemand anderer komme für die Tathandlung infrage als der Vater.

Wie nach einem Boxkampf

Im Sanka nach Weiden war das Kind „semikomatös“. In der Kinderklinik notierte man: bewusstlos, keine Reaktion, Augen geschlossen, bleich, Blutergüsse an Kinn, Wangen und Beinen. Es hatte keine Chance auf ein Überleben, so Rachel Bokmeyer: „no chance of survival“.

Ein 3-D-Modell zeigte den an mehreren Stellen gebrochenen Schädel. Auch die Mutter des getöteten Babys war am Donnerstag vor Ort, begleitet von zwei Freundinnen. Als ein Foto des Jungen im Krankenhausbettchen eingeblendet wurde, brach sie in Tränen aus. Selbst ein Soldat im Zuschauerraum barg sein Gesicht in den Händen. Kaleb sieht aus wie nach einem Boxkampf, grün, blau, gelb. Die Staatsanwältin: “Kaleb was knocked unconscious.” “Kaleb wurde bewusstlos geschlagen.”

Das Plädoyer der Verteidigung

Es folgte das Plädoyer der Verteidigung. Anwältin Dee Dequattro schoss sich derart auf die Mutter ein, dass deren Freundin für einige Minuten entsetzt den Saal verließ. Die Stoßrichtung der Defense: Die Verletzungen stammen von der Mutter, die am Abend stundenlang mit dem Kind alleine im Zimmer war.

Ihre Theorie: Die Mutter habe dem Vater das quengelnde Kind bereits verletzt zur Fütterung übergeben. Der Soldat habe den Zustand nicht erkannt; wie auch: Er habe sich ja kaum gekümmert. Beim CID (US-Kripo) hat Brandon L. in der Tatnacht handschriftlich den Ablauf notiert (“feeding him”, “calm him down”, “still upset”, “try to feed him again”). Als er sich einmal in die Küche entfernte und zurückblickte, sei das Kind plötzlich regungslos gewesen.

Die Verteidigung hatte zuletzt eigene Experten in den Zeugenstand gerufen: Nach Aussagen dieser Mediziner, aus den USA eingeflogen, können die Verletzungen auch länger zurückliegen. Nach einem Hirnödem könnten Stunden vergehen, bis Bewusstlosigkeit eintritt. Dee Dequattro erinnert an Widersprüche in der “Timeline” der Mutter. Bei der Amberger Kripo habe sie von “fünf Minuten” gesprochen, in denen der Kindsvater mit dem Baby alleine war. Inzwischen von einer Stunde.

Weiterer Kritikpunkt: Die deutschen Ermittlungsergebnisse aus dem Verfahren gegen die Mutter seien vom US-Staatsanwalt einfach übernommen worden: “Das war ihm genug.” Sie stelle sich die Frage, warum der verantwortliche Kommissar der Kripo Amberg nicht in den Zeugenstand gerufen wurde: “Warum hat man den Chefermittler nicht geladen?” Die Verteidigerin ließ “racial bias” (rassistische Vorurteile) der deutschen Ermittler gegen den schwarzen Tatverdächtigen anklingen, was das Gericht deutlich zurückwies. Dafür gebe es kein einziges Anzeichen.

Die Verteidigerin schloss: Im Zweifel für den Angeklagten. “If you can’t count her out, that’s reasonable doubt.” Wenn man die Mutter als Täterin nicht ausschließen könne, genüge das als berechtigter Zweifel.

Handyfotos vom verletzten Kind

Der zweite Anklagepunkt betraf zwei Fälle der Körperverletzung an dem Kind. Beweismittel ist zum einen das Obduktionsergebnis von Kaleb: Es zeigt sieben Rippenbrüche und drei Beinfrakturen, laut Rechtsmedizin Erlangen aus Januar oder Februar. Zum Zweiten gibt es Handyfotos der Mutter von Ende Februar, die bei dem Buben ein blaues Auge zeigen. 

Die Staatsanwaltschaft biss sich daran fest, dass Urheberin aller Verletzungen nur die Mutter sein könne. Sie habe die meiste Zeit mit dem Baby verbracht, sie hatte die meisten Gelegenheiten. Sie hätte doch beim Wickeln sehen müssen, dass die Beine gebrochen waren. Die Verteidigung wies darauf hin, dass die 31-Jährige durchaus misstrauisch war. So schrieb sie einer Angehörigen von “blue spots”, nachdem das Kind mit dem Vater alleine war. Sie habe Brandon L. auch zur Rede gestellt, letztlich seinen Ausreden geglaubt und ihm vertraut.

Jury zieht sich zurück

Um 14.37 Uhr war es schließlich so weit. Richter Thomas Hynes verabschiedete die acht Panel-Mitglieder zur Beratung ins Hinterzimmer. Vor dem Gerichtsgebäude in Vilseck begann das große Warten bis nach Sonnenuntergang. “Dunkin Donut”, 400 Meter entfernt, machte sein Geschäft mit “Iced Coffee” und Cinnamon Donuts.

* Diese Felder sind erforderlich.