Wie graue Tücher die Glasindustrie im Taunus begründeten

Plößberg. Geheime Codes und verschlüsselte Rezepte, versteckte Tücher und Durchsuchungen – was sich liest wie ein Kriminalroman, war die Grundlage für die Glasindustrie im Taunus nach dem Zweiten Weltkrieg.

Udo Dönch (rechts) und Benno Krottenthaler bei der Vorbereitung der Sonderausstellung. Foto: Barbara Habel

Udo Dönch, Enkel des Mitbegründers der Hessen-Glaswerke GmbH in Oberursel/Stierstadt hat seine bewegende Familiengeschichte festgehalten. In der ersten Sonderausstellung im Plößberger Glas- und Glasofenbaumuseum zeigt er die hochwertigen Glasprodukte, mit denen sich das Unternehmen weltweit einen Namen gemacht hat.

Nach dem Zweiten Weltkrieg war dieser Erfolg nicht absehbar. Die Glasmacher, die ab 1946 im Taunus eine neue Glasindustrie begründeten, waren Heimatvertriebene. Sie stammten aus dem Gablonzer Bezirk, wo bereits seit dem 16. Jahrhundert Glas hergestellt wurde. Die Sudetendeutschen nahmen Kontakt untereinander auf und konnten in Zusammenarbeit mit den Behörden die Glasfachleute, die über ganz Deutschland verteilt wurden, im Taunus zusammenbringen.

Verschlüsselte Glasrezepte

Otto Fischer, ehemaliger Leiter der drei Glashütten der Firma Carl Riedel und Großvater von Udo Dönch, ist Mitbegründer der Hessen-Glaswerke GmbH in Oberursel/Stierstadt. Jedoch war es ihm bei der Aussiedlung nicht erlaubt, Glasrezepte mitzunehmen. Ohne die bewährten Rezepte war es aber schier unmöglich, eine Glashütte zu betreiben. Hier kamen die geheimen Codes ins Spiel.

Ein Glasmacher bei der Arbeit in der Hessen-Glaswerke GmbH. Foto: Udo Dönch
Ein Glasmacher bei der Arbeit in der Hessen-Glaswerke GmbH. Foto: Udo Dönch
Otto Fischer erhielt 1959 das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse für die großen Verdienste um die Glashütte und die Eingliederung der Sudetendeutschen. Foto: Udo Dönch
Otto Fischer erhielt 1959 das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse für die großen Verdienste um die Glashütte und die Eingliederung der Sudetendeutschen. Foto: Udo Dönch

Gemeinsam mit seiner Tochter Christa verschlüsselte Otto Fischer die Glasrezepte. Diese Codes schrieben sie dann mit einer Schreibmaschine auf Leinentücher, die sie in die Kleider nähten. Diese sogenannten „Grauen Tücher“ überstanden zahlreiche Durchsuchungen und brachten das Wissen ungesehen mit in den Taunus. So produzierte die Hessen-Glaswerke GmbH von 1947 bis 1990 Glas nach böhmischer Tradition. Rund 60 verschiedene Hohlglasfarben fertigten die Glasmacher der Hessen-Glaswerke GmbH in höchster Qualität.

Die bauchige, elegante Form dieser Vase ist nach einem Entwurf von Prof. Aloys F. Gangkofner aus pfirsichfarbenem Glas gestaltet. Eine kleine UV-Lampe enthüllt ihre Besonderheit: das Glas leuchtet förmlich auf und erscheint plötzlich grünlich-gelb. Verantwortlich dafür ist Uranoxid, welches bei der Herstellung des Uran-Glases zum Einsatz kommt. Im Foto ist der Verlauf gut zu erkennen. Foto: Barbara Habel

Bei der Produktion von kombiniertem Stangenglas waren sie europaweit führend. Die Sonderausstellung im Plößberger Museum zeigt einen Querschnitt durch das umfangreiche Schaffenswerk der Hessen-Glaswerke GmbH. Dazu zählen beispielsweise die zeitlosen Formen des namhaften Glasdesigners Prof. Aloys F. Gangkofner. Sehenswert sind auch die Gläser, die aus Seltenen Erden geschmolzen sind und je nach Lichteinfall ihre Farbe verändern. Hochwertige Bleikristallgläser, Flakons und Schalen veranschaulichen das handwerkliche Geschick der Glasschleifer und die Farbenvielfalt.

Plößberger Ofenbauer waren gefragt

Aber warum zeigt das Plößberger Museum Glas aus dem Taunus? Der erste Glasofen, der 1947 dort gebaut wurde, erwies sich als wenig tauglich. Schnell kam der Kontakt zur Firma Horn über Helmut Horn sen. zustande. Bis Ende der 1970er Jahre bauten und reparierten die Plößberger Ofenbauer die Glasöfen im Taunus. Außerdem arbeitete der Plößberger Ofenmaurer Karl Rath ab 1953 bis zu seinem Renteneintritt als Ofenbaupolier bei den Hessen-Glaswerken.

Aber auch eine persönliche Freundschaft verbindet die beiden Orte. Museumsbetreuer Benno Krottenthaler und Udo Dönch haben gemeinsam an der Glasfachschule in Zwiesel ihr Studium zum Dipl.-Ing. (FH)-Werkstofftechnik Glas erfolgreich absolviert. Seither treffen sie sich regelmäßig und so auch bei der Sonderausstellung über die Hessen-Glaswerke GmbH im Glasmuseum Frauenau 2022. Benno Krottenthaler war sofort klar, dass diese Ausstellung auch in Plößberg zu sehen sein sollte.

„Hessen-Glaswerke – Böhmisches Glas im Taunus“

Die Sonderausstellung ist von 16. März bis 16. Juni in der Abteilung Glas- und Glasofenbau in den Museen im Rathaus in Plößberg zu sehen.

Öffnungstage sind:

  • 16./17. März
  • 23./24. März
  • 6./7. April
  • 20./21. April
  • 4./5. Mai
  • 8./19. Mai
  • 1./2. Juni
  • 15./16. Juni (jeweils von 14 bis 17 Uhr)

Der Eintritt ist frei.

Nach Anmeldung ist ein Besuch auch außerhalb der Öffnungszeiten möglich unter der Telefonnummer 09636 / 921145 (Tourist-Info), 09636/91228 (Manfred Kopp) oder 09636/528 (Benno Krottenthaler).

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