Keine Entwarnung für Häuslebauer: “Betongold” ist und bleibt teuer

Floß. Christian Lenk (37) ist Marktstratege Research der DZ Bank in Frankfurt. Er war jetzt Gastredner beim Jahresempfang der Raiffeisenbank Floß. OberpfalzECHO unterhielt sich mit ihm über Zinsen, den Traum vom Hausbau und über die Zeitenwende in Europa.

Marktstratege Christian Lenk war Gastredner beim Jahresempfang der Raiffeisenbank Floß. Foto: David Trott

Die Zeiten von Null- oder Negativzinsen scheinen der Vergangenheit anzugehören. Sind sie wirklich vorbei?

Christian Lenk: Auf absehbare Zeit: Ja. Mit der Zinswende des vergangenen Jahres hat die Europäische Zentralbank (EZB) ihre seit 2014 währende Ära der Negativzinsen hinter sich gelassen. Weltweit sahen sich Währungshüter gezwungen, die Zinszügel deutlich zu straffen. Grundsätzlich ist eine Rückkehr zu Null- und Negativzinsen nicht auszuschließen, auf Sicht der kommenden Jahre aber unwahrscheinlich.

Können die Sparer jetzt tatsächlich in eine goldene Zinszukunft blicken?

Lenk: Eine goldene Zukunft zeichnet sich noch nicht ab. Der massive Zinsanstieg ist letztlich eine Reaktion auf einen historischen Preisdruck: Zuletzt lag die Inflationsrate in Deutschland bei rund neun Prozent. Damit erleiden die Sparer vorerst weiter einen realen Wertverlust.

Keine Pauschallösung

Die Inflation ist zwar rückläufig, aber noch immer sehr hoch. Das kann kein Zins dieser Welt ausgleichen. Gibt es in Ihren Augen trotzdem Möglichkeiten, den Kapitalverlust so gering wie möglich zu halten?

Lenk: Eine Pauschallösung für dieses Problem gibt es nicht. Historisch haben beispielsweise Aktien- oder Immobilienanlagen einen relativ guten Inflationsschutz geboten, einen Automatismus stellt dies jedoch nicht dar. Ein schwacher Trost: Für 2024 erwarten wir einen Rückgang der Inflationsrate in Deutschland auf 3,5 Prozent.

“Betongold” bleibt teuer

Die Banken und Sparkassen haben ihre Kreditzinsen deutlich erhöht. Schlecht für potenzielle Häuslebauer, die ja auch noch mit sehr hohen Baukosten zu kämpfen haben. Rückt der Traum von der eigenen Immobilie in immer weitere Ferne?

Lenk: Bislang zeichnet sich an dieser Front keine signifikante Änderung ab. Der Zinsanstieg hat Immobilienkredite innerhalb kurzer Zeit deutlich verteuert. Hohe und weiter steigende Baukosten, gepaart mit einer wachsenden Nachfrage nach Wohnraum, verhindern aber eine deutliche Preiskorrektur. Betongold ist und bleibt damit teuer.

Angenommen, Sie würden jetzt 200.000 Euro Bargeld erben. Wie würden Sie es mit Blick auf die gegenwärtigen Konditionen anlegen?

Lenk: Mit dem Zinsanstieg des vergangenen Jahres liefern nun auch Anleihen wieder signifikant positive Renditen. Bekannte Aktienindizes, wie zum Beispiel der DAX, haben sich in den vergangenen Monaten bereits stark erholt, was das Rückschlagpotenzial erhöht. Letztlich gilt es bei der Geldanlage immer, die individuellen Umstände zu berücksichtigen. Dabei sollten Anleger Rendite, Sicherheit und Liquidität abwägen. Auch Nachhaltigkeitsaspekte spielen eine zunehmende Rolle.

Zeitenwende in Europa?

Sie sprechen nicht nur von einer Zeitenwende am Kapitalmarkt, sondern halten auch eine Zeitenwende in Europa für möglich. Wie könnte sich die darstellen und welche Auswirkungen hätte sie auf den Otto-Normal-Bürger?

Lenk: Spätestens mit dem Beginn des Ukrainekrieges ist das bisherige Geschäftsmodell Deutschlands massiv ins Wanken geraten. Dieses lautete stark vereinfacht: Energie aus Russland, Wachstum aus China und Sicherheit aus den USA. Die Bundesrepublik muss, am besten im Verbund mit den europäischen Partnern, lernen, stärker auf eigenen Beinen zu stehen. Damit sind und werden unbequeme Entscheidungen sowie Kosten für alle Bürger verbunden sein.

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