Der Wolf in der Nordoberpfalz: Gefahr oder Panikmache?

Weiden. In Bayern gibt es bisher nur eine Handvoll Wölfe. Trotzdem schlagen Jäger und Nutztierhalter Alarm. Die Naturschützer plädieren dagegen für mehr Verständnis für Isegrimm.

Von Udo Fürst

Wolf Symbol
Wölfe gibt es in Deutschland seit knapp 20 Jahren.

Kaum ein anderes Tier in Deutschland ist so umstritten wie der Wolf. Bei diesem Thema stehen sich zumindest zwei Seiten scheinbar unversöhnlich gegenüber: Naturschützer auf der einen, Jäger und Nutztierhalter auf der anderen Seite. Im vergangenen Jahr haben sich die Wölfe in Deutschland weiter vermehrt. 60 Rudel sind nachgewiesen, 13 mehr als 2016. Das geht aus Daten des Bundesamts für Naturschutz (BfN) und der Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Wolf (DBBW) hervor. Insgesamt gehe man von 150 bis 160 erwachsenen Wölfen aus. Den Angaben zufolge stieg zwar die Zahl der Rudel deutlich. Allerdings verringerte sich die Menge der Wolfspaare von 21 auf 13. Auch die Zahl der sesshaften Einzelwölfe sank von vier auf drei. Aus diesem Grund wuchs die Zahl der erwachsenen Wölfe nur um etwa zehn bis 20 Tiere.

Wolf tappt in Fotofalle

Das Verbreitungsgebiet der Wölfe umfasst sieben Bundesländer. Die meisten Wölfe gibt es in Brandenburg und Sachsen während in Bayern nur zwei Paare registriert sind. Allerdings wurde Anfang dieser Woche ein weiterer Wolf im Landkreis Neustadt gesichtet. Er war in eine Fotofalle getappt. Die je zwei Wölfe im Bayerischen Wald und auf dem Truppenübungsplatz Grafenwöhr sorgen für große Unruhe bei einigen Landwirten und Nutztierhaltern. Sie befürchten Verluste bei ihren Tieren und hohe Kosten für Schutzmaßnahmen wie Hütehunde und Zäune.

Wie groß das Interesse am Wolf ist und wie unversöhnlich manche Wolfsgegner sind, wurde beim Vortrag von Dr. Peter Blanché, dem Vorsitzenden der Gesellschaft zum Schutz der Wölfe in Deutschland, in der vergangenen Woche in der Gaststätte Postkeller deutlich. Der Fachmann sprach auf Einladung der Kreisgruppe Weiden-Neustadt des Landesbunds für Vogelschutz (LBV) zum Thema „Die Rückkehr des Wolfs nach Bayern“. Trotz des Appells des LBV-Bezirksgeschäftsführers Christoph Bauer, bei diesem die Menschen bewegenden Thema ins Gespräch zu kommen und sachlich zu diskutieren, lieferten sich nach dem gut einstündigen Vortrag Naturschützer und Wolfsgegner erregte Wortgefechte.

Wolf Vortrag Landesbund für Vogelschutz Bayern LBV
LBV-Bezirksgeschäftsführer Christoph Bauer, die Weidener LBV-Beauftragte Dr. Nicole Merbald und Referent Dr. Peter Blanché (v. li.) nach dem Vortrag  im Weidener Postkeller Foto: Fürst

„Totalabschuss“

Besonders Johann-Georg Glossner aus Neumarkt erwies sich als erbitterter Gegner des Wolfs und warf dem Referenten vor, Ammenmärchen zu erzählen. Während viele Jäger und Nutztierhalter unter den deutlich mehr als 100 Besuchern die emotionalen Vorwürfe des Schafzüchters beklatschten, erntete er von anderen Gästen Pfiffe und Buhrufe. „Der Wolf hat auch schon Rinder und Pferde gerissen. Er muss zurückgedrängt und auf eine erträgliche Zahl reduziert werden“, sagte Glossner und prophezeite einen „Totalabschuss“ in zehn Jahren, wenn man nichts gegen die Ausbreitung des Wolfs unternehme.

Erika Sauer, Züchterin von Rotem Höhenvieh und Vorsitzende des Fleischrinderverbands Bayern sieht mit dem Wolf erhebliche Probleme auf die Nutztierhalter zukommen. Die Maßnahmen, die das Landesamt für Umwelt vorschlage, seien veraltet. „Damals gab es gerade mal ein paar durchziehende Wölfe. Ein neuer Plan ist längst überfällig.“ Sie warf dem Landesbund für Vogelschutz vor, einseitig zugunsten des Wolfs zu argumentieren und die Interessen der Nutztierhalter außer Acht zu lassen. Wirksame Zäune und die Anschaffung von Hütehunden seien für die vielen kleinen Züchter nicht leistbar. „Die hören lieber auf“, sagte Sauer und forderte, Wölfe notfalls zu „entfernen“, also zu schießen. Landwirt Herbert Zehner aus Grafenwöhr berichtete, dass seine Rinder aggressiver geworden seien, seit sie die Wölfe auf dem Truppenübungsplatz gewittert hätten.

Eher vom Blitz getroffen, als vom Wolf gefressen

Klare Position für die Ansiedlung der Wölfe und ein Plädoyer für eine naturnahe Landwirtschaft und Viehhaltung bezog Sonja Schuhmacher.

Wollen wir denn alles ausrotten und abschießen in Deutschland?,

fragte die engagierte Umweltaktivistin. Blanché widersprach den Aussagen von Schafzüchter Glossner und sah darin auch viel Panikmache. „Auf welche Quellen beziehen sie sich? Der Wolf ist nicht gefährlich und meidet normalerweise die Gesellschaft des Menschen.“ Die Wahrscheinlichkeit eines Wolfsangriffs auf einen Menschen sei geringer, als vom Blitz getroffen zu werden. Der Referent äußerte auch Verständnis für die Belange der Tierhalter und schlug geeignete Schutzmaßnahmen vor.

Für das Zusammenleben von Mensch und Wolf bleibe die Anwendung eines flächendeckenden und fachgerechten Herdenschutzes in Wolfsgebieten unerlässlich. „Auch im Jahr 17 der Wolfsrückkehr fehlt in Deutschland ein nationales Herdenschutzzentrum“, bedauerte der Redner.

Kein Wolfsangriff

In Bayern sei bisher noch kein Nutztier vom Wolf gerissen worden. „Das Tier ernährt sich zu 95 Prozent von Rehen und Rotwild. Der Anteil von Haustieren liegt bei einem Prozent“, sagte Blanché. Deshalb könne er die Angst vor dem Wolf nicht nachvollziehen. Wenn die Tiere nicht krank seien und der Mensch sie nicht füttere, könne nichts passieren. „Es gab in Deutschland in den letzten 20 Jahren keinen Wolfsangriff auf Menschen und nur wenige Fälle, wo große Nutztiere zu Schaden gekommen seien. „Wir wollen das Zusammenleben von Mensch und Tier so gut wie möglich fördern. “Seit sich die Wölfe hier aufhalten, ist noch kein gesicherter Fall bekannt geworden, wo ein Nutztier oder gar ein Mensch angegriffen wurden. Sollte dennoch ein Tier zu Schaden kommen, zahlt der Staat Entschädigungen: 120 Euro für ein Lamm, bis zu 250 Euro für ein Schaf”, so Blanché.

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