Neuer Cheftrainer Joe Enochs bringt Ringer-Qualitäten mit zum SSV Jahn Regensburg

Regensburg. Die Kommunikationsstrategie des SSV Jahn muss man nicht verstehen: Erst gibt man nach ewigen Treueschwüren die Entlassung von Mersad Selimbegovic bekannt – die zweite Trainergarde soll übernehmen. Einen Tag später zaubert der Verein Joe Enochs aus dem Hut.

Joe Enochs reagiert nach dem Spiel seines damaligen Vereins FSV Zwickau beim Erzrivalen Aue blitzschnell, sprintet dem Hooligan nach und ringt ihn zusammen mit zwei Ordnern zu Boden. Bild: Jarda Soukup

Eines vorweg: nichts gegen Joe Enochs. Der 51-jährige neue Cheftrainer mit Ligen-unabhängigem Vertrag bis 30. Juni 2024 kann nun mal überhaupt nichts für die Misere des Oberpfälzer Zweitligisten. Ein wenig ketzerisch darf man aber frotzeln: Thomas Tuchel stand für das Himmelfahrtskommando wohl nicht zur Verfügung – der hatte zuletzt schlechte Erfahrungen mit drei Endspielen. Und Julian Nagelsmann ist zu unerfahren für diese Aufgabe.

Schwarzen Humor beiseite: Der ehemalige „Osnabrücker Fußballgott“ (11 Freunde) war zuletzt als Trainer beim chronisch abstiegsbedrohten FSV Zwickau eher glücklos. Dass er nach fast fünf Jahren ausgerechnet nach vier Punkten in Folge entlassen wurde, hat den gebürtigen US-Amerikaner schwer getroffen.

„Wir sind in die Vorbereitung gestartet mit zwölf Feldspielern und haben jetzt eine Mannschaft, die allemal das Zeug hat, die Klasse zu halten“, sagte der studierte Kriminologe im Februar. „Und ich bin überzeugt davon, dass mein Trainerteam und ich die Mannschaft dorthin gebracht hätten.“

Enochs als Kampfsportler

Jetzt muss er in nur drei Spieltagen eine Liga höher das schaffen, wofür er bei den Sachsen noch fast die gesamte Rückrunde Zeit gehabt hätte: ein formidables Fußballwunder. Dabei ist Enochs bislang weder als Wunderheiler noch als Kellerkind-Feuerwehr in Erscheinung getreten. Dafür bringt der mit 23 Jahren zum FC St. Pauli nach Deutschland ausgewanderte Kalifornier ein ausgeprägtes Kämpferherz mit nach Regensburg.

Nach dem Auswärtssieg seiner Zwickauer beim Erzrivalen Aue im September vergangenen Jahres sieht er während eines MDR-Interviews aus den Augenwinkeln einen vermummten Erzgebirgler hinter seinem Spieler Johan Gómez herjagen. Enochs reagiert blitzschnell, sprintet dem Hooligan nach und ringt den Chaoten mit zwei Ordnern zu Boden. Chapeau, Mr. Joe! Ob sich seine US-Ringer-Qualitäten auf die Kampfmoral der Regensburger gegen den HSV übertragen lassen?

Der Auer Hooligan wird abgeführt. Bild: Jarda Soukup

Dienstältester Drittliga-Trainer

Auf alle Fälle kennt der Vater zweier Töchter im wahrscheinlicheren Fall des Scheiterns schon mal die Dritte Liga wie seine Westentasche. Bis zu seiner Entlassung war er immerhin dienstältester Trainer der undankbarsten Profiliga, mit weiten Wegen, aber wenig Mitteln. Auf seinen neuen Posten bereitete sich Enochs vor Ostern mit einer Hospitanz bei seinem alten Kumpel Daniel Thioune in Düsseldorf vor. Bestand da schon Kontakt zum Jahn – angeblich soll Sportchef Tobias Werner bereits vor dem Gastspiel in Kiel an einer Ablösung von Mersad Selimbegovic geschraubt haben?

„Zwei Co-Trainer, ein zusätzlicher Video-Analyst, mehr Physiotherapeuten und top Bedingungen auf dem Trainingsplatz“, schwärmte er anschließend, „das war nicht eine, sondern eher zwei Klassen besser als in Zwickau.“ Ob er diese Bedingungen auch in Regensburg vorfindet, falls der Verein nächstes Jahr den Gürtel noch enger schnallen muss?

Am Mittwochnachmittag leitete Enochs die erste Trainingseinheit. „Bereits heute startet die intensive Vorbereitung auf das anstehende Heimspiel am Sonntag gegen den Hamburger SV“, sagt Enochs. Er wird beim Jahn bis auf Weiteres mit dem bisherigen Trainerteam um Jonas Maier, Markus Palionis, Thomas Barth und Marco Langner zusammenarbeiten. „In den Gesprächen habe ich relativ schnell gemerkt, dass diese Aufgabe als neuer Chef-Trainer, aber auch der Verein an sich gut zu mir passen.“

Sportchef Werner: „Genau der richtige Mann“

„Es war unser Ziel, nach der Freistellung von Mersad Selimbegovic als Chef-Trainer am gestrigen Dienstag und mit Blick auf das anstehende Heimspiel gegen den Hamburger SV zeitnah einen Nachfolger zu finden“, lässt Jahn-Präsident Hans Rothammer verlauten. „Wir sind deswegen erfreut, dass wir nun mit Joe Enochs einen für die Situation passfähigen und kompetenten Chef-Trainer in Regensburg begrüßen dürfen.“

Als „genau den richtigen Mann für die anstehenden herausfordernden Aufgaben“, beschreibt Sportchef Tobias Werner den Neuen an der Seitenlinie: „Wir sind der Meinung, dass Joe Enochs mit seiner Auffassung vom Fußball zur Spielidee des SSV Jahn passt.“

Vorstellung des neuen Cheftrainers Joe Enochs in Regensburg. Bild: SSV Jahn

Kurzbiographie Joe Enochs

  • Joe Enochs ist im US-amerikanischen Petaluma geboren, kam 1994 als Spieler nach Deutschland und startete dort seine Laufbahn beim FC St. Pauli.
  • Anschließend war er 21 Jahre lang für den VfL Osnabrück als Spieler und Trainer tätig. Nach seinem Karriereende als Spieler 2008 war Enochs mehrere Jahre im Nachwuchs des VfL aktiv und übernahm von 2015 bis 2017 das Chef-Traineramt in Osnabrück in der 3. Liga.
  • Zur Drittligasaison 2018/19 stand Enochs beim FSV Zwickau als Chef-Trainer an der Seitenlinie. Anfang Februar 2023 trennte sich der Verein von ihm.

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