Ersthelfer bei seelischen Krisen

Regensburg. Hilfe in seelischer Not: Eine Projektgruppe des medbo Bezirksklinikums und Universitätsklinikums entwickelt ein spezielles Schulungskonzept für den Umgang mit psychisch erkrankten Menschen. Nach der abgeschlossenen Testphase soll das Programm nun überregional ausgerollt werden.

Bezirkstagspräsident Franz Löffler (rechts) und medbo-Vorstand Dr. Dr. Helmut Hausner (links) gemeinsam mit dem HSN-Projektteam Marina Scheele, Sandra Appel und Projektleiter Prof. Martin Schecklmann (von links). Foto:

Eine einsame ältere Nachbarin, ein Schüler mit Schnittwunden an den Armen, ein regelmäßig alkoholisierter Kollege. “Psychische Erkrankungen begegnen uns im Arbeitsumfeld, im Fußballverein, im Familien- und Freundeskreis”, betont Bezirkstagspräsident Franz Löffler. Eine Studie im Auftrag des Robert-Koch-Instituts (RKI) gibt ihm Recht: Bundesweit kämpfen jedes Jahr fast ein Drittel der Erwachsenen mit Symptomen einer psychischen Erkrankung. “Das direkte Umfeld der Betroffenen hat dabei eine Schlüsselrolle”, ergänzt medbo-Vorstand Helmut Hausner, “und zwar noch lange bevor professionelle Hilfe überhaupt greifen kann.”

Genau hier setzt ein Regensburger Projekt an, dass am medbo Bezirksklinikum entwickelt wurde. Mit “Hilfe in seelischer Not – psychische Gesundheit für Alt und Jung” (oder kurz: HSN) ist ein einmaliges Unterstützungsprogramm entstanden, “das bald bayernweit wortwörtlich Schule machen könnte”, so Löffler. HSN wird von Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege gefördert und federführend geleitet von medbo-Chefarzt Prof. Berthold Langguth und dem Leiter des medbo-Zentrums für Neuromodulation Prof. Martin Schecklmann.

Blended Learning für mehr Awareness

Angststörungen, affektive Störungen wie Depressionen und Suchterkrankungen sind laut RKI die traurige Top-3 der psychischen Erkrankungen in Deutschland. Wie erkennen? Wie reagieren? Wie helfen? “Wir geben mit HSN die Antworten bereits durch die Abkürzung unseres Projekttitels: Hinschauen, Sprechen, Netzwerken”, erklärt Prof. Schecklmann. “Es geht um Achtsamkeit und Verständnis, um aktives Zuhören und Gesprächsstrategien, um Hilfestellung und das Wissen um professionelle Anlaufstellen.”

Blended Learning wird dabei im Fokus stehen. Digitale Lerninhalte werden auf einer intuitiv-bedienbaren Online-Trainingsplattform zur Verfügung stehen. “Und wir kommen zu den Teilnehmenden vor Ort, um praktische Anwendungsbeispiele mitzubringen, die wir gemeinsam gleich ausprobieren.” Derzeit werden Gruppentermine auf Anfrage vereinbart. Bald sollen die Schulungen auch für Einzelpersonen buchbar sein.

Über 300 Teilnehmer, erste überregionale Anfragen

Was HSN von vergleichbaren Aktionsprogrammen unterscheidet ist die Niederschwelligkeit: Online-Kurse von überall aus, Präsenzschulungen vor Ort auf Anfrage oder zu fest-buchbaren Terminen in Seminarräumen. Erst kürzlich hat das Projektteam die Test- und Evaluationsphase abgeschlossen, über 300 Teilnehmer wurden bereits geschult. Was vorerst nur als Testballon innerhalb der Regensburger Stadtgrenzen geplant war, resultierte bereits in Schulungen von Mitarbeiter-Teams und Schulklassen in Cham oder Landshut. Auch überregional kommen bereits Anfragen, die jüngste etwa aus Kassel. “Die Resonanz ist für unser kleines Projektteam überwältigend”, berichtet Schecklmann von den letzten Monaten.

Jetzt ist aber erstmal der bayernweite Rollout geplant. “Mit unseren beiden Projektmitarbeiterinnen Sandra Appel und Marina Scheele und der engen Kooperation mit dem Studienzentrum für Jugendarbeit Josefstal e.V. haben wir zwar ein hervorragendes Team. Doch die Nachfrage ist schon jetzt enorm.” Kompetente Unterstützung wird gebraucht. Daher entstehen derzeit Schulungen für Anleiter, die als Multiplikatoren unterstützen und selbst Ersthelfer ausbilden können. Denn das Ziel steht fest: “Es gibt in Bayern 13 Millionen Menschen und genauso viele Kursteilnehmende möchten wir zählen”, berichtet Schecklmann.

Lücke trotz Trend-Thema

Franz Löffler unterstreicht dieses ambitionierte Ziel: “Psychische Gesundheit ist in aller Munde, die Fallzahlen steigen unentwegt. Doch trotz allem ist die Awareness noch zu gering, die Berührungsängste und Vorurteile sind zu groß und die wichtigsten professionellen Anlaufstellen zugleich noch zu unbekannt.”

Oftmals seien Eltern, Freunde oder Kollegen die erste Anlaufstelle für Betroffene. “Oder noch vielmehr wichtige Bezugspersonen, die proaktiv und frühzeitig einschreiten können, wenn sich bereits erste Symptome zeigen.” In HSN sieht der Bezirkstagspräsident einen innovativen und erfolgversprechenden Ansatz, der das Hilfs- und Behandlungsnetzwerk bald flächendeckend um einen wichtigen Baustein ergänzen könnte.

Veranstaltungshinweis: HSN-Ersthelfer-Kurs am 10. Oktober

Zum Tag der seelischen Gesundheit am 10. Oktober bietet das Projektteam allen Interessierten die Möglichkeiten, einen HSN-Ersthelfer-Kurs zu absolvieren.
Von 16.30 bis 18.30 Uhr im IBP-Hörsaalgebäude (HAUS 8) am medbo Bezirksklinikum Regensburg. Die Teilnahme ist kostenlos, weitere Infos und Anmeldung hier. Wer Ersthelfer werden oder selbst ausbilden möchte, findet alle Infos dazu hier.

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