Christiane Hellbachs Ruck-Rede: Wirtschaftliche Chancen durch nachhaltige Innovation
Neuhaus. Schwarz-Weiß-Denken hilft in der komplexen Wirklichkeit so wenig wie Rot, Grün, Gelb oder gar Blau. Es zählen die Fakten. OTH-Vize-Präsidentin Christiane Hellbach analysiert kühl die inflationstreibenden wie auch inflationshemmenden Effekte der Energiewende.

Das Thema Klima-Erwärmung löst bei manchen Zeitgenossen ähnliche psychosomatische Allergien aus wie der vorübergehende Verzicht der Grußformel „Meine Damen und Herren“ in den Nachrichten, das Gendern oder der Veggie-Burger.
Dabei gibt es existenziellere Gefährdungen als die Frage, wer wann und warum seinen Döner auf TikTok verspeist. Die globale Erwärmung löst sich nicht in Wohlgefallen auf, weil Öl-Milliardäre, und der Facebook-Stammtisch den Unterschied zwischen Wetter und Klima nicht wahrhaben wollen.
Ressourcensparen spart auch Geld
Stichwort Ahrtal-Katastrophe: Die globale Erwärmung gefährdet Menschenleben, vernichtet Eigentum und Werte und darf deshalb auf der wirtschaftspolitischen Agenda keine Leerstelle sein. Wir haben deshalb Professor Christiane Hellbach um ein Impulsreferat gebeten, das beide Themen zusammen denkt.
Die Vizepräsidenten der OTH Amberg-Weiden ist nämlich auch Leiterin des Instituts für Nachhaltigkeit und Ethik. Dass ein munteres „Weiter so“ bei der Vergeudung von Ressourcen kein probates Mittel gegen Inflation und Geldentwertung sein dürfte, weiß auch die sprichwörtliche schwäbische Hausfrau. Als Wissenschaftlerin mit Akzent auf Praxisbezug kann Hellbach aber darüber hinaus auch die Chancen nachhaltigen Wirtschaftens für die Wertschöpfung in der Region erläutern.
Inflationstreibend und inflationsdämpfend
Zugegeben, der Zusammenhang zwischen Nachhaltigkeit und Inflation erschließt sich erst auf den zweiten Blick: „Ich beginne mal mit dem inflationstreibenden Argument der Energiewende, die ja in aller Munde ist und auch politisch viel diskutiert wird“, führt Christiane Hellbach in ihre Betrachtung ein. „Die Steigerung der Energiepreise führt bei den Unternehmen zu höheren Kosten.“ Dadurch stiegen auch die Preise der Produkte.
Im Bereich der Bio-Lebensmittel seien die Abverkäufe rückläufig, weil die Inflation in den Jahren 2020 bis 2023 relativ hoch und weniger Geld bei den Konsumenten im Geldbeutel war. Schließlich sei die Herstellung in der biologischen Landwirtschaft arbeitsintensiver und der Ertrag etwas kleiner, also münde das in etwas höhere Preise.
Auch wenn die Preise bei Biolebensmitteln weniger stark gestiegen sind als bei anderen Lebensmitteln. Professorin Christiane Hellbach
Kostenvorteile durch Einsparungen
Aber auch psychologische Faktoren spielten bei der Inflation und in unseren Märkten eine Rolle. Hier könne Nachhaltigkeit inflationsdämpfend wirken: „Ich leite ja seit neun Jahren das Institut für Nachhaltigkeit und Ethik an unserer Hochschule, und wir haben schon vor einigen Jahren als eine der wenigen Hochschulen in Bayern ein Umweltmanagement System nach der Iso-Norm 14001 eingeführt.“
Aufgrund der daraus gewonnenen Kenntnisse habe die OTH die wichtigsten Energiefresser identifiziert. „Im Energieverbrauch haben wir unseren Anteil an eigenproduzierten Strom deutlich gesteigert und konnten damit massiv und deutlich unsere Kosten senken“, sagt Hellbach. Diese Kostensenkungseffekte könnten auch im Energiesektor an die Verbraucher weitergegeben werden.
Gerade in wettbewerbsintensiven Branchen wie dem Handel – und gerade die Lebensmittelindustrie ist wahnsinnig wettbewerbsintensiv – wird das natürlich weitergegeben, um Kaufanreize zu setzen. Professorin Christiane Hellbach

Chancen für innovative Konzepte
Nachhaltigkeit biete aber auch Chancen für innovative Konzepte, die man dringend benötige, um die nachhaltige Entwicklung in unserem Land voranzubringen. „Da können Geschäftsmodelle entstehen, die nachhaltig in unseren Märkten bestehen und auch im internationalen Kontext wettbewerbsfähig sein können.“ Das führe auch zu einer Stabilisierung der Wirtschaft und wirke sich damit dämpfend auf die Inflation aus.
Das sehe ich als Chance für unser Land, dass hier in unseren Märkten oder auch durch Forschung und Entwicklung im Transfer aus den Hochschulen heraus Innovationen für die nachhaltige Entwicklung entstehen, die unsere Wirtschaft stärken können. Professorin Christiane Hellbach
Klima? Von wegen grünes Schönwetter-Thema
Das Hochwasser der Ahr am 21. Juli 1804 kostete 63 Menschen das Leben und richtete schwere Verwüstungen an. Viele Häuser wurden von der Flut mitgerissen. Das Hochwasser an der Ahr vom 13. Juni 1910 verzögerte den Ausbau der Ahrtalbahn und zerstörte Gerüste, Kantinen und fast alle Straßenbrücken. Hochwasser im Ahrtal gab es also schon immer? Natürlich. Aber deren Zahl und Heftigkeit hat dramatisch zugenommen.
Die europäische Flutkatastrophe von 2021 forderte in Deutschland 188 Todesopfer und allein 766 Verletzte in Rheinland-Pfalz. 17.000 Menschen verloren durch das Hochwasser Häuser und Eigentum. Von mehr als 3000 beschädigten Gebäuden wurden mindestens 467 völlig zerstört. Anfang 2022 schätzte die Landesbehörde Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion den Gesamtschaden durch das Hochwasser in Rheinland-Pfalz auf 15 Milliarden Euro.
Carl-Friedrich Schleussner, Forschungsgruppenleiter am Geografischen Institut der Humboldt-Universität zu Berlin, erklärte, es stelle „sich nicht mehr die Frage, ob der Klimawandel dazu beigetragen hat“. Es sei nur noch fraglich, „wie viel“ er beigetragen habe.
Auch wenn die Klimaerwärmung bei der politischen Debatte derzeit bei vielen unerwünscht und bei der Prioritätensetzung unter ferner liefen hinter der Migrations- und Wirtschaftspolitik angesiedelt wird – sie lässt sich nicht wegdiskutieren. Und sie ist vor allem kein Schönwetterthema. Ganz im Gegenteil. Sie gefährdet nicht die Natur, sondern Menschenleben, vernichtet Eigentum und Werte und gehört somit ins Zentrum wirtschaftspolitischer Strategien.
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