Weidener SPD wie Urgestein Ludwig Stiegler: „Ner niad nougem“

Weiden. Bestandsaufnahme der Weidener SPD-Fraktion unter neuer wie alter Führung: Roland Richter und Matthias Holl erklären zur Legislatur-Halbzeit, was erledigt wurde und was liegenblieb. Vor allem aber: Was die Genossen mit OB Jens Meyer bis zur Wahl 2026 vorhaben.

Geben die Ergebnisse der Klausurtagung bekannt: SPD-Fraktionschef Roland Richter (rechts) und Stellvertreter Matthias Holl. Bild: Jürgen Herda

Eine ehrliche Bestandsaufnahme wollte die Weidener SPD-Fraktion bei ihrer Halbzeit-Klausur machen. „Sich in die Taschen zu lügen, nützt keinem“, sagt Fraktions-Vize Matthias Holl. Man wolle die Karten auf den Tisch legen. „Die Bewertung überlassen wir jedem selbst“, sagt der Rektor der Hans-Sauer-Schule in Rothenstadt. 

„Wir wissen selbst, dass die Stimmung für die SPD in dieser Aufeinanderfolge von Krisen nicht die beste ist“, weiß Fraktionschef Roland Richter. Das schlage auch auf Weiden durch. „Wir haben aber unter diesen Rahmenbedingungen durchaus einiges erreicht“, will der Studiendirektor am Augustinus-Gymnasium kein Terrain verlorengeben. „Ner niad nougem“, habe Ludwig Stiegler immer gesagt. Daran wolle man sich orientieren.

Ludwig Stiegler, lebendes Denkmal der Weidener SPD. Archivbild: SPD

Ampel der erledigten Versprechen

Dann legt das Duo ohne Dame – die Dritte im Bunde, Hildegard Ziegler, ist verhindert – einen Packen Papier auf den Tisch. Digitalisierung hin oder her. Bei der Aufarbeitung der vergangenen drei Jahre orientierten sich die Kommunalpolitiker mit Blick auf Berlin an der Ampel: Rot für unerledigt, Gelb für so lala und Grün für abgehakt. Die Farbsymbolik dürfte nicht jedem Genossen gefallen haben.

Die erste Seite kann sich sehen lassen: Auf der Liste der „Stadt des sozialen Gewissens“ blinkt nur ein Rotlicht – der Neubau der Hauptfeuerwache sei bislang schlicht an den Finanzen gescheitert. Ansonsten ein bunter Mix aus Gelb und Grün: Ausbau der Barrierefreiheit, und des Digitalen Rathauses, regelmäßige Bürgerversammlungen und Erhöhung der Zuschüsse für Vereine, Ausbau von Betreuungsangeboten und Kindertagesstätten, alles im gelb-grünen Bereich.

Die Feuerwache in Weiden. Foto: Feuerwehr Weiden

Bei Klima fast nur Rotlicht

Nach dem Umblättern ändert sich das Bild: Beim Thema „Klima-Stadt“ steht die Ampel weitgehend auf Rot. Die Erklärung ist simpel: „Viele Ideen von 2019 stammen aus einer anderen Welt vor dem Ukraine-Krieg und der Energie-Krise.“ Mit anderen Worten: Auch Weiden plagen heute andere Probleme als die Lichtverschmutzung, plastikfreie Veranstaltungen, neue Schrebergärten, Kreisverkehre, ein Parkleitsystem oder der Lärmschutzbelag auf der A93. 

Nicht, dass diese Themen heute obsolet wären, nur die Prioritäten haben sich verändert. Immerhin: „Das Klimaschutzgutachten und das Zielkonzept für die CO₂-Neutralität sind fertig“, sagt Richter, „und die Nahwärmeplanung haben wir schon vor dem Heizungsgesetz auf den Weg gebracht.“

Weniger Plastik wäre gut, den Unverpacktladen gibt es leider nicht mehr. Bild: Beate Luber

Kultur ohne Mittel

Äußerst durchwachsen fällt auch die Bilanz bei Weiden als „Stadt der Kultur und des Lifestyles“ aus. „Die vielen roten Ampeln“ bedeuten vor allem eines: „Wir müssen mit Haushaltsmitteln äußerst sparsam umgehen“, sagt Richter zerknirscht. „Kein Multiplex-Kino, keine Dreifachturnhalle auf dem FOS-BOS-Gelände, keine Erneuerung der städtischen Anlagen für den Breitensport.“ 

Nach Corona müsse man sich vielmehr fragen: „Können wir überhaupt die Pflichtaufgaben wie den Neubau der Realschule schultern?“ Die SPD-Kandidaten hätten hier viele gute Ideen eingebracht. „Es ist ganz, ganz bitter, im Kreativbereich bremsen zu müssen“, bedauert Holl. Auch hier wenigstens einige Lichtblicke: Rückkehr zum jährlichen Turnus der Literaturtage, die Förderung der Sünde, der Kauf des neuen Festplatzes und Ausbau der JUZ-Außenanlagen mit Skateranlage und Dirtpark.

Skateboard Skate Contest JUZ Jugendzentrum Weiden Skatepark OberpfalzECHO David Trott
Der Skatepark beim JUZ ist ein Riesenerfolg. Nach dessen Vorbild wurde auch ein Dirtpark realisiert. Foto: David Trott

OB Meyer ungeduldig beim Wohnungsbau

Der hehren Vision einer „Stadt des Wohnens und des Lebens“ sind die gestiegenen Zinsen, teuren Kredite und Handwerkerleistungen, sofern überhaupt verfügbar, in die Quere gekommen. „Wir wollten so schnell wie möglich das TB- und SV-Gelände zu Wohngebieten ausbauen“, sagt Richter. „Der OB ist da sehr ungeduldig, alles geht ihm zu langsam.“ Doch gegen die Zurückhaltung der Investoren wegen hoher Baupreise sei kein Kraut gewachsen. „Die Zeit ist für einen Bauboom äußerst schwierig“, sagt der Fraktionschef, „das spüren wir, das trifft uns in einer schwierigen Phase.“

Zumindest die Vorplanung für das SV-Gelände soll aber bis Herbst fertig sein. Es gebe auch viele Anfragen von Bürgern, die bauen wollten: „Aber wir haben kaum was im städtischen Bereich und die Privaten geben nichts her.“ Eine Abwanderung oder gar ein Rückgang der Einwohnerzahl auf unter 40.000, wie einst vom BASIS-Institut prognostiziert, sei aber nicht zu befürchten. „Die haben uns damals auch gesagt, baut Kitaplätze ab – jetzt fehlen 170 Plätze.“

Die Ausweisung eines Wohnbaugebiets auf dem ehemaligen SV-Gelände soll heuer noch über die Bühne gehen. Foto: Stadtplanungsamt

Diskussion um Weiden West IV

Besser sieht die Bilanz im Ressort „Wissen und Wirtschaft“ aus. „Die Digitalisierung der Schulen kommt gut voran“, freut sich Holl. „Da waren wir vor der Wahl noch unzufrieden, jetzt sind wir bei den Grundschulen durch, die Mittelschulen sind in der Umsetzung – das ist ein richtiger Sprung nach vorne.“ Wichtig ist der SPD: „Alle Grundschulen sollen erhalten werden“, sagt der Grundschul-Rektor. „Wir sehen keinen Grund für eine Schließung, wir haben große Schulen und eine gute Verteilung.“

Was der Stadt in puncto wirtschaftliche Entwicklung noch immer weh tut: „Die klare Ablehnung von Weiden West IV.“ Die Verwaltung verweise auf ansiedlungswillige Firmen. Manche sagten auch, der Wind habe sich gedreht, Inflation, Bedeutung des Wirtschaftsstandorts, auch der Raubbau der Staatsforsten am Wald sprächen für einen neuen Anlauf. „Wir haben das lange diskutiert“, sagt Richter, „und sind mehrheitlich der Meinung – es war eine unglückliche Entscheidung, aber wenn der Souverän das so will, akzeptieren wir das.“ Auch, weil hinter vorgehaltener Hand schon damals einige Unternehmer Bedenken wegen der Verschärfung des Wettbewerbs um Fachkräfte geäußert hätten.

Weiden West IV Bebauungsplan
Das Modell des abgelehnten Gewerbegebiets Weiden West IV. Archivbild: Stadt Weiden

Schwerpunkte bis zur nächsten Wahl

Für den Ausblick bis 2026 müssen also noch etliche Ampeln auf Grün springen. Im Fokus des roten Kraftakts stehen dabei vor allem:

  • Die Forcierung der Wohngebiete auf dem SV- und TB-Gelände,
  • Nahwärmenetze und Ausbau der erneuerbaren Energien,
  • eine barrierefreie, attraktive Einkaufsstadt,
  • Lückenschluss bei Kitas und Ganztagsbetreuung
  • Neubau der Albert-Schweitzer-Schule statt Sanierung: „Dem OB schwebt hier eine Einbeziehung in den SV-Bereich vor“, erklärt Richter. „Das Gelände ist riesig, wir können dort den bereits beschlossenen Anbau einer Mensa realisieren, statt im Bestand rumzuflicken. Und den bestehenden Standort nutzen wir für etwas anderes.“

Realschule für Mädchen und Jungs?

Auch bei Planung und Neubau der Realschule würde die SPD gerne einen neuen Weg mit echtem Sparpotenzial einschlagen: „Wir halten es für sinnvoll, ein Gebäude für die zwei Schulen zu bauen und mittelfristig die Koedukation aufzugeben“, sagt Holl. Immer weniger Eltern würden ihre Kinder in eine reine Mädchen- oder Buben-Schule zu schicken. „Die Schule in Neustadt ist bereits voll, jetzt gehen alle sogar von Rothenstadt nach Vohenstrauß.“

CSU und Bayerische Staatsregierung würden einerseits stets an die Stadt appellieren, eisern zu sparen. „Wenn wir dann aber einen Vorschlag machen, zwei Schulen zusammenzulegen, was wirklich eine relevante Einsparung bringen würde, sagen sie, ,um Gottes willen, das können wir nicht machen!’.“

Diskussion um die Koedukation: Die Sophie-Scholl-Realschule in Weiden Foto: Kristine Mann

Widerstand gegen Klinik-Teilprivatisierung

Ein zentrales Anliegen der Weidener SPD ist der Erhalt der Kliniken Nordoberpfalz (KNO) in öffentlicher Hand: „90 Prozent der Krankenhäuser haben inzwischen ein Defizit“, sagt Richter, „wer in der Pandemie nicht gemerkt hat, wie wichtig eine gute Gesundheitsversorgung vor Ort ist, dem ist nicht zu helfen.“ Mit den Reform-Vorschlägen von Gesundheitsminister Karl Lauterbach können die Genossen leben: „Wir wollen ein Krankenhaus Level 2 werden“, die Frage sei aber, „wie schnell kommt das?“ 

Es dürfe jetzt auf keinen Fall zu einem Schwarze-Peter-Spiel zwischen Bund und Land kommen. „Das Wasser steht uns bis zum Hals“, beschreibt Richter die Lage, „Lauterbach und der Freistaat sind aufgefordert, das gemeinsam zu lösen.“ Das scheint jetzt gelungen zu sein. Seit 2019 habe allein Weiden 45 Millionen Euro ausgegeben: „Das waren die gesamten Stabilisierungshilfen.“ Ein erster wichtiger Schritt wäre die Abschaffung der Fallpauschalen: „Das spart Geld.“ Was dagegen gar nicht gehe: die lukrativen Teile aus der AG zu lösen. „Gegen Teilprivatisierungen werden wir uns wehren, bis es nicht mehr geht.“

Das Klinikum Weiden der KNO. Foto: OberpfalzECHO/David Trott

Kontinuität in der SPD-Fraktionsspitze

Gemeinsame Klausur von Oberbürgermeister Jens Meyer und der SPD-Stadtratsfraktion zur Halbzeit der aktuellen Periode im Familienheim Kinderspielplatz Naabwiesen. Ganz oben auf der Tagesordnung: die Neuwahl der Fraktionsspitze. 

Das bestehende Team aus dem Vorsitzenden Roland Richter sowie seinen beiden Stellvertretern Hildegard Ziegler und Matthias Holl, das seit 2008 die Fraktion führt, wurde einstimmig wiedergewählt. „Dieses Vertrauen zeigt, dass die SPD-Fraktion geschlossen für die Interessen Weidens kämpft“, sagt Richter.

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