Neue Regeln für die Bundesjugendspiele: Zustimmung und heftige Kritik

Weiden. Die Bundesjugendspiele an Schulen ändern sich. Statt eines Wettkampfs soll es in den Klassen eins bis vier nur noch einen Wettbewerb geben. Das sorgt für viel Pro und Contra. Was sagen Schulen, Sportverbände und Vereine dazu?

Zeiten sollen künftig bei den jüngeren Schülerinnen und Schülern keine Rolle mehr spielen. Foto: Marcus Merk

Laufen, springen, werfen: Die Bundesjugendspiele sorgen bei vielen Kindern für Frust. Für andere sind sie dagegen ein Highlight im Schuljahr. Nun soll der Wettkampf reformiert werden, hin zu weniger Leistungsdruck. Die Meinungen darüber gehen stark auseinander.

Wettbewerb statt Wettkampf

Bereits vor gut zwei Jahren hat die Kultusministerkonferenz Grundlegendes in Sachen Bundesjugendspiele beschlossen. Ab dem Schuljahr 2023/2024 sollen die Leistungen von Grundschülern weniger starr bewertet werden: Statt des bisherigen „Wettkampfs“ soll es nur noch einen „Wettbewerb“ geben. So müssen künftig alle Grundschulen bis zur vierten Klasse die Sportarten Leichtathletik und Schwimmen als Wettbewerb austragen – und nicht nur die erste und zweite Klasse wie bisher. Bis zur sechsten Klasse wird dieser Wettbewerb empfohlen. Beim Geräteturnen hingegen darf man von der ersten bis zur vierten Klasse weiter zwischen den beiden Austragungsformen wählen.

Ohne Punkte, ohne Zeitmessung

Die Neuregelung bedeutet: Wer zu den Besten gehört, orientiert sich nicht mehr – wie bislang – an einer festgelegten Punktetabelle, sondern an den Leistungen der Kinder einer Schule innerhalb ihres Jahrgangs. Auch können Schulen beim Wettbewerb ohne die festgelegten Punktetabellen neben klassischen Disziplinen wie 50-Meter-Sprint oder Weitsprung noch andere Sportaufgaben anbieten – etwa Hürdensprint, Stoßen oder Drehwürfe.

Zudem sollen die Leistungen der Schüler nicht mehr zentimeter- und sekundengenau mit dem Maßband oder der Stoppuhr erfasst werden. Stattdessen gibt es künftig zum Beispiel beim Weitsprung oder Werfen Zonen, in denen bestimmte Punkte vergeben werden. Es solle bei den Spielen insbesondere darum gehen, sich zu bewegen, Freude zu haben und sein Bestes zu geben, heißt es auf der Internetseite der Bundesjugendspiele. „Vor allem aber geht es auch um Fairness, Respekt, Teamfähigkeit und soziale Kompetenzen.“

Was bleibt, ist die traditionelle Vergabe von Ehren-, Sieger- und Teilnehmerurkunden, jedoch nach einem festen Schlüssel. Die besten 20 Prozent – getrennt nach Jahrgang und Geschlecht – bekommen die Ehrenurkunde, die mittleren 50 Prozent eine Siegerurkunde und die unteren 30 Prozent die Teilnehmerurkunde.

Reform eine “Augenwischerei”

Nicht nur aus dem Sportbereich kommen Bedenken. Kritiker der Reform bemängeln, dass man Kinder auch befähigen müsse, mit Niederlagen und Frust umzugehen. Zudem beklagen sie den Wegfall des Leistungsgedanken. Wintersport-Ikone Felix Loch kritisiert die neuen Bundesjugendspiele scharf: „Augenwischerei“ nennt er die Reform. Er sei selbst dabei gewesen bei den Schulspielen seines Sohns, schreibt er in einem Facebook-Post. „Ausnahmslos ALLE Kinder hatten richtig Bock, sich zu messen. Wer wirft weiter, wer springt höher usw. Ob es jetzt ‘Wettkampf’ oder ‘Wettbewerb’ heißt, versteht sowieso kein Kind… Kinder haben Lust auf Wettkampf – jeden Tag“, schreibt der Rodel-Olympiasieger.

Die Ehren- und Sieger-Urkunden der Bundesjugendspiele. Es gibt auch noch eine Teilnehmerurkunde für die weniger guten Sportler/innen. Foto: Pixabay

Spaß und Freude

Schulamtsdirektor Armin Engel, Fachberater für Sport am Schulamt Tirschenreuth, sieht die neuen Bundesjugendspiele positiv. “Man muss die Kinder über Spaß und Freude für den Sport begeistern, damit sie dabei bleiben.” Der Grundstein dafür werde schon im Grundschulalter gelegt. Auf Grundlage des Wettbewerbs könnten die Schülerinnen und Schüler mit den verschiedenen Formen der Bundesjugendspiele an persönliche Leistungen und sportliche Vergleiche herangeführt werden. Vor allem aber gehe es bei den Spielen aber um Fairness, Respekt, Teamfähigkeit und soziale Kompetenzen.

Gegen Gleichmacherei

Völlig anderer Meinung ist German Helgert, Direktor der Realschule Kemnath und langjähriger Trainer beim Schwimmclub Tirschenreuth. “Ich halte das für Gleichmacherei, die den Wettkampfcharakter der Bundesjugendspiele verfälscht. Zum Sport gehören Sieger und Platzierte. Die Kids wollen ihre Zeiten und Weiten wissen.” Man dürfe den Leistungsgedanken nicht abschaffen. In den anderen Fächern würden ja auch Noten vergeben.

Nachgefragt beim Sportbeauftragten der Stadt Weiden, Christian Meiler, seines Zeichens auch BLSV-Kreisvorsitzender, antwortet die Presseabteilung der Stadt unter anderem so: “Wir hoffen natürlich, dass das neue Konzept den Spagat zwischen Leistungsgedanken und Motivation schafft und gleichzeitig den Vorwurf der Bloßstellung schwächerer Schülerinnen und Schüler reduzieren kann.”

“Sport formt den Charakter”

“Die Bundesjugendspiele sind kein Wettkampf im sportlichen Sinne mehr, das ist für mich komplett unverständlich”, kritisiert Personal- und Mentaltrainer Christian Wolf. Auch er habe früher für manche Disziplinen überhaupt kein Talent gehabt. “Jedoch habe ich immer die Leistungen der Anderen bewundert”, sagt der Gründer von HOHPE. Seine Firma betreut sowohl Leistungssportler (U 18 der Eishockey-Nationalmannschaft) als auch Firmen und Privatpersonen in der Region. “Egal wie, Wettkampf und Training formt Werte und den Charakter. Für jetzt und für später. Das können sowohl Eltern als auch das Umfeld vermitteln – und der Sport in jeglicher Form gleich dreifach.”

Beim Grundschul-Leichathletikwettbewerb ging es bis vor Kurzem noch um Weiten und Zeiten. Foto: Archiv Reinhard Kreuzer
Beim Grundschul-Leichathletikwettbewerb ging es bis vor Kurzem noch um Weiten und Zeiten. Foto: Archiv Reinhard Kreuzer
Durch die Neuordnung der Bundesjugendspiele sollen auch schwächere Schülerinnen und Schüler geschützt werden. Foto: Pixabay
Durch die Neuordnung der Bundesjugendspiele sollen auch schwächere Schülerinnen und Schüler geschützt werden. Foto: Pixabay
Foto: Reinhard Kreuzer
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“Auch mit Niederlagen umgehen”

Die neue Regelung der Spiele für die ersten und zweiten Klassen befürwortet Reinhold Wildenauer, Vorsitzender der DJK Weiden, des größten Vereins der Stadt. “Im Alter von sechs bis acht Jahren ist es sinnvoll, Sport ohne Leistungsdruck spielerisch und mit zielgerichteten Anleitungen zu lernen. Später sollten Jugendliche schon Leistungsfähigkeit zeigen können und dürfen.” Auch in jungen Jahren sollte man Erfolgserlebnisse haben als Ansporn für die Steigerung seiner Leistungen. “Erfolge steigern das Selbstwertgefühl, zugleich lernt man auch, mit Niederlagen umzugehen. Die Anforderungen im Erwachsenenalter werden kommen und man ist dadurch gewohnt, Erfolge und Misserfolge gut einzuordnen und zu verarbeiten.”

Neuregelung ein Fluch

Andreas Malzer, Vorsitzender des BLSV-Kreises Tirschenreuth, hat eine klare Meinung: “Das ist ein Fluch. Die Neuregelung ist gegen den Leistungsgedanken im Sport. Wenn Leistungen nicht mehr vergleichbar sind, brauchen wir uns nicht wundern, wenn wir uns im internationalen Vergleich im Sport immer weiter von der Spitze entfernen.”

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