“Fragt mich alles”: Transfrau Franziska lebt endlich im richtigen Körper [mit Video]

Nordoberpfalz/Tirschenreuth. Franziska lebte 46 Jahre lang im falschen Körper, in dem eines Mannes. Jetzt hat sie ihr Geschlecht angleichen lassen. Die Transfrau und Kranführerin erzählt, wie die Operation ablief und warum sie in ein kleines Dorf in der nördlichen Oberpfalz zog.

Franziska sitzt in ihrer Küche, verschränkt ihre Hände mit den grell lackierten Fingernägeln und sagt: “Du kannst mich alles fragen.” Dass sich die Fragen vor allem auf ihren primären und sekundären Geschlechtsorgane beziehen, stört sie gar nicht. Im Gegenteil: Sie freut sich über das Interesse an ihrer Transidentität.

Franziska bezeichnet sich selbst als “transgender”, das heißt sie ist in einem anderen Geschlecht geboren, als in dem, mit dem sie sich identifiziert. Die Transfrau ist in einem männlichen Körper aufgewachsen, wurde in ihrem unterfränkischen Heimatdorf “extrem auf männlich getrimmt”. Mit etwa 25 Jahren habe sie gemerkt: “Irgendwas passiert mit mir.” Da begann ihr Weg, sagt sie. Der war hart: Es folgten mehrere Suizidversuche, Beziehungen mit Frauen und Männern, Dutzende Ortswechsel, zwei Heiraten mit Frauen und Scheidungen, Hunderte Psychologentermine, viele Krankenhausaufenthalte.

So lief die Geschlechtsangleichung

Jetzt, mit 46 Jahren, sitzt Franziska in einem kleinen Dorf im Landkreis Tirschenreuth, mit blonden Haaren, bunter Brille, engem Oberteil und lacht viel. Das Lachen der Transfrau klingt tief, sie ist 1,92 groß, hat Schuhgröße 47, ihre Haut ist mitgenommen von der Barthaarepilation. Aber Franziska fühlt sich endlich wohl in ihrer Haut – weil sie jetzt auch körperlich eine Frau ist.

Eine gestandene Frau: 1,92 und Kranführerin Franziska freut sich nach der Geschlechtsangleichung auf ein normales Leben. Bild: David Trott

Also fangen wir an mit den Fragen: Brüste? Hat sie sich machen lassen, ganz klassisch mit Silikonprothesen. Die Hormonbehandlung hat nicht ausgereicht, die Brust ist so nur um vier Zentimeter gewachsen. “Ich hab zu meinem Arzt gesagt, er soll sie so groß machen, wie es zu mir passt – und bei Körbchengröße D ist Schluss.” Jetzt hat sie BH-Größe C.

Nächste Frage: Vagina? Hat sie sich auch machen lassen, Ende 2021. Bei dieser geschlechtsangleichenden Operation wird, grob gesagt, die Haut des Penis nach innen gestülpt, aus der Eichel wird die Klitoris, aus dem Hodensack die Schamlippen. Franziska ist stolz auf ihr neues Geschlechtsteil. “Das sieht richtig gut aus, das ist Kunst, aber ich zeig das jetzt nicht her”, sagt sie und lacht wieder. Die paar Zentimeter weniger machen einiges aus. Erst seit der Geschlechtsangleichung kann sie sagen: “Mein Weg ist zu Ende.” Jetzt ist sie ganz Frau.

“Die ganze Zeit schauspielern”

Doch wozu der ganze Stress, die vielen Operationen, Medikamente, Schmerzen? Vor knapp zehn Jahren habe sie das scheinbar perfekte Leben geführt: Frau und Kind, Haus, guter Job, ein Pferdehof. Doch das hat sie nicht ausgehalten. “Es ist wie als würde man die ganze Zeit schauspielern. Du schlüpfst in eine Rolle, die du nicht ausfüllen kannst oder willst.”

Sie habe immer versucht, jemand zu sein, der sie nicht ist. Franziska versucht mehrmals, sich umzubringen. Sie leidet unter der Diskrepanz zwischen ihrer Geschlechtsidentität und ihrem biologischen Körper. Tatsächlich erleben einige Transmenschen einen starken Leidensdruck. “Transsexualismus”, oder besser, “Geschlechtsinkongruenz” gilt offiziell als Krankheit, weshalb nach intensiven psychologischen und körperlichen Untersuchungen die Geschlechts-umwandelnde Operation auch von der Krankenkasse bezahlt wird.

Die 46-Jährige ist sehr kontaktfreudig. In der Oberpfalz ist sie bereits im Dartclub aktiv und freut sich auf die ersten Schützenfeste in ihrer neuen Heimat. Bild: David Trott

Als Zwitter geboren

Franziskas Weg hin zu ihrer richtigen Identität begann eigentlich schon mit ihrer Geburt. Denn sie ist als Zwitter geboren, also mit männlichen und weiblichen Geschlechtsanteilen, wurde im Kleinkindalter zum Mann umoperiert, mit Männlichkeitshormonen behandelt. Das hat sie alles jedoch erst vergangenes Jahr im Rahmen der Voruntersuchungen zu ihrer OP herausgefunden, ein Arzt hat es ihr bestätigt.

Ich verstehe nicht, warum die Leute nicht damit klarkommen. Ich hab ja niemanden was getan oder die Welt verändert.Franziska über Anfeindungen in ihrem Heimatdorf

Kommentar zum Thema “Transgender”

Hier einen Kommentar zum Thema unter dem Titel “Mehr als Pipi und Mumu” lesen.

Nächste Frage: Warum zieht eine Transfrau aus Unterfranken in ein 100-Seelen-Dorf in der nördlichen Oberpfalz? “Ich mag es hier einfach.” Eine ihrer wenigen engen Freundinnen, die ihr auf dem langen Weg geblieben sind, wohne in der Nähe. Sie liebt das Wandern im Steinwald, die Natur, das Dorfleben. Aus ihrem Heimatdorf in Unterfranken sei sie geflüchtet. In vierter Generation lebt ihre Familie dort, hoch angesehen. Doch dass Franziska eine Frau ist, konnte das erzkatholische Dorf wohl nicht ertragen, vermutet sie. Reifen seien ihr zerstochen worden, Nachbarn hätten die Straßenseite gewechselt. “Ich verstehe nicht, warum die Leute nicht damit klarkommen. Ich hab ja niemanden was getan oder die Welt verändert.” Sie habe nur ihrem Körper etwas angetan. Sie hat nur sich verändert.

Franziska freut sich über alle Fragen zu ihrer Transidentität. Bild: David Trott

Dartclub und Schützenfeste

Solche Anfeindungen seien ihr in der Oberpfalz nicht passiert. Die Leute seien offen und freundlich, fragten auch mal nach. Und da nimmt sich Franziska auch mal zwei Stunden Zeit, wenn sie jemand vor ihrer Türe fragt, “was denn mit ihr sei”, auch wenn sie nur einen dünnen Pulli anhat und friert. Sie mag es über sich zu reden, aufzuklären.

Da sie erst im Coronajahr 2021 in den Landkreis gekommen sei, habe sie noch nicht so viel Kontakt, aber sie freue sich schon auf das erste Schützenfest. Im Dartclub ist sie bereits aktiv. Wenn man im Dorf nach ihr fragt, sagen die Leute: “Ach sie meinen das Mannsweib?” Aber das sei nicht bös gemeint. So kontaktfreudig wie Franziska ist, stehen die Chancen gut, dass das kleine Dorf in der nördlichen Oberpfalz bald mehr über Transsexualität weiß als der Rest von Deutschland.

Ich will ganz normal leben.Franziska über ihre Wünsche

Ihr Wunsch? “Ich will ganz normal leben.” Das ist verständlich. Das normale Leben ist wohl etwas, was Franziska noch nie hatte. Sie will einen festen Job. Franziska ist Kranführerin, eine sehr gute Kranführerin, wie sie sagt. Trotz Dutzender Bewerbungen findet sie keine Arbeit hier in der Oberpfalz, in der doch Fachkräftemangel herrscht. In dem extrem männerdominierten Berufssparte gibt es Firmen, die nicht einmal eine Frauentoilette vorweisen können. “Ich will aufstehen, auf die Arbeit gehen, abends heimkommen, essen, mal mit Freunden treffen.” Es ist kein bombastisches Leben, von dem Franziska träumt, sondern einfach das Leben einer Frau.

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