Sensation acht Jahre nach Rio-Raub: Flüchtige Tatverdächtige festgenommen

Weiden/Grafenwöhr. Sensation, acht Jahre nach dem Rio-Raub in Grafenwöhr: Die Staatsanwaltschaft Weiden bestätigt auf Nachfrage von OberpfalzECHO die Festnahme von zwei Tatverdächtigen. Seit 2016 war nach Oleg B. (49) und Vadim C.(55) gefahndet worden.

Verhandlung Raubüberfall Grafenwöhr Landgericht Weiden26
Viktor C. (Mitte) war der erste der vier Haupttäter, der 2018 in Weiden vor dem Landgericht stand. Archivfoto: Kristina Mann

Anfang Februar gingen die beiden Moldawier bei einer Grenzkontrolle von Moldawien nach Rumänien der rumänischen Polizei ins Netz. Aktuell befinden sie sich in Auslieferungshaft. Schon nächste Woche sollen sie auf Ersuchen der Staatsanwaltschaft Weiden nach Deutschland überstellt werden. Am Landgericht Weiden könnte ihnen der Prozess gemacht werden.

Sie sollen zwei der vier Männer gewesen sein, die im April 2016 ein betagtes Paar (80 und 89) im Wohnhaus in Grafenwöhr brutal überfallen haben. Die Bande war aus Prag angereist, angelockt von Tippgebern aus der Region. Es ging damals das Gerücht um, dass der ehemalige Wirt eine Viertelmillion Euro aus dem Verkauf der “Rio”-Bar zu Hause aufbewahren würde. Es waren “Fake News”: Das Lokal war gar nicht verkauft. Das Paar hatte nur Ersparnisse in einer Blechdose daheim. Die Frau hatte zudem gerade zufällig 20.000 Euro für den Kauf einer Küche abgehoben. 

Nach zwei Tatverdächtigen lief die Fahndung

Vor Gericht mussten sich bislang nur zwei Täter sowie vier Beihelfer verantworten. Zunächst der Ukrainer Viktor C., der 2018 von der 1. Strafkammer am Landgericht Weiden unter Vorsitz von Richter Markus Fillinger zu zehn Jahren Haft verurteilt wurde. 2020 folgte der Prozess gegen den Ukrainer Oleksandr M., der erst nach der Verbüßung einer Strafe wegen ähnlicher Taten in Österreich überstellt worden war. Am Landgericht Weiden gab es für ihn weitere 7,5 Jahre Haft.

Bis dato fehlten die zwei weiteren dringend Tatverdächtigen: Oleg B. und Vadim C. Ihre DNA haftete an der Jacke des Gastwirts bzw. an der Strickweste der Frau. Gegen beide wurden europäische Haftbefehle ausgestellt.

Prager Polizei ließ sie laufen

Das Ärgerliche: Man hätte Oleg B. und Vadim C. längst gehabt. Die Männer waren schon einmal in Polizeigewahrsam. Sie befanden sich 2016 in der gleichen Prager Wohnung, in der tschechische Spezialkräfte den Haupttäter Viktor C. festnahmen. Damals wurden die Moldawier mit zur Polizei genommen.

Aber sie standen zu diesem Zeitpunkt nicht im Verdacht, am Überfall in Grafenwöhr beteiligt gewesen zu sein. Beide hinterließen Wohnadressen in Transnistrien (siehe Infobox) und gaben freiwillig DNA-Abstriche ab. Die Prager Behörden ließen sie laufen. Zu früh. Mehrere Wochen später meldete das Landeskriminalamt die DNA-Übereinstimmungen mit Grafenwöhr. Seither waren sie wie vom Erdboden verschwunden.

Der Tatort 2016. Vier vermummte Männer überfielen ein Ehepaar spätabends im Wohnhaus in Grafenwöhr. Foto: Masching

Lebensabend jäh zerstört

Werner Stopfer, Leiter der Polizeiinspektion Eschenbach, zeigt sich am Donnerstag hocherfreut über die aktuelle Festnahme, die späte Gerechtigkeit bedeuten könne. Der Überfall sei damals “die Hölle” für die Eheleute gewesen, die er beide kannte. Er könne sich noch gut erinnern, wohne selbst in der Nachbarschaft des Tatorts.

Die alten Herrschaften waren spätabends beim Fernsehen (“Bulle von Tölz”) von schwarz gekleideten Vermummten aus den Sesseln gerissen und zu Boden geschleudert worden. Sie wurden mit Handschellen und Kabeln gefesselt, über ihre Köpfe wurden Decken gestülpt. Der Senior erlitt bei dem Überfall einen Schlaganfall, seiner Frau wurde die Schulter gebrochen. Nichts war für das rüstige Paar danach mehr, wie es vorher war.

Eine der Töchter berichtete 2018 vor Gericht, dass die Senioren vor der Nacht so viel Angst hätten, dass sie aufblieben. “In der Früh, wenn es hell wird, gehen sie ins Bett.” Eine Ärztin bestätigte eine posttraumatische Belastungsstörung. Der 90-Jährige beginne heftig zu zittern, wenn er über die Tat sprechen müsse. Er leide sehr stark psychisch.

Anwalt begrüßt späte Gerechtigkeit

Anwalt Tobias Konze aus Weiden hatte damals das Ehepaar als Nebenklagevertreter begleitet: “Das ging mir unter die Haut.” Für die Vernehmung im Prozess hatte er Notärztin Dr. Gudrun Graf dazugeholt. Die alten Herrschaften wurden am Landgericht Amberg per Videoschalte aus dem Nebenzimmer zugeschaltet und hatten selbst dabei noch große Angst.

Konze erfuhr am Donnerstag mit Freude von der Festnahme der beiden ausstehenden Tatverdächtigen, auch wenn das letztlich für die geschädigten Senioren “keine Genugtuung” bedeuten könne. Der Gastwirt (Jahrgang 1926) ist inzwischen verstorben.

Ausgerechnet Transnistrien

Ihren Wohnsitz haben die beiden jetzt festgenommenen Moldawier 2016 in Transnistrien angegeben.

Transnistrien – was? Darin lag eine Schwierigkeit. Das moldawische Justizministerium konnte dem Landgericht Weiden 2018 nicht weiterhelfen. Man könne nicht einmal mit der Zustellung von Ladungen dienen. Man habe keinen Zugriff auf den abtrünnigen Landesteil Transnistrien.

Die selbst ernannte “Pridnestrowische Moldawische Republik” befindet sich bis heute außerhalb der Kontrolle der moldawischen Regierung. Es handelt sich um ein De-facto-Regime, das international ohne Anerkennung ist. Ein Land, das es nicht gibt. Quasi das “schwarze Loch” Europas. Aktuell ist Transnistrien in den Schlagzeilen, weil es Putin um „Schutz“ gebeten hat. In Erinnerung an die Annexion der Krim hat die Republik Moldawien aktuell größte Befürchtungen.

Die Tatverdächtigen wurden an der Grenze von Moldawien nach Rumänien festgenommen. Ihre Wohnadressen hatten sie vor acht Jahren in Transnistrien angegeben. Grafik: Openstreetmap https://www.openstreetmap.org/copyright/

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