Halbzeit im Prozess gegen WohnSachWerte: Wo sind die Millionen hin?

Weiden. Die Angeklagten hatten eine "Geld-Druckmaschine" erfunden. Mit dem Einziehen von vermögenswirksamen Leistungen nahm die Weidener Genossenschaft WSW 13,5 Millionen Euro ein. Was ist mit diesem Geld passiert? Ist noch etwas da?

WSW Prozess Landgericht Weiden
Foto: Christine Ascherl

Etwa die Hälfte des WSW-Prozesses ist geschafft. Am Montag, 14. Januar, ist der 17. Verhandlungstag. Bis zu den Osterferien will die 1. Strafkammer des Landgerichts mit den fast 50 Zeugen durch sein. Es fehlen noch die Belegschaft der WSW, eine Auswahl an geschädigten “Genossen”, deren Arbeitgeber sowie 15 Polizisten und Kommissare, die mit den Ermittlungen betraut waren. Auch der Verantwortliche des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen soll noch aussagen: Die Verbraucherzentralen hatten schon 2020 eine Strafanzeige gestellt und eine Klage eingereicht.

Prozess: eine Halbzeitbilanz

Die Halbzeitbilanz: Wie es aussieht, gelingt es nicht, den ganz großen Betrug nachzuweisen (also, dass die WSW nur zum Zwecke des Betrugs gegründet wurde). Betrug könnten allerdings die formunwirksamen Online-Abschlüsse sein. Das betrifft etwa 12.000 Verträge. Es handelt sich dabei um Kunden, die über die Vertriebsagentur von Peter H. aus Winsen an der Aller kamen. Die meisten davon hatten auf dem Handy mit dem Finger unterschrieben (“Bis zu 560 Euro Fördergeld vom Staat kostenfrei und einfach sichern”). Von ihnen wurden rund 6 bis 8 Millionen Euro an vermögenswirksamen Leistungen zu Unrecht eingestrichen.

Stellt sich die Frage: Wo sind die Millionen hin? Ist da noch etwas da? Und kann es passieren, dass die Angeklagten aus der Haft kommen und ihr Saus-und-Braus-Leben weiterführen? Nach inzwischen 2 Jahren U-Haft könnte der Aufsichtsratsvorsitzende (54) noch vor dem Urteilsspruch auf freien Fuß kommen, so das Ergebnis eines Verständigungsgesprächs. Die Vorständin wird noch ein paar Jahre sitzen (Ergebnis Verständigungsgespräch: 5,5 bis 6,5 Jahre), mit Haft muss auch der Sohn rechnen. Das ist Thema am Montag. Mutter und Sohn gelten nach bisheriger Beweisaufnahme für das Gericht als Drahtzieher.

Einnahmen 14 Millionen Euro, Kontostand 287.000 Euro

Eine Rechnung: 13,5 Millionen Euro nahm die WSW an vermögenswirksamen Leistungen ein, die gutgläubige Arbeitgeber für ihre Mitarbeiter überwiesen. Dazu kommt eine halbe Million Euro von sechs Privatleuten, die Förderdarlehen beisteuerten. Von all diesem Geld ist viel weg. 750.000 Euro waren Personalkosten. 731.000 Euro bekam der Sohn als Lohn. Für 80.000 Euro wurde ein Appartement gekauft.

Der große Batzen (10 Millionen Euro) ging auf das Konto der Firma von Ralf K. Davon reichte er 7 Millionen an die Vertriebsagenturen weiter (davon allein 4 Millionen an Peter H.). Bleiben etwa 3 Millionen Euro, die er als seine Provision ansieht.

Das Paar gab das Geld mit beiden Händen aus. Die Betriebswirtin der Kripo nannte 28.000 Euro für eine Abu-Dhabi-Reise, fünfstellige Summen für Bekleidung, sechsstellige Summen für Einkäufe bei Amazon. Ralf K. kaufte Uhren und Schmuck, auch Autos, er nennt das “Kapitalanlagen”. Verzeichnet sind Barabhebungen von über 320.000 Euro. 136.000 Euro bekam das Kindermädchen. 200.000 Euro flossen auf das Konto einer Familien-GmbH, die damit ein Mehrfamilienhaus in Rothenstadt (580.000 Euro) und eine Wohnung in Weiden finanzierte.

287.000 Euro lagen bei der Verhaftung noch auf dem Firmenkonto von Ralf K., 440.000 auf dem Konto der WSW. Von ursprünglich über 4 Millionen Euro Einnahmen.

Insolvenzverwalter sieht sich Vermögensverschiebungen an

Was ist an Masse da? Welche Summen an Forderungen sind angemeldet? Wie ist das mit dem Geld, das “auf die Seite geschafft” wurde? Mit Autos, Schmuck und Immobilien? Der Insolvenzverwalter Dr. Hubert Ampferl (Kanzlei Beck & Partner, Nürnberg) würde diese Zahlen sehr gut kennen. Nur: Er darf nichts sagen. Insolvenzverfahren sind nur für die beteiligten Parteien öffentlich. Kollege Anwalt Maximilian Schönwald kann daher nur generelle Angaben machen.

“Es steht uns nicht zu, uns in der heißen Phase des Prozesses zu äußern”, so Schönwald. Generell werden im Insolvenzverfahren die Vermögenswerte der WSW eG angesehen. Aber wenn Geld abfließt, sind dieses Geld und die damit erworbenen Vermögenswerte natürlich von Interesse. “Vermögensverschiebungen werden angeguckt. Wir schauen uns schon an, was mit dem Geld passiert ist.” Generell gäbe es Möglichkeiten, solche Verschiebungen rückgängig zu machen, wenn sie nicht rechtens waren.

Fast schon kurios: Auch Ralf K. will von WSW noch Geld

Einen Eindruck der Gläubigerzahl konnte man sich vor einem Jahr bei der Gläubigerversammlung in Weiden machen. Da ist die Gruppe der etwa 12.000 formnichtigen Online-Genossen, die ihre vermögenswirksamen Leistungen wieder wollen. Leer ausgehen werden möglicherweise die Einzahler, deren Verträge rechtmäßig, also schriftlich, geschlossen wurden.

Weiterhin waren noch rund 20 Arbeitnehmer der WSW auf ausstehende Löhne. Ihr Geld wollen auch die privaten Darlehensgeber wieder, etwa eine halbe Million steht da noch aus. Randnotiz: Auch Aufsichtsratsvorsitzender Ralf K. soll Forderungen angemeldet haben. Die Provisionsabrechnung für März 2022 war bei der Festnahme noch nicht erfolgt.

Schließlich scharrt da noch die Staatsanwaltschaft: Es gibt die Möglichkeit der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung. Staatsanwalt Wolfgang Voit hat in seiner Anklage die Einziehung von Wertersatz in Höhe von 7 Millionen Euro gefordert.

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