SSV Jahn in der Dritten Liga: Spitzenreiter nach Kartenorgie gegen VfB Lübeck

Regensburg. Vierter Sieg in Folge, für eine Nacht Tabellenführer: Für den SSV Jahn läuft es prächtig. Auf dem durchnässten Platz zeigen die Regensburger aber eines ihrer schwächsten Spiele gegen gleichwertige Lübecker. Im Mittelpunkt der zweiten Halbzeit ein Mann: Schiri Leonidas Exuzidis.

Viel Diskussionsbedarf: Schiri Leonidas Exuzidis zückt lieber Karten als zu kommunizieren. Foto: jrh

Den Schiri zum Buhmann zu erklären, ist eine billige Masche. Aber selbst mit viel gutem Willen muss man nach diesen 97 Minuten zwischen dem SSV Jahn Regensburg und dem gleichwertigen VfB Lübeck festhalten: Schiedsrichter Leonidas Exuzidis hat in der zweiten Hälfte die Kontrolle über das Spiel verloren.

Einem Spiel, das weder von besonderer Härte noch groben Unsportlichkeiten geprägt ist, muss man nicht mit zwölf Gelben, einer Gelb-Roten und einer Roten Karte bis zur Unkenntlichkeit den Spielfluss abgraben. Für die Regensburger, die nach einem dummen Querpass bereits 29 Sekunden nach Wiederanpfiff den Anschlusstreffer zum 1:2 (46.) durch Robin Velasco nach Doppelpass mit Tarik Gözüsirin kassieren, vielleicht sogar eine glückliche Fügung. Den Hanseaten aber wird dadurch der Elan, mit dem sie aus der Pause kamen, gründlich weggepfiffen.

Gelb-Rot für Einwurf-Irrtum

Mehr Fingerspitzengefühl, mehr Kommunikation statt Kartenzücken nach jedem gefühlten Zupfen oder vermeintlichen Verzögern, und es wäre ein normales Drittliga-Match statt des wilden Durcheinanders geworden. Bestes Beispiel für diese Unverhältnismäßigkeit: Der Gelb-vorbestrafte Louis Breunig nimmt sich die Kugel in der Meinung, der Jahn bekomme den Einwurf – Schiri Exuzidis schickt ihn deshalb mit Gelb-Rot vom Platz (71.). „Louis ist ein ganz fairer Spieler“, bewertet Jahn-Trainer Joe Enochs die Szene, „er dachte, dass wir Einwurf haben, im Nachhinein wird er mit Gelb-Rot bestraft.“

Wegen einer Lappalie, einem Missverständnis, hätte das Spiel kippen können. Das grenzt an Verzerrung durch Willkür. Den Spielfluss hat das auf alle Fälle endgültig zerstört, weil der Jahn anschließend verständlicherweise auf Zeit und Halten spielt. Dass auch Lübecks Leon Sommer nach Notbremse gegen den gerade erst eingewechselten Brian Hein glatt Rot wegen Notbremse sieht (79.), macht es kaum besser. Weil sich dann die Frage aufdrängt, warum Farrona Pulido für eine ähnliche Notbremse gegen Agyemang Diawusie nur Gelb bekommt (91.).

Rasim Bulic ist ein Bulle: Trotz genähter Kopfwunde spielt der Jahn-Fünfer ungerührt weiter. Foto: jrh

Jahn bleibt Pressing-Sieger

Fußball gespielt wird auch an diesem regnerischen Samstag. Und da zeigt der VfB Lübeck zunächst, warum der Aufsteiger trotz zuvor sieben sieglosen Spielen immer wieder viel Lob erntet. Die Gäste kombinieren sich gegen einen zurückhaltenden SSV Jahn, dessen Pressing nur ein Schatten der vergangenen Spiele ist, immer wieder in aussichtsreiche Positionen – etwa als Breunig in letzter Sekunde Gözüsirins Schuss im Strafraum zur Ecke blockt (10.) oder erneut Gözüsirins Pascal Breiers Ablage aus 18 Metern knapp über die Latte säbelt – der gerade noch rechtzeitig aus Bulgarien eingeflogene U21-Nationalkeeper Felix Gebhardt wäre mit Flugeinlage zur Stelle gewesen.

Die Gäste bringen sich dann allerdings mit leichten Fehlern im Spielaufbau binnen weniger Minuten vor der Pause um den möglichen Lohn: Noah Ganaus irritiert Mirko Boland, der sich den Ball zu weit vorlegt und einen hektischen Pass spielt, Christian Viet spritzt dazwischen, schickt Dominik Kother steil, der die Kugel cool mit links ins Netz schlenzt, 1:0 (41). Während noch Rasim Bulic‘ Kopfwunde genäht wird, und der Jahn zum ersten Mal in Unterzahl die Führung in die Pause retten will, leitet Oscar Schönfelder den nächsten Konter über Ganaus ein, der die Kugel unwiderstehlich mitnimmt, sein Tempo nutzt, drei Verteidiger austänzelt und nur an Keeper Philipp Klewin scheitert – die Fußabwehr landet beim mitgelaufenen Schönfelder, der eiskalt vollstreckt, 2:0 (48.).

Im Hinspiel erfolgreich, am Samstag gesperrt: Dominik Kother freut sich über seinen Führungstreffer für den SSV Jahn gegen den VfB Lübeck. Foto: jrh

VfB-Trainer: „Zwei Fehler war einer zu viel“

VfB-Trainer Lukas Pfeiffer, der während des Spiels mit düsterer Miene an der Linie entlang tigerte, trauert den vergebenen Möglichkeiten in der ersten Hälfte hinterher: „Bis zum 1:0 war es ein richtig gutes Auswärtsspiel von uns, zwei Umschaltmomente kurz vor der Pause machen das zunichte.“ Dann sei man richtig gut aus der Pause zurückgekommen, auch hinten raus noch mal gefährlich geworden, habe sich aber auch ein wenig anstecken lassen von einem wilden Spiel. „Ich finde es schade, dass wir die Struktur aufgeben, nicht mehr so klar über die Flügel spielen.“ Klar sei es frustrierend, dass trotz starker Leistungen kein Ertrag verbucht werden kann. „Vor allem auch für unsere Fans, die durch die ganze Republik fahren – zwei Fehler war einer zu viel.“

Jahn-Coach Joe Enochs, der nach seinem 91. Drittliga-Sieg als Trainer mit Frank Schmidt gleichzieht und nun auf Platz 5 dieses überflüssigen Rankings steht, freut sich gleichwohl über den dreckigen Sieg: „In den ersten 30 Minuten war ich etwas unzufrieden, dann haben wir das auf den Platz gebracht, was wir wollten, und haben eiskalt getroffen.“ Das 2:0 habe man lange halten wollen: „Und dann klingelt’s nach 29 Sekunden“, sagt er grinsend. Was dem Sportsmann gar nicht gefiel: „Die Unsportlichkeiten, den Ball wegschießen, das wollen wir nicht, das sind wir nicht.“ Mit der Spielweise sei er auch nicht ganz einverstanden, „weil wir heute nicht an die Leistungsgrenze gegangen sind“. Weniger über die Ein-Tages-Tabellenführung, sondern mehr, „dass wir uns ein wenig da oben festsetzen“, freut er sich, aber: „Die Saison ist noch lang.“ Etwa am nächsten Samstag in Halle.

Was hecken Sportchef Achim Beierlorzer (links) und Jahn-Trainer Joe Enochs gegen den VfB Lübeck aus? Foto: jrh

SSV Jahn gegen VfB Lübeck im Schnelldurchlauf

  • Bessere Chancen zu Beginn für Lübeck: Tarik Gözüsirin (23.), Pascal Breier (28.) und Florian Egerer (30.) scheitern aus aussichtsreicher Position.
  • Dominik Kother macht es nach Christian Viets Balleroberung und Steckpass besser und besorgt das 1:0 (41.).
  • Oscar Schönfelder bedient Noah Ganaus, der scheitert aus zehn Metern an Keeper Philipp Klewin, der mitgelaufene Schönfelder vollstreckt zum 2:0 (45.+3).
  • Nach üblem Querpass vor dem eigenen Strafraum stochert im zweiten Anlauf Robin Velasco die Kugel 25 Sekunden nach dem Wiederanpfiff über die Linie, 2:1 (46.).
  • Rudelbildung in der 54. Minute: Zuerst versucht Gözüsirin vergeblich, die Jahn-Rakete Konrad Faber mit offener Sohle von hinten zu stoppen, dann vollendet Sören Reddemann den Bremsvorgang erfolgreich und sieht Gelb – empörte Regensburger wollen mehr.
  • Das soll sich erfüllen, wenn auch anders als gedacht: Acht weitere Gelbe Karten, Gelb-Rot gegen Louis Breunig (71.) sowie Rot für Lübecks Leon Sommer nach Notbremse folgen (79.).
  • Vor den Toren passiert wenig: Der eingewechselte Robin Ziegele drischt Farona Pulidos Bogenlampe von der Linie (87.). Klewin pariert gegen Agyemang Diawusie Schuss aus spitzem Winkel (90.).

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