Sie waren auf dem Weg zum Tanz: Geisterfahrer rammt vollbesetztes Auto

Regensburg. Es war ein Horrorunfall im November 2022. Ein Geisterfahrer (37) rammt auf der B85 zwischen Roding und Cham ein vollbesetztes Auto. Ein Landwirt aus dem Landkreis Neustadt/WN stirbt. Jetzt steht der Fahrer vor Gericht.

Amtsgericht Regensburg Geisterfahrer Josef Zanner
Der Geisterfahrer (links, Verteidiger Maxmilian Keser) steht vor dem Schöffengericht Regensburg. Die Angehörigen des Getöteten sind Nebenkläger. Foto: Christine Ascherl

Am 19. November 2022, kurz nach 20 Uhr, war das Leben von Josef Z. (46) zu Ende. Der Landwirt aus der Marktgemeinde Luhe-Wildenau war mit Freunden zum Tanzen im Bayerischen Wald verabredet. Die Vier – zwei Frauen, zwei Männer – bildeten ab Cham eine Fahrgemeinschaft. Auf der B85 nach Roding kam ihnen ein betrunkener Geisterfahrer mit geschätzt 100 km/h entgegen. Josef Z. starb noch an der Unfallstelle an seinen schweren Verletzungen.

Vorfreude auf den Tanzabend

Vor dem Amtsgericht Regensburg steht am heutigen Donnerstag der Verantwortliche: ein Bauarbeiter (37), groß und stämmig, angeklagt der fahrlässigen Tötung. Keine fünf Meter gegenüber sitzen die Angehörigen des Toten: die Mutter, die große Schwester, der kleine Bruder. Den Vater haben sie nicht dabei, er würde es nicht ertragen. Josef Z. wird allerorten als liebenswerter Mensch geschildert. Die Freunde im Auto nannten ihn liebevoll „Agrar-Sepp“. Mit großer Leidenschaft hatte er die Landwirtschaft vom Vater übernommen und ausgebaut.

An diesem Abend, den 19. November 2022, soll die Arbeit ruhen. Die Vier sind schon länger befreundet. Sie wollen zu einer Tanzveranstaltung in die Stadthalle Roding. In Cham steigen sie in den Toyota Auris einer Steuerfachangestellten (43) aus dem Landkreis Cham. Hinter ihr nimmt Josef Z. Platz, neben ihm eine Krankenschwester (42), am Beifahrersitz ein Technikermeister (51). Man plaudert übers Tanzen.

Etliche Beinaheunfälle

Zeitgleich fährt in Roding der Bauarbeiter (37) in einem VW Passat falsch auf die B 85. Die Bundesstraße ist dort ausgebaut wie eine Autobahn, vierspurig, mit einer Betonwand zwischen den Fahrstreifen. Riesige Warnschilder warnen Falschfahrer. Der 37-Jährige sieht sie nicht. Sein Blutwert ergab drei Stunden später noch 1,9 Promille.

Schon im Abfahrtkringel muss eine Fahrerin ausweichen. Sie ruft keine Polizei. Warum? „Ich war unter Schock.“ Am Ende ist er 10 Kilometer falsch unterwegs. Es kommt zu etlichen Beinaheunfällen.

Mutiger Fahrer aus Grafenwiesen

Vorbildlich verhält sich ein 30-Jähriger aus Grafenwiesen, der parallel zum Geisterfahrer auf der richtigen Seite der B85 nach Roding unterwegs ist. Er ruft die Polizei und versucht gleichzeitig, den Falschfahrer hinter der Betonwand aufmerksam zu machen. Er blendet auf, er hupt ihn an, er lässt sich zurückfallen, fährt wieder vor. Keine Reaktion. Drei Abfahrten verstreichen. Nach acht Minuten kommt es zum Zusammenstoß. „Ich sah noch die Scheinwerfer entgegenkommen. Dann war’s finster.“ Der Grafenwiesener wird zum Ersthelfer.

Im Auto spielt sich Dramatisches ab. Die Fahrerin schildert die letzten Sekunden. „Die Lichter kamen direkt auf mich zu.“ Sie habe noch versucht, nach links auszuweichen. „Dann hat es gescheppert.“ Der Toyota Auris ist von der Front nach hinten gestaucht. Keiner kann sich bewegen. Drei melden sich zu Wort, fragen nach den anderen. Einer antwortet nicht. Josef Z. kippt nach rechts zu seiner Nebenfrau.

Dünne Entschuldigungen

Die Krankenschwester hat ihn im Arm liegen, er blutet aus Nase, Ohren und Mund, ist bewusstlos. „Als Krankenschwester habe ich gemerkt, dass er das nicht schafft.“ Die 42-Jährige setzt einen Notruf ab. Die ersten Helfer rütteln an den Türen. Im Auto rufen sie: „Hinten links, hinten links.“ Josef Z. atmet da schon nicht mehr.

Für die Angehörigen, begleitet von Nebenklagevertreter Rouven Colbatz, ist es am Donnerstag ein schwerer Gang. Am Vormittag warten sie vergeblich auf Worte der Entschuldigung. Verteidiger Maximilian Keser räumt für den Angeklagten die Tatvorwürfe ein. Bei den Verletzten entschuldigt sich der Angeklagte im immer etwa gleichen Wortlaut: „Es tut mir sehr leid, ich hatte viele Probleme in dieser Zeit. Ich wollte das nicht.“

Schwerste Verletzungen

Alle Beteiligten waren schwerstverletzt. Die Fahrerin hinkt noch heute. Ihr Becken war gebrochen, Halswirbel und Kiefer. Der Kiefer konnte erst kürzlich operiert werden, weil der Halswirbel bisher zu instabil war. „Deshalb rede ich auch so undeutlich.“ Die Steuerfachgehilfin kann bis heute nicht arbeiten. Die Krankenschwester auf der Rückbank erlitt eine offene Bauchwunde, der Darm war zerrissen. Sie wurde sechsmal operiert. „Ich habe zwei Kinder, die haben fast die Mama verloren.“

Das Schöffengericht unter Vorsitz von Richterin Andrea Costa will am Nachmittag noch den Sachbearbeiter der Polizei und die Sachverständigen anhören, eventuell wird noch plädiert und ein Urteil gesprochen.

Die Angehörigen des getöteten Josef Z. sitzen dem Unfallfahrer schräg gegenüber. Foto: Christine Ascherl
Die Angehörigen des getöteten Josef Z. sitzen dem Unfallfahrer schräg gegenüber. Foto: Christine Ascherl
Der Geisterfahrer (Mitte) mit seinem Verteidiger Maximilian Keser. Foto: Christine Ascherl
Der Geisterfahrer (Mitte) mit seinem Verteidiger Maximilian Keser. Foto: Christine Ascherl

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