Kolumne Eric Frenzel: Phantasie-Weltmeisterschaft

Flossenbürg. Bei der Weltmeisterschaft in Oberstdorf ist in diesem Jahr vieles anders. Besonders schmerzlich vermisst Eric Frenzel den Jubel, der ihm in entscheidenden Momenten den nötigen Anschub verleiht. Was bleibt sind Erinnerungen und Phantasie.

Ohne persönliches Gepäck war Eric Frenzel in Finnland angekommen. Foto: Eric Frenzel

“Eines meiner Rituale bei Olympischen Spielen und Weltmeisterschaften ist es, einen Tag vor dem Wettkampf früh morgens zur Wettkampfstätte zu gehen, um in Ruhe die Atmosphäre des Ortes zu genießen.

Kraft und Motivation für den Wettkampf

Gerade in Oberstdorf ist das Schanzenareal schön eingebettet in die bezaubernde Berglandschaft. Ich genieße den Spirit des Ortes, erinnere mich an vergangene, oftmals erfolgreiche Wettkämpfe und stelle mir dann den folgenden Tag mit Fahnenmeer und jubelnden Fans vor. Aus dieser Phantasie ziehe ich für den Wettkampf Kraft und Motivation.

Diesmal wird es anders sein: die Stimmung des Vortags wird die Stimmung des Wettkampftags sein. Es wird kein Fahnenmeer geben, in das man von der Schanze aus hineinspringt und an der Loipe werden keine Zuschauer sein, die einen anfeuern.

Zuschauer, die einen pushen

Ich kann mich erinnern, wie ich bei der Heim-WM in Oberstdorf 2005 als junger Athlet noch Zuschauer war. Das ganze Flair, das war unglaublich inspirierend, ein ganzer Ort war Tage lang am Feiern, während der Wettkämpfe und zwischen Ihnen. So etwas wollte ich unbedingt auch als Akteur erleben.

Das Spiel mit den Zuschauern ist auch für uns, nicht nur für Tennisspieler und Fußballspieler, etwas ganz besonderes. Gerade in Momenten, wo man wirklich am Anschlag ist, wo man denkt, es geht eigentlich nichts mehr, kann einem die Unterstützung der Fans und Zuschauer den nötigen Kick geben und über die Grenze pushen, die darüber entscheiden kann, ob man einen Konkurrenten noch abfangen kann und so eine Medaille holt.

Froh antreten zu dürfen

Dieses Szenario wird es in Oberstdorf leider nicht geben und damit auch einen Heimvorteil nicht. Aber ich bin froh, dass wir überhaupt antreten dürfen. Dass ich trotz und auch wegen Abstandsregeln, PCR-Tests und Isolation die Möglichkeit habe, im Kampf um die Medaillen antreten  und mit etwas Glück meinen Weltmeistertitel aus Seefeld verteidigen kann.

Ich atme tief durch, genieße das Schanzenensemble in der morgendlichen Dämmerung und gehe langsam zum deutschen Quartier zurück. Wenn wir in den nächsten Tagen von der Schanze springen und in der Loipe um Zentimeter und Zehntel ringen, wird trotzdem für mich alles so sein wie immer.

Der Jubel in Erinnerung

Wenn ich auf dem Balken sitze und in den Schanzenauslauf schaue, werden für mich einen Moment bei geschlossenen Augen die Fahnen geschwenkt werden und ich werde den Jubel genauso aufbranden hören, wie an der Loipe, wenn es darum geht, die letzten Körner aus mir rauszuholen.

Die Zuschauer werden einfach in meiner Vorstellung da sein und mich hoffentlich auch diesmal zu einer Medaille tragen.

Herzlichst Ihr Eric “

Eric Frenzel Kampa Witron
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