Rückwirkende Amnestie: 654 Cannabis-Verurteilte betroffen

Weiden. Das neue Cannabis-Gesetz sieht eine rückwirkende Amnestie bereits verurteilter Cannabis-Täter vor. Im Bereich der Staatsanwaltschaft Weiden (Weiden, Neustadt, Tirschenreuth) betrifft dies 654 Verfahren.

Der “Cannabis-Opi” im Februar 2024 nach seiner Verurteilung auf dem Weg ins Gefängnis. Auch für den 79-Jährigen wird die Strafe in der Revision aller Voraussicht nach niedriger ausfallen. Foto: Christine Ascherl

Strafen, die bei Inkrafttreten des Gesetzes noch nicht vollständig vollstreckt sind, werden automatisch erlassen. Ohne neue Verhandlung. Betroffen sind Taten, die künftig nicht mehr strafbar sind. Erwachsene dürfen künftig bis zu 25 Gramm Cannabis in der Öffentlichkeit bei sich haben. Zu Hause sind der Besitz von bis zu 50 Gramm sowie bis zu drei Pflanzen erlaubt.

Oberstaatsanwalt Christian Härtl hat zigtausende Fälle gefiltert, zurückliegend bis 2007. Er kommt bis dato auf 654 möglicherweise Betroffene, denen die Strafe erlassen werden könnte. Diese zu ermitteln, war gar nicht so einfach. „Es gibt kein Register, in dem solche Verfahren stehen.“ Er kann daher auch „keine hundertprozentige Sicherheit garantieren, dass wir alle erwischen“. Die Staatsanwaltschaft Weiden hat die Amnestie-Fälle über staatsanwaltliche Meldungen an das Bundeszentralregister recherchiert.

Freilassung fällt ausgerechnet auf Ostermontag

Weit überwiegend handelt es sich dabei um Geldstrafen, die wenigsten sind Freiheitsstrafen, meistens schon vollstreckt. Neue Urteile kommen schon länger nicht dazu. Schon seit Oktober 2023 hat die Staatsanwaltschaft relevante Delikte nicht mehr verfolgt. Manchmal streikten auch die Richter, die solche Sachverhalte einfach nicht mehr verurteilten. Zitat eines Weidener Strafrichters vom November 2023: „Ein Urteil wäre das Papier nicht wert, auf das ich das jetzt schreiben würde.“

In einzelnen Fällen sitzen die Verurteilten aktuell im Gefängnis, diese müssten dann am 1. April freigelassen werden. „Das ist der größte Aprilscherz an dem Ganzen“, sagt Leitender Oberstaatsanwalt Bernhard Voit. Der 1. April 2024 ist der Ostermontag. „Wie soll das gehen?“ Und erst eine Woche vorher, am 22. März, ist die entscheidende Sitzung des Bundesrats. Dazwischen liegen vier Arbeitstage.

Auch für „Cannabis-Opi“ werden Karten neu gemischt

Die meisten Verurteilten verbüßen nicht ausschließlich wegen Cannabis eine Haftstrafe, sondern wegen anderer Delikte. Dann muss ein neues Strafmaß bestimmt werden. In einigen der letzten großen Prozesse hat die Justiz die neue Gesetzgebung bereits berücksichtigt. So gab es im Shisha-Bar-Prozess „Rabatt“ aufgrund des kommenden Cannabis-Gesetzes. Härtl: „Sonst wären da ganz andere Strafen rausgekommen.“

Noch ein Beispiel aus jüngster Vergangenheit: der „Cannabis-Opi“. Ein 79-Jähriger war im Februar 2024 zu acht Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden. Wie Verteidiger Rouven Colbatz bestätigt, ist Revision eingelegt. Im Revisionsverfahren gelte dann voraussichtlich das neue Recht: Der Anwalt rechnet für den Senior dann mit einer niedrigeren Strafe. Der bandenmäßige BTM-Handel bleibt zwar ein Verbrechen, aber die Mindeststrafe soll künftig bei einem statt fünf Jahren liegen.

Antrag auf Löschung aus Bundeszentralregister

Auch Bewährung und Führungsaufsicht sind betroffen: Beides wird bei betroffenen Cannabis-Delikten aufgehoben, sobald das neue Gesetz in Kraft tritt. Auf Antrag können Verurteilte auch einen Antrag auf Löschung des Delikts im Bundeszentralregister stellen. Die Anträge landen bei der Staatsanwaltschaft. Sind keine Akten mehr vorhanden, genügt zur Glaubhaftmachung die eidesstattliche Versicherung des Verurteilten.

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