Bildungs-Demo: Eltern, Lehrer und Schüler protestieren für bessere Schulen

Weiden/München. Mehr als 180 Organisationen riefen am Wochenende zum bundesweiten Bildungsprotest auf. Eltern- und Lehrerverbände kritisieren Personalmangel und Unterrichtsausfall. Auch die Weidener SPD-Landtagskandidatin Nicole Bäumler fordert eine Bildungswende.

Initiatoren des Bündnisses „Bildungswende Jetzt!“ fordern einen nationalen Bildungsgipfel „auf Augenhöhe“, mehr Inklusion in Schulen und Kitas sowie eine bessere Ausbildung für Pädagogen. Bild: jrh

Verkehrte Welt: Während auf Facebook und X, vormals Twitter, mit großem Furor über das Gendern, Wokeness und die Umbenennung von Straßen gestritten wird, scheint die Zukunft unserer Kinder die Mehrheit im Freistaat gleichgültig zu lassen.

Im neuen Bildungsbarometer des Münchner Ifo-Instituts geben 41 Prozent der Befragten in Bayern den Schulen Top-Noten – im letztplatzierten Bundesland Nordrhein-Westfalen gerade einmal 20 Prozent. „Wir sehen durch die Bank eine etwas größere Zufriedenheit der Bayern mit den Schulen“, sagt Ludger Wößmann vom Ifo-Institut. Dennoch gebe es in vielen Bereichen große Herausforderungen.

Sondervermögen für Bildung gefordert

Bayerns Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) lehnt sich deshalb entspannt zurück, da vieles, was gefordert werde, in Bayern längst umgesetzt sei. Die Initiatoren des Bündnisses „Bildungswende Jetzt!“ sehen das anders. Von der Bundesregierung fordern sie ein Sondervermögen für Bildung in Höhe von mindestens 100 Milliarden Euro. Was für die Bundeswehr recht sei, müsse auch für die Schüler billig sein. Außerdem auf dem Wunschzettel: Ein nationaler Bildungsgipfel „auf Augenhöhe“, mehr Inklusion in Schulen und Kitas sowie eine bessere Ausbildung für Pädagogen.

„Wir plädieren für ein flexibleres Stufenmodell, bei dem man sich später für eine Schulart entscheiden kann“, sagt Manuel Sennert, BLLV-Bezirksvorsitzender im Redaktionsgespräch mit OberpfalzECHO. Ein beträchtlicher Teil der Referendare gehe dem bayerischen Schulsystem verloren. „Zirka ein Drittel der Referendare kommen gar nicht im System an.“ Es gebe zwar Orientierungspraktika, in denen man sich die Schularten anschauen kann. „Aber Menschen entwickeln sich weiter.“ Man müsste an mehreren Stellen umsteigen können.

Nicole Bäumler, Weidens SPD-Kandidatin für den Landtag. Foto: Jürgen Herda

Bäumler fordert praxisorientierte Lehramtsausbildung

Damit tritt Sennert bei der Weidener SPD-Landtagskandidatin Nicole Bäumler offene Türen ein. „Die Lehramtsausbildung müsste praxisorientierter sein“, sagt die Lehrerin an der Berufsschule Schwandorf. „Ich habe noch nach der alten Prüfungsordnung studiert, bei der nur rudimentär Didaktik- und Pädagogik-Anteile vorgesehen waren.“ Die Folge: „Viele Lehramtsstudenten haben sich den Beruf anders vorgestellt und verabschieden sich aus dem System.“

Sie habe nichts gegen das Konzept, „Leute, die nicht Lehramt studiert, aber eine pädagogische Weiterbildung haben oder bereit sind, sich pädagogisch weiterzuqualifizieren“, für die Schule zu gewinnen: „Sie können gute Lehrer werden.“ Was aber nicht funktioniere: „Einfach Menschen mit einer Berufsausbildung vor die Klasse zu stellen und zu glauben, der Rest ergibt sich von selbst.“ Sie habe auch erst im Referendariat gelernt, Lehrer zu sein.

Gemeinschaftsschule gegen Facharbeitermangel

Wie auch der BLLV wünscht sich Bäumler ein flexibleres Stufenmodell, bei dem man sich später für eine Schulart entscheiden kann. „In Baden-Württemberg wurden sukzessive Gemeinschaftsschulen eingeführt“, beschreibt sie das Modell, das im SPD-Wahlprogramm steht. „Das Zusammengehörigkeitsgefühl wird gestärkt.“ Außerdem sieht sie darin auch eine Chance, dem Facharbeitermangel zu begegnen. „Im Gymnasium ist die Ausbildung aufs Studieren fokussiert, hier könnte man stärkere Anreize für die berufliche Ausbildung setzen.“

Man könne es sich schlicht nicht mehr länger leisten, junge Menschen im Bildungssystem scheitern zu lassen. Das dreigliedrige Schulsystem will die SPD-Kandidatin nicht abschaffen. „Wir könnten aber parallel eine Gemeinschaftsschule einführen, die die Stärken der Kinder individuell fördert und die auch die Möglichkeit bietet, mit den Kindern und Jugendlichen individueller an ihren Schwächen zu arbeiten, um sie bestmöglich auf ihrem Weg zum Schulabschluss zu begleiten.“

Und vor allem müsse Schluss sein mit der engen Personalberechnung und den immer weiter zunehmenden Zusatzaufgaben: „Die hohe Arbeitsbelastung führt immer wieder zu krankheitsbedingten Ausfällen. Im besten Fall kann vertreten werden – im schlimmsten Fall muss der Unterricht entfallen. Dann fehlt den Schülern zum einen die Lernzeit und zum anderen kann der Unterrichtsausfall berufstätige Eltern bei fehlender Kinderbetreuung in eine Zwickmühle bringen.“

SPD-Landtagskandidatin Nicole Bäumler: Von Obama fasziniert

Nicole Bäumler wuchs in Schirmitz auf, machte ihr Abitur in Weiden. Anschließend verbrachte sie ein Jahr als Au-pair in Arlington, Virginia – am Ort des berühmten Nationalfriedhofs und Standort des Pentagons. „Mit meiner Gastfamilie habe ich mich super verstanden“, sagt die heute 36-Jährige. „Das war ein junges Paar mit einer drei Monate alten Tochter.“ Der Gastvater habe im Marine-Corps gedient, die Gastmutter war in einer Anwaltskanzlei für Patentrecht beschäftigt.

Die Weidener SPD-Landtagskandidatin hatte zudem das Glück, während des Wahlkampfs von Barack Obama in den USA zu sein: „Er konnte mit seiner Rhetorik unheimlich viele Menschen mitreißen“, erinnert sie sich. „Ich war fasziniert von diesem Land – wenn man aus Schirmitz kommt, ist ein Vorort von Washington D.C. schon eine andere Hausnummer.“

Nach ihrem US-Abenteuer studierte Bäumler elf Semester Anglistik und Geographie für Lehramt Gymnasium an der Universität Passau und absolvierte ein zweijähriges Referendariat. „Ich hatte das Pech, dass es zu der Zeit im gymnasialen Bereich zu viele Lehrkräfte gab.“ Bäumler sattelte um auf Berufsschule, unterrichtet Berufsintegrationsklassen in Schwandorf und ist zum Teil in der Ausbildung und Fortbildung von Lehrkräften engagiert.

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