Drei Spieltage vor dem Abstieg: SSV Jahn Regensburg feuert Trainer Selimbegovic ersatzlos

Regensburg. Es war ein Erfolgsmantra von Ex-Sportchef Christian Keller: „Die Mechanismen im Profifußball, in Krisen den Trainer zu entlassen, haben noch nie gefruchtet.“ Lange hat sich Präsident Hans Rothammer daran gehalten. Ausgerechnet zum schlechtesten Zeitpunkt feuert der SSV Jahn Mersad Selimbegovic.

Aus für Trainer Mersad Selimbegovic nach 17 Jahren beim SSV Jahn Regensburg. Bild: Jürgen Herda

Ob der viel beschworene „Impuls“ eines Trainerwechsels einer Mannschaft neues Leben einhaucht, darüber kann man trefflich streiten. Bereits eine statistische Auswertung von über 150 Trainerwechseln in der Bundesliga von 1963 bis 2009 hatte nachgewiesen, dass Mannschaften davon nicht profitieren.

„Ein Wechsel des Coaches hat keinen Effekt“, sagt Professor Andreas Heuer, Statistik-Wissenschaftler an der Uni Münster. Die betroffene Mannschaft spiele den Rest der Saison genauso gut oder schlecht wie ohne Trainerwechsel, konstatierte der Forscher im Fachblatt „Plos One“.

Lachhaft das Ganze und hochnotpeinlich“

Für einen Fußball-Professor wie Ex-Sportchef Christian Keller, Architekt des Aufstiegs von der Regionalliga in die Zweite Bundesliga, sind solche Fakten Grundlage seines Handelns. Der Laie denkt, wenn er sich Spieltag für Spieltag über Unvermögen, Pech oder vermeintliche Leidenschaftslosigkeit ärgert: „Irgendwas muss jetzt geschehen.“ Offenbar hat Jahn-Präsident Hans Rothammer nun dem Druck der Fans nachgegeben. Seit Wochen lassen die ihrem verständlichen Frust in den Sozialen Medien freien Lauf.

Aber was der Verein jetzt, drei Spieltage vor dem wahrscheinlichen Knockout praktiziert, bringt auch die kritischen Fans auf die Palme:

  • Manfred Weber schreibt auf Facebook: „Drei Spieltage vor Schluss den Trainer zu entlassen, das passt zur Jahn-Führungsriege und dem gesamten Saisonverlauf. In meinen Augen drei Monate zu spät und dazu können sie nicht mal einen im Abstiegskampf erfahrenen Nachfolger präsentieren. Seit Keller weg ist, läuft beim Jahn alles aus dem Ruder und wird mit einer Kaderauflösung und dem Abstieg in die 3. Liga enden, so leid es mir tut für die Oberpfälzer.“
  • Rudolf Maresch an gleicher Stelle: „Lachhaft das Ganze und hochnotpeinlich. Dilettantismus allerorten. Jetzt, wo es viel zu spät ist, wird die Reißleine gezogen. Das hätte schon vor einem halben Jahr vollzogen werden müssen. Drei Spieltage vor Schluss – das bringt nur der SSV Jahn Regensburg fertig.“
Seit Christian Keller nicht mehr als Sportchef auf der Jahn-Tribüne sitzt, läuft es nicht mehr rund beim SSV. Bild: Fabian Roßmann/SSV Jahn

Von der Jahn-Achse blieb ein stumpfer Rumpf

Nach seinem Wechsel nach Köln hatte Keller noch optimistisch in die Jahn-Zukunft geblickt: „Heuer sind die Neuzugänge von damals um Alex Meyer, Bene Gimber, Max Besuschkow, Andreas Albers, Erich Wesseker und andere unsere Achse“, sagte er zu OberpfalzEcho. „Deshalb habe ich vor der laufenden Saison auch gesagt, egal, wie die Zweite Liga sich zusammensetzt, wir werden eine stabile Mannschaft haben, die mit dem Abstieg nichts zu tun hat.“

Diese „Achse“, wie Keller sie nannte, ist nur noch ein Rumpf mit dem tapfer kämpfenden Gimber und dem leider schwächelnden Albers. Die Leistungsträger, allen voran der bei Heidenheim überragende Jan Niklas Beste, haben sich verabschiedet. Totalausfall Roger Stilz als Keller-Nachfolger hat außer der vergessenen Anmeldung von Sarpreet Singh keine Spuren hinterlassen. Vom neuen Sportchef Tobias Werner hat man bis vergangene Woche gar nichts gehört.

Krisenmanagement durch Wegschauen?

Jetzt vernimmt man gerüchteweise, Werner habe bereits im Falle einer Niederlage in Kiel einen Putsch gegen den Jahn-Trainer geplant. Das sei Wochen später bekannt geworden und habe zu internen Querelen geführt, weshalb Werner nicht mehr auf der Bank und kaum mehr im Training zu sehen gewesen sei. Sollte das stimmen: Was ist das denn für ein Krisenmanagement? Probleme lösen, indem man den Kopf in den Sand steckt? Dabei wäre es seine Aufgabe gewesen, Lösungen für die offensichtliche Sturmflaute zu suchen, statt darauf zu vertrauen, dass Torwarttalent Jonas Urbig alleine die Kohlen aus dem Feuer holt.

Drei Tage vor dem Saisonende – gegen den HSV (3.), in Braunschweig und gegen Heidenheim (2.) – soll jetzt das bestehende Trainerteam mit Jonas Maier, Markus Palionis, Thomas Barth und Marco Langner das Oberpfälzer Fußballwunder bewerkstelligen. Hätte der Verein jetzt einen möglichen Wunderheiler wie Achim Beierlorzer in der Hinterhand – man könnte noch Verständnis für die Panikattacke des Vereins aufbringen.

Sportchef Tobias Werner lobte vor dem Heimspiel gegen Kaiserslautern am Sky-Mikrofon die Einstellung der Jahn-Kicker und gab Jahn-Trainer Mersad Selimbegovic Rückendeckung. Eine Notlüge? Bild: jrh

Jahn droht im Chaos zu versinken

Aber mit diesem Trainer-Harakiri droht der SSV Jahn im Chaos zu versinken, das Fußball-Regensburg aus den vergangenen Jahrzehnten nur allzu gut kennt: Mit welcher Mannschaft soll nach einem Abstieg mit einem Bruchteil der TV-Einnahmen geplant werden? Man darf gespannt sein.

Und sollten die Oberpfälzer dem Zweitliga-Tod tatsächlich noch einmal von der Schaufel springen: Seid bitte so gut, und schreibt euch das dann nicht auf die rot-weiße Fahne! Winzige Hoffnung bietet vielleicht noch die Tolpatschigkeit des HSV, den Aufstieg gerne im Schlussspurt zu verblödeln, die Tatsache, dass es für Braunschweig nur noch um die goldene Ananas geht und Heidenheim dann vielleicht schon aufgestiegen sein könnte.

* Diese Felder sind erforderlich.