Bockboanig [ˈbɔkbaɪ̯nɪç]: Sacklzement, glei is wieder Weihnachten…

Nordoberpfalz. Diesmal führt mich meine kleine thematische Reise selbstverständlich ins Weihnachtswunderland. Und meine Gefühle hierzu sind äußerst gemischt.

Mag ichs oder mag ichs nicht? Ich kann mich nicht so recht entscheiden. Foto: Ann-Marie Zell

Herzlich willkommen zu meinem ganz persönlichen Weihnachtsblues. Mein Verhältnis zu Weihnachten ist – gelinde ausgedrückt – etwas ambivalent. Ich bin zwar durchaus in der Lage, mich in besinnliche Stimmung zu versetzen, aber irgendwie macht einem hier immer der Unbill des Alltags einen Strich durch die Rechnung. Jetzt ist es für heuer sowieso mal wieder zu spät. Trotzdem möchte ich mich auf eine kleine Reise zum Thema Weihnachten begeben.

Schöne Weihnachten sind heuer 120,3

Die Ämter und Behörden haben jetzt noch schnell die ganze unangenehme Post rausgehauen und verkünden dann, dass man den Weihnachtsfrieden einhalten und von unangenehmen Maßnahmen Abstand nehmen werde. Hauptsächlich, weil bis Heiligdreikönig sowieso alle im Urlaub sind.

Doch wann sind es eigentlich schöne, gelungene Weihnachten? Wenn uns die Familie, die allgemeine Ruhe oder Bud Spencer auf Kabel Eins in einen Zustand der Glückseligkeit versetzen? Süß, die These, aber falsch, denn natürlich müssen Zahlen her – der Stock im Hintern des Deutschen ist schließlich ein genormter Zollstock.

Alle Jahre wieder verkündet der Handelsverband Deutschland vorwurfsvoll, dass zu wenig konsumiert wird, es geht schließlich um Arbeitsplätze. Es ist doch so simpel, die Qualität von Weihnachten zu bewerten – in diesem Jahr ist Weihnachten 120,3. Das ist der prognostizierte Umsatz in Milliarde Euro für den Einzelhandel in den Monaten November und Dezember. Ich verkünde also die frohe Botschaft: Weihnachten 2022 ist um etwa fünf Prozent schöner als im Vorjahr, das Fest dank 120,3 gerettet! Diese These ist krude? Wieso, dem IFO-Institut glauben wir doch auch…

Da klebt dir alles zam

Da jammern wir über die Protzmeisterschaften in Katar und bei uns wird es Jahr für Jahr greller, teurer, fetter – Mehr Santa, mehr Konsum und vor allem noch mehr liebliche Antlitze, die ja durch den Fall der Maskenpflicht wieder in ihrer ganzen Menschenfreundlichkeit zu genießen sind. Das Gebäck darf gerne pappig-süß sein, aber nicht die auf allen Kanälen bespielte Weihnachtstimmung.

Weihnachten ist doch vor allem ein Gefühl aus Kindertagen. Und wie bei so vielen Kindheitserinnerungen sind diese durch die Welt der Erwachsenen, in der wir uns zwangsläufig bewegen müssen, Jahr für Jahr mehr verloren gegangen. Leider ist das nicht nur mit Weihnachten so. Aber vielleicht sollten wir dieses Gefühl trotzdem zumindest für ein paar Tage hervorkramen.

Im Woid is so staad…

In unserer rundum optimierten Welt gibt es doch bestimmt den ultimativen Weihnachts-Blechdeppen beziehungsweise selbstverständlich eine tolle “X-mas-App”. Neben stylischen Rezepten für Spitzbub/-mädel /-X und vielem mehr findet man dort zahlreiche weiter anregende Features, die das Fest so wunderbar romantisch machen.

Vergesst also “Nuss- und Mandelkern”, es lebe der Almond-Nut-Smoothie, caramelflavored und garantiert laktosefrei, Rezept gibts in der App. Und wer dann dort auch noch eine detaillierte Beschreibung seiner Liebespraktiken hinterlässt, die der Anbieter dann für teures Geld verscherbeln kann, bekommt noch zehn Paybackpunkte geschenkt. So schön kann also Weihnachten sein. Ho-Ho-Ho…

Granteln am Weihnachtsmarkt

Und da stehe ich nun auf dem Weihnachtsmarkt in Weiden und denke an meine kalten Hände. Es schneit, das Alte Rathaus ist wunderbar illuminiert und es riecht sogar herrlich nach Weihnachtsmarkt. Und trotzdem bin ich zwider. Und wenn dann die Laune so richtig schön im Keller ist, kreuzen meinen Weg zwei dick eingemummte Kinder, die ausgelassen und auf uns Erwachsene pfeifend Schneeflocken fangen. Die Hände bleiben zwar kalt, aber das Herz erwärmt sich wieder. Ist es Zufall, oder naives Geschwätz oder ein winziges Weihnachtswunder? Warum eigentlich nicht, haben wir doch heuer mal Mut zu Weihnachten.

Irgendwann fragst die wieso…

Weihnachten ist ja auch eine Zeit der Besinnung, des Innehaltens und des Hinterfragens. Genau in dieser Phase ist mir wieder ein absoluter Ohrwurm durch den Gehörgang gekraxelt. Der hat zwar so gar nichts mit Weihnachten zu tun, ist aber einfach gut. Oder etwa doch?

…quäl i mi da so schrecklich oh und bin net längst waas Gott wo…

Von Steinbäcker zu Steingarten

Zurück zu meinem Weihnachtsblues. Lasst die Santas die Häuserwänder erklimmen und die Fassaden erstrahlen, Strom kostet ja augenblicklich so gut wie nix. Selbstverständlich muss es auch eine echte Nordmanntanne sein, schon alleine wegen der Nachbarn. Bio, öko, handgestreichelt und aus freilaufender Bodenhaltung – bitte sehr gerne, aber muss das denn unbedingt mehr kosten? Dann doch lieber einen Krüppel aus dem Baumarkt, eventuelle Unwuchten keck durch geschicktes Platzieren in der Wohnzimmerecke kaschiert.

Und schon ist der Deutsche Michel nebst Gattin in seinem Element. Warum soll man denn da auch mehr bezahlen und stimmt übergangslos ins Wehklagen ein, welche Pein der leistungsstarke Bürger doch zu ertragen hat. Das beginnt beim Preis der Premiummodelle der deutschen Autobauer, der eingeschränkten Möglichkeiten der dritten jährlichen Flugreise, die (German) Angst vor allem und dass im Supermarkt die zweite Kasse immer erst aufmacht, wenn man in der ersten, der langsameren eingeklemmt ist.

Ein Moment der Selbsterkenntnis

Wisst ihr was – das sollen sie halt einfach machen, wenn sie sich so am wohlsten fühlen. Auch das gehört schließlich zu Weihnachten: den Nächsten einfach auch mal in Ruhe lassen. Wahrscheinlich sollten wir alle einen Tick gelassener, einen Tick toleranter und einen Tick liebevoller zueinander sein. Wer das Glück hat Kinder zu haben, darf jetzt wieder wunderbare Weihnachtserinnerungen in Kinderherzen pflanzen und die anderen sollen eben das ihnen mögliche dazu beitragen, sich und anderen etwas Gutes zu tun.

Heuer ist es zu spät, aber nächstes Jahr werde ich Weihnachten bestimmt ganz anders begehen. Übrigens – was machen wir denn an Silvester?

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