Echo-Inflations-Podium: Das muss die neue Regierung umsetzen

Neuhaus. Politik ist keine Einbahnstraße. Und eine Demokratie ist keine Expertokratie. Deshalb ist es gut, wenn Experten der Politik, und die Politiker den Experten und den Bürgern zuhören. Noch besser, wenn gute Ratschläge auch beherzigt werden. Einen Versuch ist es wert beim Bahler-Zoigl.

OTH-Vize-Präsidentin Christiane Hellbach, am Podiumstisch mit Bauunternehmer Otto Pravida (links) und VR-Bankvorstand Thomas Ludwig (rechts), bringt bei der Echo-Wahlinitiative die zwei Themen Inflationsbekämpfung und Nachhaltigkeit zusammen. Foto: Martin Zimmer

Ein Experten-Quartett aus Wirtschaft und Wissenschaft, aus Theorie und Praxis hat bei der Echo-Wahlinitiative beim Bahler das Thema Inflation aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet – zuerst mit Impuls-Vorträgen, anschließend in der Podiumsdiskussion:

  • Lars Engel, Vorstand BHS Corrugated: „Wir haben keine Inflation, keine Rezession, sondern eine Stagnation. Drei Eckpunkte für die Politik“ (Videobotschaft).
  • Thomas Ludwig, Vorstand der VR Bank Nordoberpfalz: „Spare in der Zeit, dann hast du in der Not – oder investiere antizyklisch: Was empfiehlt der Genossenschaftsbanker in der heutigen Situation?“
  • Prof. Dr. Christiane Hellbach, OTH-Vizepräsidentin: Als Leiterin des Instituts für Nachhaltigkeit und Ethik ist Ressourcenbewusstsein für die Professorin der Weidener Business School auch ein Ansatz, um inflationären Tendenzen gegenzusteuern.
  • Otto Pravida, Bauunternehmer aus Pressath: „Was machen die Baupreise so teuer – und wie kann man gegensteuern?“

Am Ende der Podiumsdiskussion (Langversion im Video darunter) schließt sich der Kreis mit Wünschen an eine neu zu wählende Bundesregierung und konkreten Empfehlungen an die Politik vor Ort. „Wenn ich mir was wünschen dürfte …“, lautete die letzte offene Frage an das Podium.

Pravida: „Planungssicherheit ist das Wichtigste“

Bauunternehmer Otto Pravida: „Wenn ich einen Wunsch freihätte, dann würde ich mir von der nächsten Regierung wünschen, dass sie versucht, das, was die letzte Regierung in den letzten Jahren entwickelt hat, auf den Prüfstand zu stellen – und mal zu schauen, was für Unsinn dabei herausgekommen ist und hier wieder zurück zu vernünftigen Lösungen zu kommen.“

Und die neue Regierung solle nicht nur nachhaltig sprechen, sondern auch nachhaltig handeln. Für ihn als Unternehmer sei Planungssicherheit das Wichtigste. Ob eine Entscheidung gut oder schlecht für einen sei, sei mal dahingestellt: „Man muss sich darauf einstellen können.“

Ludwig: „Mehr Klarheit – und danach handeln“

VR-Bank-Vorstand Thomas Ludwig: „Mein Wunsch ist Klarheit – Klarheit in den Botschaften, Klarheit in den Ansichten und dann auch danach handeln.“ Damit könne man das Vertrauen der Bevölkerung zurückgewinnen. „Die Menschen sind viel sensibler und oft viel klarer in ihrem Denken, als die politischen Mandatsträger oft meinen.“

Man könne den Bürgern ruhig reinen Wein einschenken und die wirklich wichtigen Themen besprechen: „Und da gibt’s ja so viele, ob das die Nachhaltigkeit, die private, gesetzliche oder betriebliche Altersvorsorge ist.“ Welche Töpfe stehen dafür zur Verfügung? „Weil ich glaube, dass dann auch die Mitte deutlich gestärkt wird, wenn Politiker antreten, denen man es zutraut, dass das, was gesprochen wird, auch umgesetzt wird.“

Hellbach: „Investition in anwendungsorientierte Forschung“

OTH-Vizepräsidentin Christiane Hellbach: „Ich habe schon einen konkreten Wunsch, weil die Grenzen des Wachstums, drängende Fragen der Biodiversität, des Klimawandels, der Erderwärmung und der nachhaltigen Entwicklung aufgeworfen wurden, glaube ich, dass wir als Land uns einen großen Gefallen täten, wenn wir hier viel in Forschung und Entwicklung stecken würden.“ Und zwar in eine Forschung und Entwicklung, die auch anwendungsorientiert sei, also zusammen mit Unternehmen und gesellschaftlichen Gruppen.

„Es geht ja nicht nur um die Frage, was machen wir, sondern auch, wie machen wir es – und das muss begleitet werden in der sozialen Ebene, und diese Fragen müssen mit erforscht werden, weil wir sehen, dass es auch zu heftigen Diskussionen und zur Spaltung führen kann in unserem Land.“

Echo: „Demokratie ist schön, macht aber viel Arbeit“

Echte Lösungen erreicht man nicht durch Besserwisserei, durch Shitstorms in den Sozialen Medien und auch nicht durch das beliebte Politik-Bashing aller gegen alle. Echte Lösungen erreicht man, wenn man sich die Fakten ohne Scheuklappen ansieht, und auf deren Basis Vorschläge ausarbeitet, sich zuhört und versteht, welche Bedenken der jeweils andere einbringt. Es ist wie mit Karl Valentins abgewandelten Satz über die Kunst: Demokratie ist schön, macht aber viel Arbeit.

Und jeder, der in einem Verein engagiert ist, weiß, wie mühsam es selbst in einem kleinen Kreis sein kann, Kompromisse auszuhandeln. Das gilt umso mehr für ein Land mit 80 Millionen sehr unterschiedlichen Menschen – Unternehmern und Arbeitnehmern, Reichen und Armen, Tüpferlscheißern und Künstlern, Eingeborenen und Zuagroasten. Aber genau das bedeutet Demokratie: eine Zivilgesellschaft, die sich einmischt, ohne andere über den Tisch zu ziehen.

Hubert Schicker, Direktkandidat der Freien Wähler. Foto: Jürgen Herda

Freie Wähler: „Mehr Vertrauen in Unternehmer wagen“

Hubert Schicker, Direktkandidat der Freien Wähler: „Wir haben die unkomfortable Situation, dass wir im Moment nicht im Bundestag vertreten sind, aber die Wahlrechtsreform hilft uns – die drei Direktmandate, glauben Sie mir, die holen wir uns und werden in den nächsten Bundestag einziehen.“ Aber das sei nicht das Thema. „Wir kämpfen seit 30 Jahren für eine Umgehungsstraße in Waldsassen“, erklärt Schicker, warum er die Diskussion für die Reaktivierung der Kernkraft für müßig hält. „Vergessen wir das, wir kriegen in Deutschland kein Kernkraftwerk mehr hin.“ Wenn schon der Widerstand gegen eine Straße so ausdauernd sei, könne man sich das bei einem AKW ausmalen.

Er selbst sei Unternehmer und Bauer: „Von Bürokratie können wir ein Lied singen.“ Man brauche eine funktionierende Bürokratie und Verwaltung: „Aber was wir vor allem brauchen, ist, dass wenn man neue Verordnungen erlässt, denjenigen, die diese Verordnung umsetzen müssen, Vertrauen zu schenken.“ Schließlich müsse auch niemand dokumentieren, ob er bei Rot, Grün oder Gelb über eine Ampel gefahren sei. Unternehmer aber müssten jeden Handgriff belegen.

Der dritte Punkt: „Wenn wir über den Klimawandel sprechen, da dürfen wir nicht aufhören, dagegen zu kämpfen – das müssen wir schaffen.“ Und auch da sage er als Landwirt, dürfen man nicht gegenseitig mit dem Finger aufeinander zeigen: „Wir müssen gemeinsam, von den Verbrauchern über die Industrie bis zur Landwirtschaft einen Weg finden.“ Er sei davon überzeugt, wenn Deutschland diesen Weg vorangehe als Land der Forscher und Entwickler und diese Technologie exportiere, dass „wir dann eine echte Chance haben“.

Theo Klotz, Direktkandidat der FDP. Foto: Jürgen Herda

FDP: „Schicksal selbst in die Hand nehmen“

Theo Klotz, Direktkandidat der FDP: „Weil vorhin das Stichwort Inaugurationsveranstaltung von Trump gefallen ist – man kann über den Typen sagen, was man will. Der ist ein bisschen irre, da brauchen wir nicht drüber zu reden. Aber was er dem Land vermittelt hat, ist, und deshalb ist er auch gewählt worden, mit absoluter Mehrheit und auch von den Bundesstaaten, eine Aufbruchstimmung, eine Vision.“ Und welche Vision habe man hier in Deutschland? „Wenn ich bei mir die Mitarbeiter frage – ,na ja, ich habe noch 10 Jahre und dann gehen wir mal in Rente, der Staat kümmert sich schon‘.“ Das sei keine Vision, um ein Land aufzubauen.

Eine planwirtschaftliche Ideologie habe in den vergangenen Jahren gedacht, der Staat könne es besser. „Aber der Staat kann es nicht besser, da sitzen nicht die schlaueren Leute – egal welcher Partei.“ Die seien nicht schlauer als Unternehmer und könnten auf dem Markt nicht so agieren, um ein Land auf Vordermann zu bringen. „Wenn ich jetzt jemandem sage, du sollst eine Stunde länger arbeiten, und er kriegt einen 50er, dann bleiben ihm von dem 20 Euro übrig.“ Zu wenig Motivation.

Man habe kluge Köpfe hier an der OTH: „Es kann nicht sein, dass 200.000 hoch ausgebildete Akademiker oder Unternehmer ins Ausland gehen – die müssen wir hier halten.“ Man brauche zweifellos auch Zuwanderung, aber keine ungesteuerte Migration. „In diesem Land ist so ein Mehltau entstanden die vergangenen Jahre, wir müssen gucken, dass wieder jeder selbst sein Schicksal in die Hand nehmen kann – das ist eine klassische FDP-Forderung.“

Fritz Möstl, ehemaliger SPD-Landtagsabgeordneter. Foto: Jürgen Herda

SPD: „Zugeständnisse gehören zur Demokratie“

Fritz Möstl, ehemaliger SPD-Landtagsabgeordneter: „Ich bin heute kein offizieller Vertreter der SPD“, erklärt der Eslarner Bundesverdienstkreuzträger. Er vertrete den Direktkandidaten Gregor Forster, der wegen einer seit langem anberaumten anderen Veranstaltung verhindert sei. „Ich bin seit 50 Jahren Ortsvereinsvorsitzender der AWO in Eslarn und habe dort, wenn Sie so wollen, ein Unternehmen aufgebaut von einem Seniorenclub bis zu einer ambulanten Pflege und Tagespflege.“

Vieles, von dem, was heute gesagt worden sei, klinge für ihn nach Mottenkiste: „Wenn man immer nur, wenn es kritisch wird, nach dem Staat ruft, und in guten Zeiten sagt, ,Staat, wir brauchen dich nicht‘, dann halte ich das für unangebracht.“ Wenn er sehe, welche Gefahr vom rechten Rand ausgehe, „müssten sich die Demokraten eigentlich mehr zusammenraufen“. Sich zusammensetzen und eine Lösung finden und Zugeständnisse machen, sei das Wesen einer Demokratie.

Und um das unter Beweis zu stellen, unterstütze er den Vorschlag von Lars Engel nach einer 40 Stundenwoche ohne Lohnausgleich: „Das ist ein wohlgemeinter Vorschlag, den man auch diskutieren muss, und es hängt auch mit der Leistungsfähigkeit unseres Staates zusammen.“ Mit Schlagworten wie Work-Life-Balance komme man auch im Bereich der Pflege nicht weiter. Und was Bürokratie bedeute, erfahre er als AWO-Chef oft genug – etwa, wenn ein Kreisbrandmeister meine, die Qualifikation eines Hausmeisters reiche nicht aus, um einen Brandmelder zu kontrollieren.

Laura Weber, Grünen-Landtagsabgeordnete. Foto: Jürgen Herda

Grüne: „Energiewende ein riesiger Innovationsmotor“

Laura Weber, Grünen-Landtagsabgeordnete: „Ich bin übrigens auch keine Berufspolitikerin“, wehrt sich die frühere OTH-Angestellte und Instituts-Geschäftsführerin. „Christiane Hellbach kenne ich tatsächlich schon von den allerersten Momenten an der Hochschule – ich habe studiert, als ich zwei Kinder hatte, und da hat sie mich sehr unterstützt.“ Von daher wisse auch sie, was Bürokratie bedeute: „Hut ab, vor den Unternehmern, es ist wirklich eine Riesenleistung, nach Corona, Krieg und Inflation, alles zu schaffen, auszubilden und in der jetzigen Lage noch Gewinne zu erzielen.“

Gerade als Exportnation sei man bei der derzeitigen Weltwirtschaftslage besonders betroffen. „Was ich hier in der Diskussion schwierig finde, dass man sehr viel über die Probleme redet, sehr viel darüber, was nicht geht, was wer falsch gemacht hat.“ Deshalb sei sie dankbar, dass von Hellbach auch einige positive Aspekte aufgezeigt wurden: „Dass die Reallöhne steigen, dass auch untere Leistungsgruppen mit mehr rauskommen.“ Das müsse man auch rausstellen. „Das hat Christian Engel sehr gut dargelegt, dass wir auf unsere Stärken setzen, dass wir Mut haben müssen.“

Es gebe zum Beispiel ein Münchener Startup, das 5 Milliarden Euro wert sei: „Das ist so viel wert, wie die ganze Stahlindustrie in Deutschland.“ Die Energiewende sei ein riesiger Innovationsmotor für Deutschland: „Noch dazu die einzige Möglichkeit, wirklich unabhängig und klimaneutral zu werden, ganz anders als etwa bei der Atomkraft – zeigen Sie mir bitte einen seriösen Ökonomen, der sagt, der Neubau von Atomkraftwerken lohnt sich.“

Benjamin Zeitler, CSU-Fraktionsvorsitzender im Weidener Stadtrat. Foto: Jürgen Herda

CSU: „Die nächste Regierung hat zu liefern“

Benjamin Zeitler, CSU-Fraktionsvorsitzender im Weidener Stadtrat: „Ich bin seit 23 Jahren in der Kommunalpolitik tätig – und dort versuchen wir eigentlich immer die große Politik außen vorzulassen.“ Im Kontext der Bundestagswahl wolle er über das Essentielle sprechen, was in Teilen der Gesellschaft verloren gegangen sei: „Nämlich das Vertrauen in die Politiker oder die Politik.“ Deshalb brauche man wieder Wahrheit und Klarheit: „Was bewegt die Menschen gerade am meisten? Das Thema Wirtschaft, das Thema Migration und das Thema Sicherheit.“

Kein Vertrauen in die Wirtschaft: „Das zweite Jahr in Folge haben wir eine Rezension – das hatten wir das letzte Mal unter Schröder und sonst nie in der Bundesrepublik.“ Warum sei man wieder Schlusslicht in Europa wie 2005? „Wir erleben es in der Kommunalpolitik in vielen Facetten, wo man mit Problemen allein gelassen wird.“ Und natürlich müsse man auch darüber sprechen, wo das Geld herkommen soll, um die Probleme zu lösen. „Man kann in Weiden nicht behaupten, ,ich kann alles bauen, das kann ich im Bund auch nicht machen.“

Mit Friedrich Merz stehe einer an der Spitze der Union, der es nicht mehr nötig habe, der es aus Überzeugung mache. „Auch ein Albert Rupprecht macht es aus Überzeugung seit 22 Jahren hier für die Region.“ Sie würden diese Antworten liefern, mit Ehrlichkeit und Klarheit, ohne um den heißen Brei herumzureden. Umgekehrt brauche es das Vertrauen der Politik in die Menschen. „Das ist die große Aufgabe in der Bundestagswahl, von allen demokratischen Parteien zu beweisen, dass man das kann und dann hat die nächste Regierung zu liefern und diesem Vertrauen gerecht zu werden.“

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