Richter schickt Hass-Schreiber in KZ-Gedenkstätte

Weiden. Ministerpräsident Markus Söder hat Strafanzeige erstattet. Sein Mail-Postfach quoll im Lockdown über mit Beleidigungen, Drohungen, Antisemitismus. Der Verfasser: ein Mann (48) aus Weiden.

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Seine ganze Wut steckte ein Weidener in E-Mails an Ministerpräsident Söder. Foto: pixabay

Richter Hubert Windisch am Amtsgericht Weiden muss sich am Freitag die ganze Flut an Beleidigungen und Bedrohungen anhören. Eine Staatsanwältin aus München liest die Anklage vor. Bei der Generalstaatsanwaltschaft München (Zentralstelle für Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus) laufen Strafanzeigen von Mandatsträgern aus ganz Bayern zusammen.

Der Angeklagte hat 33 E-Mails an die direkte Adresse von Markus Söder geschickt. Die Nachrichten sind so heftig und derb, dass man sie nicht zitieren kann. Ganz grob: Der Ministerpräsident sei “Soros Jude” (in Anspielung auf US-Investor George Soros). “Soros-Juden gehören ins Gas.” Adolf hätte den “Frankenjauchehirnversager längst ins Minenkommando” geschickt. Seine “Ratten-Enkel” gehörten abgestochen. Und so weiter und so fort.

Anonym versandt

Das Büro des Ministerpräsidenten ist vermutlich allerhand gewohnt. In diesem Fall war im Januar 2021 Schluss. Nach drei Monaten Dauerbeschuss erstattete Markus Söder Anzeige wegen Bedrohung und Beleidigung. Die E-Mails waren über einen Tor-Browser anonym versandt. Die Ermittler kamen dem Schreiber trotzdem auf die Spur: in Weiden in der Oberpfalz.

Wer verzapft solche E-Mails? Vor Gericht sitzt am Freitag ein Weidener (48), erwerbsunfähig und psychisch angeschlagen. Der frühere EDV-Kaufmann lebt von Grundsicherung, die Miete zahlt das Jobcenter. Mit seinen Geschwistern ist er zerstritten. Er meidet soziale Kontakte. Selbst die Schlange an der Supermarktkasse erträgt er nicht. Psychotherapie lehnte er bisher ab. Er sehe seinen Fischen beim Schwimmen zu. “Das ist meine Therapie.”

Lockdown nicht verkraftet

Die Schmähschriften an den Ministerpräsidenten erklärt er mit dem Lockdown. “Ich war in einem Zimmer von 18 Quadratmetern eingesperrt.” Als er einmal nachts um 3 Uhr spazieren ging, kontrollierte ihn in die Polizei. Die Ausgangssperre habe bei ihm ein altes Kindheitstrauma aufgerissen. Als Kind habe ihn der alkoholkranke Vater in den Kartoffelkeller eingesperrt.

Die antisemitischen Inhalte seien eine “Fehlschaltung” gewesen. Er surfte damals auf der Homepage von Manfred Mannheimer herum, einem rechten Blogger, der judenfeindliche Verschwörungstheorien schürt. Die E-Mails seien Ausdruck seiner Verzweiflung gewesen. “Ich wollte mir Gehör verschaffen.” Er sei ein “extrem empahtischer Mensch” und habe sich für die Kinder einsetzen wollen.

Auflage: ein Besuch in Flossenbürg

“Wissen Sie, wie viele jüdische Kinder unter Hitler ums Leben gekommen sind?”, fragt ihn Richter Windisch. Die vage Antwort des Angeklagten: “Man kennt’s von den Spielfilmen her. Schindlers Liste und so.” Das ehemalige Konzentrationslager Flossenbürg habe er noch nie gesehen, sagt er auf Anfrage.

Das Urteil lautet am Ende auf ein Jahr Haft. Richter Windisch: “Ich habe gewisses Verständnis für Ihre damalige Situation. Aber das rechtfertigt nicht ansatzweise, was Sie geschrieben haben.” Es gibt Bewährung, aber mit Auflagen. So muss der Verurteilte mit seinem Bewährungshelfer die KZ-Gedenkstätte Flossenbürg besuchen. Zum anderen muss er nachweislich eine Psychotherapie beginnen.

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