Der Wolf im Hessenreuther Wald: Normalität oder Bedrohung?

Erbendorf/Pressath. Die Ausbreitung des Wolfs erhitzt die Gemüter – vor allem bei der Landbevölkerung. Seit einigen Monaten hat sich nun auch ein Rudel im Hessenreuther Wald angesiedelt.

Ist im Hessenreuther Wald ein Wolfsrudel sesshaft geworden? Foto: Wolfcenter

Laut Landesamt für Umwelt (LfU) ist nachgewiesen, dass im Hessenreuther und Pressather Wald (Das Gebiet gilt als „zusammenhängende Landschaftseinheit“) seit vergangenem Jahr standorttreue Wölfe leben, die im vergangenen Frühjahr auch Nachwuchs zur Welt gebracht haben.

Das LfU listet auf Anfrage von OberpfalzECHO diese Nachweise auf:

  • Erster Reproduktionsnachweis durch Fotofallen-Aufnahme eines Welpen am 27. Juli 2023
  • Fotofallen-Aufnahme von vier Welpen am 5. August 2023
  • Regelmäßige Bildnachweise der Elterntiere und Welpen von August bis Ende November 2023

Nutztierhalter alarmiert

Pressather und Hessenreuther Wald sind damit nach dem Truppenübungsplatz Grafenwöhr, dem Manteler Forst und dem Veldensteiner Forst das vierte Gebiet in der Region mit Wolfsrudeln. Das alarmiert die Nutztierhalter und Jagdpächter zwischen Kastl und Pressath. Rainer Bayer ist als Revierpächter zuständig für das Revier Guttenberg, das an den Hessenreuther Wald angrenzt. Auf den Weiden dort grasen Schafe und Jungrinder. Bayer sieht für die Tiere Gefahrenpotential. Denn einen speziellen Wolfszaun – ein Elektrozaun, der speziell an das Verhalten der Raubtiere angepasst ist – hätten die wenigsten Tierhalter. Der war bisher auch nicht nötig. 

Der Jäger berichtet von einigen Tierhaltern, die klipp und klar den – streng verbotenen – Abschuss der Wölfe forderten. Bayer: „Wir sind sehr dicht besiedelt und haben auch ein enormes Verkehrsaufkommen. Deshalb hat der Wolf hier keinen Raum.“ Die Ansiedelung der Tiere sei zwar unumkehrbar, aber eine gezielte Entnahme (Abschuss) zum Beispiel von Jungwölfen müsse möglich sein. „Der Wolf ist ein kluges Tier und wüsste dann schnell, dass der Mensch eine Gefahr für ihn ist und er Abstand zu Dörfern und Gehöften halten muss.“

Bei Jägern und Nutztierhaltern ein großes Thema: der Wolf. Foto: Georg Pauluhn – piclease

„Der Wolf jagt mit“

Philipp Bahnmüller, der Revierleiter der Bayerischen Staatsforsten, denen das 4000 Hektar große Waldgebiet zum Großteil gehört, sagt. „Der Wolf ist für uns ein alter Bekannter. Wir haben auch ein Rudel im Manteler Wald und vereinzelte Tiere bei Kohlberg und Schnaittenbach.“ Der Beutegreifer habe keinerlei Auswirkung auf den Wald selbst. Bei der Jagd bringe er schon eher Unruhe ins System. „Die Tiere werden scheuer und sind deshalb schwieriger zu bejagen. Der Wolf jagt halt mit.“ Bahnmüller rät zu etwas mehr Gelassenheit. „Der Wolf ist da, man muss mit ihm umgehen.“

Im Hessenreuther und Pressather Wald zwischen Erbendorf und Pressath hat sich ein Wolfsrudel angesiedelt. Grafik: LfU

„Normalität im Umgang mit Wölfen“

Bei den Jägern sind die Wölfe ein großes Thema. „Das spüren wir zum Beispiel auf Jagdmessen“, sagt eine Sprecherin des bayerischen Jagdverbands (BJV). „Wenn wir dort ein Angebot zum Thema Wolf machen, stößt es sofort auf ein Rieseninteresse.“ Das sei der Grund, warum der BJV ein eigenes Monitoring von Wolfsrissen und Verdachtsfällen anbietet, separat vom Monitoring des LfU. „Wir wollen Normalität im Umgang mit dem Wolf“, sagt der BJV-Präsident und frühere CSU-Landtagsabgeordnete Ernst Weidenbusch. „Dazu gehört ein professionelles Monitoring ebenso wie Klarheit über mögliche Wolfsrisse.“ Jeder Jäger solle in der Lage sein, einen Riss objektiv zu beurteilen.

Monitoring des Jagdverbands

Für das neue Monitoring hat der BJV eine Kooperation mit dem niedersächsischen Wolfsberater Michael Ohlhoff gestartet. In Niedersachsen lebten 2022/2023 nach Angaben des Bundesamts für Naturschutz allerdings auch 39 Wolfsrudel. Im sehr viel größeren Bayern sind laut LfU aktuell lediglich acht Rudel dokumentiert. Beim BJV-Monitoring können Jäger oder Revierinhaber, Landwirte und andere Nutztierhalter beim Verdacht, dass in ihrer Region ein Wolf ein Wild- oder ein Nutztier getötet hat, Fotos von den Rissen und Kadavern an die Mailadresse wolfsriss@jagd-bayern.de schicken.

Emotionale Debatte

Am bayerischen LfU dürfte man nicht sehr glücklich sein über das Angebot des Jagdverbands. Denn dadurch sind weitere Verwirrungen in der ohnehin schon sehr emotionalen Debatte über die Wölfe in Bayern zu befürchten. Laut Landesamt müssen Wolfsnachweise deutschlandweit nach einheitlichen Monitoringstandards bewertet werden, um eine fachlich hochwertige Begutachtung zu gewährleisten. „Werden diese Standards nicht eingehalten, kann der betreffende Übergriff für die Erfassung im Monitoring grundsätzlich nicht berücksichtigt werden.“ Das neue Monitoring des BJV erfüllt diese Standards nicht.

Schadenersatz nur mit Gutachten

Wichtig für die Halter von Schafen und anderen Nutztieren: Der Freistaat bezahlt nur auf Basis der amtlichen Gutachten Schadenersatz für Wolfsrisse. Außerdem sind die offiziellen Untersuchungen die Grundlage, auf der die sogenannten Wolfsgebiete ausgewiesen werden, in denen der Freistaat die Kosten für wolfssichere Zäune übernimmt und hohe Zuschüsse für andere Schutzmaßnahmen finanziert. Und nicht zuletzt ist das Monitoring des LFU die fachliche Basis, sollten die Behörden einmal über den Abschuss eines Wolfes entscheiden müssen.

Zwei Wölfe wurden innerhalb weniger Tage im Landkreis Schwandorf überfahren. Foto: OberpfalzECHO

Bisher ist in der Region rund um den Hessenreuther Wald kein Wolfsriss bekannt. Dagegen mussten schon mehrere Wölfe auf den Straßen ihr Leben lassen.

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2 Kommentare

Robert - 01.03.2024

Genau das ist es: Kein Wolfsriss in der Region. Das besagt ja schon, dass der Wolf wie auch der Luchs möglichst Wildtiere bejagt und sich von Mensch und Haustier fernhält. Die Bürokratie müsste auch hier vereinfacht werden, zwecks Schadensersatz und Schutzzäunen. Ich bin viel und gern im Wald unterwegs (Spaziergang oder versuche mich im Pilze sammeln) und einen Wolf hab ich noch nie dabei gesehen, egal wie leise und ruhig ich mich verhalten habe. Natürlich habe ich Respekt vor solchen Tieren aber keinerlei Angst!! Jede Woche kann man von Hundeangriffen auf Fußgänger und Radfahrer (auch Kinder) lesen die dabei zum Teil schwer verletzt oder gar getötet werden. Hier sollte mal angesetzt werden, die Menschen besser zu schützen!!!

Annegret Sproesser - 01.03.2024

Würde Normalität im Umgang mit den Wölfen gelebt, Hätten wir schon längst aktives Wolfsmanagement, sprich Abschusspläne für Wölfe! In Deutschland herrscht eine Wolfsdichte von 11 Wölfen/1.000 qkm. In den Ländern, wo Wölfe seit jeher bis heute leben, wird, international anerkannt, eine Wolfsdichte von 0,3-0,4 Wölfen auf dieser Fläche als ausreichend für den Artenschutz und verträglich für die Weidetierhaltung angesehen. Diese wird mittels Bejagung erzeugt. Hier gibt es zwei probate Möglichkeiten. Als Erstes Totalabschuss von ganzen Rudeln, was in Niedersachsen, Sachsen und inzwischen auch Hessen notwendig wäre. Lt. Liz Bradley steigt die Wahrscheinlichkeit von Wolfsrissen um 7 % je verbleibendem Rudelmitglied. Wenn die verträgliche Wolfsdichte erreicht ist, müssen die Welpen bis auf zwei erlegt werden. Das hält den Wolfsbestand auf einem verträglichen Niveau stabil und fördert die Scheu der Wölfe. Schin jetzt müssen 600-900 Wölfe erlegt werden, nur um den aktuellen Bestand stabil zu halten. Ab Mai 2024 kommen noch 30% dazu. Das ist der Weg! Narrenfreiheit für Wölfe und maximale Belastung der Weidetierhalter, finanziell, arbeitsmäßig und nicht zuletzt psychisch kann nicht der Weg sein!