Jahn in der Dritten Liga: Zehnter Sieg in Serie gegen Freiburg II für Agy Diawusie
Regensburg. Drittliga-Rekord eingestellt: Der SSV Jahn holt 30 Punkte in Folge. Das schaffte zuletzt der KSC 2012/13. Dass auch gegen Freiburg II nicht alles rund läuft, geschenkt. Man sieht den Spielern nach dem Abpfiff an, wie mitgenommen sie sind: Vor allem Siegtorschütze Noah Ganaus muss getröstet werden.
Emotionale Szenen im Jahn-Stadion: Der Verein macht wahr, was er angekündigt hat. Der am Dienstag an einem plötzlichen Herztod nach vorausgegangener Herzmuskelentzündung in Folge eines viralen Infekts mit nur 25 Jahren verstorbene Jahn-Stürmer Agyemang Diawusie (25) ist omnipräsent.
Die Schweigeminute, die Einblendung seines überlebensgroßen Porträts auf dem Bildschirm, die unaufhörlichen „Agy“-Fangesänge, die erneute Einblendung seines Konterfeis in Minute 24, die Zahl, die der in Regensburg aufgewachsene Deutsch-Ghanaer am Rücken trug, das Abspielen seiner Playlist nach Spielende, die Tränen im Spielerkreis – man ist hautnah dabei bei der Trauerarbeit für einen Mitspieler und Freund, für einen begabten Fußballer und feinen Menschen.
Das Spiel im Zeitraffer
Nach einer Schrecksekunde – weil Florian Ballas halb den Ball, halb die Luft trifft und Maxi Breunig, Bruder von Jahn-Verteidiger Louis Breunig, allein vor Felix Gebhardt am Handball-Fußreflex des Jahn-Keepers scheitert (9.) – bekommt der SSV Jahn das Spiel über das gewohnte Pressing immer besser in Griff, spielt sich erste gute Chancen heraus. Mit einem nicht zwingenden, aber doch gerechtfertigten Strafstoß nach Foul an Konrad Faber, schießt Elias Huth Regensburg cool in Führung, 1:0 (34.).
Und wenn man schon mal dabei ist, folgt der zweite Streich nur zwei Minuten später mit dem nächsten Standard: Tobias Eisenhuths Freistoß aus dem Halbfeld wird länger und länger, Dominik Kother bringt noch den großen Zeh an den Ball, der ohnehin von SC-Keeper Jaaso Jantunen, der sich verschätzt, nicht mehr zu bremsen ist, es steht 2:0 (36.). Als es sich die Oberpfälzer vor der Pause mit dem komfortablen Vorsprung allzu gemütlich einrichten, geht Elfer-Verursacher Berkay Yilmaz nach Vorlage von Ryan Johansson durch die Jahn-Abwehr wie ein warmes Messer durch Butter – seinen Schlenzer fälscht Breunig unhaltbar unters rechte Lattenkreuz ab, 2:1 (40.).
Nervenflattern nach der Aufholjagd
Nach der Pause wirken die Regensburger bei weitem nicht mehr so fokussiert wie in der dominanten ersten halben Stunde. Zu viele, zu schnelle, zu leichte Ballverluste kündigen an, dass die beste Abwehr der Liga diesmal Federn lassen wird. Obwohl die Jahn-Abwehr die Kugel am 16er schon zweimal in Besitz genommen hat, holen sich die jetzt aggressiveren Breisgauer auch den vierten Ball zurück: Freiburgs Breunig legt mit der Hacke für Johansson ab, der den besser postierten Ex-Regensburger Patrick Lienhard bedient: Der Joker zirkelt die Kugel unhaltbar unters linke Lattenkreuz – die Serie ist jetzt ernsthaft gefährdet, 2:2 (58.). Das zehrt jetzt doch an den Regensburger Nerven: Hektische Fehlpässe bringen die Hausherren wiederholt in Kalamitäten.
Gut, dass jetzt mit Noah Ganaus frischer Wind ins Spiel kommt. Der technisch versierte Kother umkurvt mach genialer Ballannahme seinen Gegenspieler Joel Bichsel, dringt rechts in den Strafraum ein, könnte abschließen, sieht aber auch noch Ganaus, auf den er querlegt – Joker Noah drückt die Kugel aus fünf Metern über die Linie, voilà, der fast Last-Minute-Jahn lebt, 3:2 (77.). Und noch einmal braucht der SSV die Mithilfe aller Glücksgötter dieses Kosmos: Ausgerechnet der frühere SSV-Goalgetter Hamadi Al Ghaddioui kommt am Fünfer frei zum Abschluss – und schießt seinen Mitspieler um, der unfreiwillig auf der Linie rettet (85.). Nach langen 95 Minuten steht ein glücklicher, aufgrund der stärkeren ersten Hälfte aber nicht unverdienter 3:2-Erfolg gegen die tapfere Freiburger U23.
Punkteschnitt von 2,35
40 Punkte nach 17 Spieltagen: Es gab Jahre, da wäre man mit diesem Punktestand nach dem letzten Spieltag mehr als zufrieden gewesen. Auch wenn es „nur“ die Dritte Liga ist: Die Mitabsteiger Sandhausen und Bielefeld, beide finanziell besser ausgestattet und personell hochgerüstet, haben 13 und 19 Punkte Rückstand, 1860 hat gerade mal die Hälfte der Punkte.
Ein Punkteschnitt von 2,35 mit einem komplett neu zusammengestellten Team – da kann man nur den Hut ziehen vor Sportchef Achim Beierlorzer und Jahn-Trainer Joe Enochs.
Andi Geipl: „Das Ergebnis ist zweitrangig“
Und dennoch: Dass der eingestellte Rekord und der Ausbau der Tabellenführung auf 6 Punkte vor Favorit Dynamo Dresden heute nur Nebensache sind, spricht auch für den Charakter dieses Teams – zu dem, wie alle nicht müde werden zu betonen, vom Platzwart bis zu den Fans alle gehören, die Rot-Weiß ticken.
Um es mit Andi Geipl zu sagen, der nach dem Spiel nasse Augen hatte: „Das Ergebnis ist zweitrangig, das haben wir von Haus aus gesagt – wir freuen uns natürlich riesig, dass wir das Spiel gewonnen haben, aber wie gesagt, das ganze Drumherum, die Gedenkminute … dann haben wir abgeliefert.“
Enochs: „Nicht unser bestes Spiel“
Auch der Coach Enochs lässt noch einmal die schweren Stunden nach dem tragischen Tod von Agyemang Diawusie (25) Revue passieren: „Wir haben es vor dem Spiel gesagt, die Vorbereitung war schwer, die Ereignisse diese Woche waren unfassbar – wir sind alle fassungslos.“ Umso bemerkenswerter die Leistung seiner Mannschaft: „Was die Jungs auf den Platz gebracht haben, heute, alle Achtung, in so einer Situation so zu spielen, ist schon überragend.“
Dass es nicht das beste Regensburger Spiel war, räumt Enochs gerne ein: „Keine Frage, wir haben ein paar Torchancen gehabt, sind hoch angelaufen, führen 2:0, alles o.k.“ Dann geht so ein Stück weit die Konzentration verloren, der Jahn kassiert das 2:1 vor und das 2:2 nach der Halbzeit: „Dass wir beim 2:2 zweimal die Möglichkeit haben zu klären und es nicht tun, da kriegt man bei so coolen Jungs, die in Freiburg spielen, halt ein Gegentor.“ Da müsse man für mehr Klarheit sorgen. „Das passiert uns normalerweise nicht.“
Und wieder macht der Joker den Unterschied
Aber das Entscheidende: „Eine Mannschaft, die so stabil ist, kommt eben zurück“, sagt der Trainer. „Da bin ich unheimlich stolz.“ Und vor allem wie: „Diese Ballannahme von Kothi und den besser positionierten Spieler zu sehen, ist schon super.“ Die Gründe für die Siegesserie hat er oft genug geschildert. Hier noch einmal die Kurzfassung, weil’s so schön ist. „Alle Spieler, die eingewechselt wurden, haben den Unterschied gemacht“, kann er auch heute wieder zu Recht behaupten, schließlich schnürt ausgerechnet Agys Buddy Noah Ganaus den Dreier mit seinem Siegtreffer.
„Wir sind extrem fit, die Spieler glauben an sich bis zur letzten Sekunde.“ Er freue sich natürlich über den zehnten Sieg in Serie, aber: „Wichtig ist für uns, dass wir nächstes Spiel gegen Viktoria Köln eine bessere Leistung bringen, sodass wir ein bisschen mehr Klarheit im Spiel haben.“ Trotzdem: „Die Serie ist schon Wahnsinn“, sagt Enochs, „jeden Tag gehe ich gerne zur Arbeit, bei solchen Jungs, die auf dem Platz stehen, das ist halt schon überragend.“
Das Spiel aus Sicht der Freiburger
SC-Trainer Thomas Stamm ist bedient: „Wir bekommen alle drei Tore zu einfach.“ Die Elfmeter-Situation habe er sich angeschaut. „Den kann man geben, muss man nicht geben.“ Standardsituationen würden seine Jungs einfach nicht gut genug verteidigen. „Und das dritte Tor bekommen wir, wie die Wochen davor auch, einfach nicht gut verteidigt.“ Aber trotzdem: „Wir haben die Chancen, selber in Führung zu gehen.“
Maximilian Breunig im 1:1 gegen den Torhüter: „Er belohnt sich dann nicht. Ich glaube, die Momente müssen wir ziehen, damit ein anderes Selbstverständnis kommt.“ Und dennoch sei man noch einmal rangekommen: „Ich finde, es war ein ausgeglichenes Spiel, ein Punkt wäre mehr als verdient gewesen heute, vielleicht auch mehr.“ Das Ergebnis sei extrem bitter. Dass Hamadi Al Ghaddioui die Chance zum erneuten Ausgleich vergibt, ist verziehen: „Ich glaube, konsequenter als in der Situation kann man nicht abschließen, leider geht der Ball voll auf Patrick.“
Maximilian Breunig, Bruder von Jahn-Defender Louis, freut sich auf das Wiedersehen beim Rückspiel: „Das war schon was ganz Besonderes, das erste Mal, dass wir gegeneinander gespielt haben.“ Der SC sei ganz gut reingekommen: „Ich habe die erste Großchance, wo wir 1:0 in Führung gehen müssen, die wir nicht reinmachen.“ Dann die strittige Elfmeterszene: „Ich hab‘ es noch nicht gesehen, ob es wirklich einer war.“
Schließlich noch der Standard, „den wir richtig gut verteidigen – dann steht’s 2:0 in Regensburg, dann wird’s schwer.“ Und trotzdem sei sein Team noch einmal zurückgekommen. Zunächst mit dem 2:1 vor der Halbzeit: „Dann machen wir verdient das 2:2 – wenn du zwei Tore auswärts beim Tabellenführer schießt, musst du mindestens einen Punkt auf alle Fälle mitnehmen.“
* Diese Felder sind erforderlich.