AfD schießt sich auf Söder und Aiwanger ein: „Markus‘ buckliger Diener“

Weiden. Zwei Welten stehen sich gegenüber. Etwas abgedrängt neben dem Alten Rathaus das Bündnis für Toleranz mit Plakaten, Trillerpfeifen und lauter Musik. Auf der freien Fläche das Podium der AfD vor rund 150 Zuhörern. Und dazwischen NPD-Vize Patrick Schröder mit seinem Kameramann.

Manfred Schiller, Oberpfälzer Spitzenkandidat für den Bezirkstag, macht den Auftakt. Foto: Jürgen Herda

Um 17 Uhr ist noch nicht allzu viel los vor dem Weidener Rathaus. Das Podium steht, vor dem AfD-Stand vor allem Parteifunktionäre. AfD-Landtagsabgeordneter Stefan Löw schwört das Organisationsteam wie eine Fußballmannschaft vor dem Anpfiff ein. Der Ex-Polizist muss dabei Jennifer Rostocks Protestsong überbrüllen, der jetzt weiter hinten bei der Gegenveranstaltung des Oberpfälzer Bündnisses für Toleranz und Menschenrechte aus den Lautsprechern tönt: 

„Bist du alleinerziehend und willst nicht, dass der Staat dich unterstützt?
Dann wähl die AfD, wähl die AfD!
Willst du ‘ne Steuerpolitik, die nur dem Großverdiener nützt?
Dann wähl die AfD, wähl die AfD!“

Unter den Gegendemonstranten ist auch Grünen-Stadtrat Ali Zant. Dass sich der Zulauf bisher in Grenzen hält, verwundert den Bezirkstags Kandidaten nicht besonders: „Im Endeffekt ist das eine Kleinstpartei.“ Wirklich? „Ja, nicht von den Umfrageergebnissen, aber von der Parteistruktur.“

Während Dutzende Weidener im bis auf den letzten Freisitz belegten Piccola Venezia ihren Feierabend-Eiscafé, Aperol Spritz oder Hugo unter den Sonnenschirmen schlürfen und das Schauspiel gelassen beobachten, füllt sich der Platz allmählich mit vielleicht 100 bis 150 AfD-Anhängern oder Neugierigen.

„Willst du ‘ne Partei, die ihre Wähler manipuliert?
Dann wähl die AfD, wähl die AfD
Die deren Ängste instrumentalisiert
Dann wähl die AfD, wähl die AfD!“

Auf der Seite der Gegendemonstranten mahnt Veranstaltungsleiter Thomas Wipper: „Lasst euch nicht provozieren.“ Nicht, dass sich die statischen AfD-Anhänger um sie groß kümmern würden. Der Einzige, der versucht, in Interaktion mit den Demonstranten zu treten, ist Agent provocateur Patrick Schröder mit seinem Kameramann. Der stellvertretende NPD-Landesvorsitzende schickt bekanntlich junge Kameraden inzwischen lieber zur AfD, weil sie die eigentlich relevante rechte Partei sei.

„Aber nur die dümmsten Kälber,
wählen ihren Metzger selber!“

Die Bündnis-Vertreter wollen den, seit seinem Ausflug zur European Fight Night in Budapest, noch drahtigeren Manteler im knappen, durchsichtigen Shirt – Achtung, Regenbogen-Fahnen-Alarm – weder passieren lassen, noch mit ihm reden: „Wir sprechen nicht mit Nazis“, skandieren einige und halten ihre Schilder in Kopfhöhe wie eine Plakat-Barrikade gegen den Ein-Mann-Sturmtrupp. Für Schröders rechten YouTube-Kanal das willkommene Stichwort, um die „Toleranz“ des Bündnisses aufs Korn zu nehmen.

Agent provocateur Patrick Schröder filmt die Gegendemonstranten für seinen YouTube-Kanal. Foto: Jürgen Herda

Schiller: „Es regiert der Dilettantismus“

Jetzt betritt der erste AfD-Redner das Podium: „Ich hoffe, dass ich lauter bin“, sagt Manfred Schiller, zuletzt Kandidat für den Bundestag, jetzt für den Bezirkstag, ins Mikrofon. Der vierfache Familienvater und sechsfache Großvater hat sich nach 2015 aus „Frust über die Asylpolitik“ dem Kreisverband angeschlossen: „Es regiert der Dilettantismus“, sagt der 61-Jährige. Dass das Ende der Aufnahmekapazität erreicht sei, „merken langsam auch die begriffsstutzigen Kommunalpolitiker“.

Besonders aber ärgert den Inhaber eines Radio- und Fernsehfachgeschäfts die Umsetzung der Energiewende: „Abschalten, ohne einzuschalten“, sagt der Elektroniker mit Blick auf das Aus der deutschen Atomindustrie, gehe gar nicht. Statt wie von der AfD vorgeschlagen, acht AKW wieder in Betrieb zu nehmen, „wird wie im Sozialismus mit Preisdeckeln reagiert, die der Bürger zahlt – es muss ein Ende sein mit Boykotten, die Deutschland in den Ruin treiben.“

AfD-Landtagsabgeordneter Roland Magerl: Zu groß für sein Mikro. Foto: Jürgen Herda

Magerl: „Der CSU in den Arsch treten“

Den nächsten Part übernimmt Landtagsabgeordneter Roland Magerl. Der Weidener AfD-Koloss kämpft zu Beginn mit der Höhe seines Mikrofons: „Meine Mama hat mich ein bisschen zu gut rausgefüttert“, sagt der 50-Jährige und freut sich über die Resonanz auf dem Platz: „Verglichen mit 2018 merkt man, dass sich was verändert hat.“ Der Vater zweier erwachsener Töchter und „eines kleinen Sohnemanns“ will, „dass der so aufwachsen kann wie wir.“ Als Mitglied des Gesundheitsausschusses beklagt Magerl, dass „das Gesundheitssystem inzwischen am Krückstock“ daherkomme.

„Es war vergangenen Winter nicht einmal mehr möglich, Paracetamol zu bekommen.“ Er beklagt „ewige Wartezeiten bei Fachärzten“ und dass „die meistens älteren Kranken mit einem Minimum an Rente“ die Leidtragenden seien. „Wir müssen auf die Barrikaden“, fordert er, „auf der Zielgeraden des Landtagswahlkampfs“. Der „Maskenskandal der Amigos während der Pandemie, oder Plandemie, gehört sich abgestraft“. Der Wähler müsse „der CSU in den Arsch treten“.

Laute AfD-Rechte Kathrin Ebner-Steiner. Foto: Jürgen Herda

Ebner-Steiner: „Mit der Gosch’n festkleben“

Auf alle Fälle lauter als die Gegendemonstranten ist der Auftritt der selbst in der AfD umstrittenen Kathrin Ebner-Steiner. Die Begrüßung der 45-jährigen niederbayerischen Bezirksvorsitzenden klingt wie das Warming-up beim Musikantenstadl. „Die Oberpfalz ist unsere Herzkammer, ihr seid der Motor, aber kein seelenloser Elektromotor, sondern einer mit einem kernigen Sound.“ Die ehemalige AfD-Fraktionsvorsitzende im Bayerischen Landtag umgarnt die „normal denkenden Leute“.

„Bis auf die linken Spinner da hinten“, für die sie auch eine Empfehlung hat: „Wenn ihr euch schon festkleben müsst, dann mit der Gosch’n“, bringt sie den Lautsprecher zum Überschlag. Auch wenn dort gar niemand Kleber dabeihat. Kein mutmaßlich volksnahes Klischee lässt sie aus: Auch mit der Parole „Schweinshaxe statt lappiger Ravioli“ weiß sie zu gefallen. Weitere volkstümliche Schlager: Schrumpfende Wirtschaft, sinkende Reallöhne und vor allem „Asylforderer, die zum Kassieren kommen“.

AfD-Publikum und Frau mit Zigarre. Foto: Jürgen Herda

Ebner-Steiner: „Wenn wir regieren …“

„Diese größten Raubritter“ seien auch ansonsten an allem Unheil schuld: Etwa daran, dass das Leistungsniveau in den Schulen sinke. Diese Thesen trägt die ehemalige Bilanzbuchhalterin in der Rechtsanwaltskanzlei ihres Mannes wie beim Kasperltheater vor: „Ist jemand mit dem Zug da? – da müsst ihr aufpassen!“ Im ersten Halbjahr sei die Kriminalität an Bahnhöfen stark gestiegen. „Und was ist die Mehrheit der Diebe dort? – die Mehrheit sind Ausländer!“ Und damit sich auch alle Kinder merken können, worauf der Kasperl mit seiner Klatsche eindreschen muss: „Was sind sie? – Ausländer!“

Mit diesem Trick dekliniert die laute Frau, die schon mal bei einer hitzigen Diskussion mit ihrem Fraktionskollegen Ulrich Singer eine Plexiglasscheibe zerstörte, alle Delikte durch. „Und wer sind die Opfer? – Es sind Deutsche!“ Aber keine Sorge, die Bayerwaldlerin verspricht Abhilfe: Im Gegensatz zu CSU und Freien Wählern sei nur die AfD eine echte Alternative. „Eines nicht zu fernen Tages werden wir regieren“, sagt sie, dann würde man alle vollständig zur Verantwortung ziehen für Massenvergewaltigungen und das Land wieder stark und sicher machen. „Spürt ihr die frische Brise, auf eurer Haut?“, will Ebner-Steiner wissen. „Ich liebe euch!“ Wow, das hat zuletzt Stasi-Chef Mielke zu seinen Zuhörern gesagt.

Stargast der AfD: Der ehemalige FPÖ- und BZÖ-Politiker Gerald Grosz. Foto: Jürgen Herda

Gerald Grosz: Wortgewaltiger „Schluchtenscheißer“

Den größten Knaller hebt sich die AfD bis zum Schluss auf. Im Vergleich zu dem kleinen, dunkel gekleideten Österreicher, der jetzt ans Rednerpult tritt, waren die Vorreden höchstens ein laues Lüftchen. Wer aber Sturm ernten will, braucht ein rhetorisches Kaliber wie den ehemaligen FPÖ- und BZÖ-Politiker Gerald Grosz, der im März die österreichischen Sozialdemokraten kapern wollte. Die wollten den ehemaligen Haider-Jünger, erfolgreichen Buch-Autor und YouTuber aber lieber nicht: „Das Beitrittsansuchen des Rechtspopulisten Gerald Grosz wird natürlich abgewiesen“, heißt es in einer Stellungnahme der SPÖ. „Grosz repräsentiert das Gegenteil der Grundsätze der Sozialdemokratie.“

Der Stargast liefert ganz im Sinne der AfD ab: Mit einer wohlkalkulierten Kanonade an Beschimpfungen, die an einen rechtspopulistischen Qualtinger denken lassen. „Ich bin Staatsfeind Nummer 1 von Markus Söder“, feiert sich der Grazer, weil der bayerische Ministerpräsident ihn, den „Schluchtenscheißer“, wegen Beleidigung bei seiner Aschermittwoch-Rede, vor ein bayerisches Gericht zerren wolle. „Ich dachte schon an der Grenze, sie bringen mich nach Landsberg in Ketten“, macht er eine Parallele zur Festungshaft Hitlers auf, um sich über die Höhe des Strafbefehls lustig zu machen: „Wenn der glaubt, ich lasse mir von der Staatsanwaltschaft Deggendorf wegen 36.000 Euro den Mund verbieten …“

Grünen-Stadtrat und Bezirkstagskandidat Ali Zant protestiert zusammen mit dem Oberpfälzer Bündnis für Toleranz und Menschenrechte gegen die AfD-Veranstaltung. Foto: Jürgen Herda

Grosz: „Euer wahrer Feind sitzt in der Staatskanzlei“

Söder habe den Zensurparagraphen wieder eingeführt, behauptet der Steiermärker mit bayerischen Wurzeln in Franken und Oberbayern. „Franz Josef Strauß bezog seine Autorität aus seiner Intelligenz, im Unterschied zu diesem fränkischen Weißwurstbarönchen.“ Söder sei geistig nackt und rhetorisch blank. „Was hätte Strauß wohl gesagt zu der Vorband da hinten?“, zeigt er auf die Gegendemonstranten, die hin und wieder „Nazis raus“ skandieren. „Ihr Dödeln, ihr Deppen …“ – Kunstpause: „Ich zitiere nur“, grüßt er seinen Anwalt, der fleißig mitschreibe. „Der macht ein gutes Geschäft mit mir, Karlsruhe würde ich auch mal gerne kennenlernen.“

Und weil wieder ein „Nazis raus“ zu hören ist, nimmt Grosz die Vorlage gerne auf: „Ich kann noch immer lauter als ihr, Kinder“ – verblüffte Stille. „Schau“, freut er sich diebisch, „hama gut aufgepasst, ich bin ein Dompteur, und das ist mein Flohzirkus, den nehme ich überall hin mit.“ Kindisch, skurril und lächerlich sei eine bayerische Staatsregierung, die die kritische Meinung von Bürgern verbieten wolle und Grund- und Freiheitsrechte geschändet habe. „Wegen eines kleinen Fledermaus-Virus euch wie im Kriegsrecht einzusperren wie Natascha Kampus“, greift er ins unterste Kellerfach. „Euer wahrer Feind sitzt in der Staatskanzlei.“

Die Polizei muss nicht eingreifen: Patrick Schröder und sein Kameramann drehen für ihre Klientel. Foto: Jürgen Herda

Aiwanger als Söders buckliger Diener

Aber nicht alleine. Nicht dass etwa jemand auf die Idee käme, Hubert Aiwanger als Alternative in Erwägung zu ziehen. „Am Kabinettstisch sitzen Mitwisser.“ Ob jeder die „Rocky Horror Picture“-Show kenne? „Riff Raff, sein kleiner buckliger Diener, das ist der Aiwanger.“ Er glaube ihm sofort, dass er das Flugblatt nicht geschrieben hat: „Der hat eine Lese- und Schreibschwäche, wie soll er da ein Flugblatt entwerfen?“

Grosz sei freilich nicht da, um Applaus zu haschen, den er reichlich einstreicht. Er habe ein ambivalentes Verhältnis zu den „Piefkes“: „Wir blicken manchmal mit Stolz, in letzter Zeit mit Sorge nach Deutschland – wenn ihr stark seid, sind auch wir stark.“ Er fürchte sich vor der Politik der gesellschaftlichen Polarisierung (!). Wie ein Wanderprediger ziehe er deshalb mit Ebner-Steiner durch Bayern, „weil wir diese Zustände, diese Einzelfälle, diesen Jack Sparrow für Arme nicht haben wollen, wandere ich durch dieses Land mit Kathrin und predige, dass ihr der AfD eine starke Stimme gebt.“

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