Traum-Karriere bei Witt: vom Auszubildenden zum Top-Manager

Weiden. Er hat dort seine Ausbildung begonnen. Heute bestimmt er die Geschicke des Unternehmens mit seinen 3.700 Mitarbeitenden mit. Johann Kiener (52) ist einer der vier Geschäftsführer der Witt-Gruppe. Er ist zuständig für die Bereiche Brand und Digital-Commerce.

Johann Kiener hatte bei der Witt-Gruppe begonnen. Heute ist der gebürtige Weidener einer von vier Geschäftsführern des Unternehmens. Foto: David Trott

Der Weg zu Kiener? Er ist anstrengend, wenn man nicht gerade den Aufzug nimmt. Noch dazu bei Tropenhitze. Sein Büro liegt im vierten Obergeschoss des Witt-Altbaus, mit Blick über Weiden, vis-a-vis die Zimmer seiner anderen drei Geschäftsführerkolleginnen und -kollegen. Den Lift? Den nutzt der heute 52-Jährige ganz selten. Er läuft immer die Treppen hoch. Kein Wunder, der Mann ist schlank, sportlich. Doch das war schon mal anders, erzählt er. Dazu später mehr. Nach ein paar Sätzen bietet er das Du an. Das gehört sich bei der Witt-Gruppe so, ist Teil der Unternehmenskultur.

Blaues Hemd, hellbraune Stoffhose, Brille, offenes, freundliches Gesicht. Kiener ist entspannt. Er kann viel erzählen, zum Beispiel, wie die Sanduhr auf seinen Schreibtisch kommt. Ein Geschenk von Freunden, damit er seine Mittagspause nicht verpasst. Das kann leicht vorkommen. Besprechung da, Online-Meeting dort, dazwischen ein paar Telefonate. Er hat immer Obst dabei, meistens Bananen, damit der Magen nicht knurrt. Er bringt ordentlich Arbeitsstunden zusammen, 40 sind es in der Regel in der Woche, es können gerne aber auch mal 50 oder 60 werden.

Kiener wollte Bauingenieur werden

Der 52-Jährige, der locker auch als Mittvierziger durchgehen könnte, erzählt von den Anfängen seiner Laufbahn. Nach dem Abi am Kepler-Gymnasium wollte der gebürtige Weidener in München Bauingenieurwesen studieren. Nicht die beste Wahl. Schon bald stellte er fest. “Das ist doch nichts für mich.” Zu viele Normen und Vorschriften, zu wenig Kreativität. “Ich hätte vielleicht Architektur studieren sollen”, lächelt er. Oder Wirtschaftsinformatik.

Dass er bei Witt-Gruppe Karriere gemacht hat, verdankt er eigentlich seinem älteren Bruder. Der hatte ihm eine Zeitungsannonce unter die Nase gehalten. Darin bot das Weidener Unternehmen Abiturienten ein duales Studium zum Betriebswirt VWA an. Er bewarb sich und wurde genommen. Dass er einmal die Geschicke eines der bedeutendsten Unternehmen in der Region mitgestalten darf, hat sich ergeben, war nicht geplant. “Ich denke, Karriere kann man nicht erzwingen. Wenn man mit Verbissenheit rangeht, wird das nichts.” Er gibt aber gerne zu, zielstrebig und erfolgsorientiert zu sein. Neue Herausforderungen mag er, diese dann zum Wohl des Unternehmens zu meistern, noch mehr.

Erste Witt-Station: “Operatives Controlling”

Er verlässt mit dem Diplom in der Tasche die Uni in Regensburg und fängt bei der Witt-Gruppe im Bereich Operatives Controlling an. Dort ist er unter anderem für das Auslandsgeschäft in der Schweiz und Österreich und die betriebswirtschaftliche Steuerung der 120 Witt-Filialen zuständig. Er macht seinen Job richtig gut, steigt zum Abteilungsleiter auf. 2009 dann die nächste Sprosse auf der Karriereleiter. Er wird Geschäftsführer der Witt-Tochter “Sieh an!” Dort ist er zuständig für den Vertrieb und das Marketing.

“Sieh an!” bekommt neuen Schub

Er gibt der Marke, die preiswertere Mode anbietet, national, aber auch international neuen Schub. Als Verantwortlicher für die Internationalisierung der Witt-Gruppe jettet er um die halbe Welt und landet auch in den Vereinigten Staaten. Ein Problemland für Kieners Figur. Als bekennender Burger-Fan futtert er zu viele von den kalorientriefenden Brötchen. Nach seiner Rückkehr in die Oberpfälzer Heimat bringt er stolze 90 Kilogramm auf die Waage. Klare Ansage damals: “Die müssen weg!” Heute achtet er genau auf sein Gewicht, fährt Mountainbike und trägt im Keller seines Plößberger Hauses Kickboxrunden mit einem Boxsack aus. “Da werden alle Muskelpartien beansprucht.”

Assessment-Center für Führungskräfte

Nach elf erfolgreichen “Sieh an!”-Jahren nimmt er 2018/2019 am Top-Executive-Program (TED) der Otto-Group teil. Seit 1987 ist ja die Witt-Gruppe Tochter des Hamburger Konzerns. Mit dem TED finden die Hanseaten ihre Top-Manager heraus. Im Rahmen von Challenges werden reale Herausforderungen, die die Otto Group beschäftigen, gemeinsam gelöst. Kiener meistert dieses Assessment-Center für Führungskräfte. Am 1. April 2020 wird er in die Geschäftsführung der Witt-Gruppe berufen.

Start ohne Mitarbeiter

Sein Top-Job-Start in Weiden – er hätte “einzigartiger” nicht sein können. Corona hat Hochkonjunktur, von den 3.700 Beschäftigten ist keiner mehr im Haus. Er fängt fast alleine hoch droben im vierten Stock an. Vorbei. Längst sind die Büros wieder besetzt, begegnen sich die Mitarbeiter auf den Gängen. Dennoch, die Pandemie hat ihre Spuren in hinterlassen. Remote zu arbeiten, ist bei der Witt-Gruppe zur gängigen Praxis geworden. “Wir müssen aber schon aufpassen”, findet Kiener. Denn es ist gerade das angenehme, persönliche Betriebsklima, das das Unternehmen auszeichnet und ihm auch einen Wettbewerbsvorteil verschafft. “Bei uns steht der Mensch noch im Mittelpunkt”, erzählt er. Aber: Ohne Leute, kein Betriebsklima.

Kiener ist bodenständig geblieben

30 Jahre ist Johann Kiener schon bei dem Unternehmen. Ist da nicht einmal ein Wechselgedanke aufgekommen? “Ganz ehrlich: Willst du in der Branche bleiben, gibt es nichts Besseres als Witt.” In die Großstadt zieht es ihn sowieso nicht mehr. “Ich liebe das Landleben und die Natur. Vielleicht liegt es ja am Alter.” Er schmunzelt. Er ist bodenständig geblieben. Für seine Spezln, mit denen er mal auf einen Zoigl geht, ist und bleibt er der Hans. Sein Manager-Job hat ihn charakterlich nicht verändert. Doch er räumt ein, dass einem diese Position auch zu Kopf steigen könnte. “Du merkst, deine Worte haben Gewicht, die Leute hören genau hin.”

Unternehmen in der Transformationsphase

Was er an seinem Arbeitgeber schätzt: “Wir ziehen in der Geschäftsführung alle an einem Strang.” Da müssen nicht zuerst persönliche Befindlichkeiten berücksichtigt werden. “Außerdem wissen wir um das Zukunftspotenzial, das unser Unternehmenskonzept hat.” Das gebe die entsprechende Ruhe, um auch schwierigere Zeiten, wie etwa die Corona-Pandemie zu meistern.

Außerdem warten auf Kiener noch jede Menge spannender Aufgaben. Das Unternehmen befindet sich in einer Transformationsphase. “Wir haben nach wie vor ein extrem erfolgreiches Kataloggeschäft.” Doch der Wachstumsmarkt liegt für ihn ganz eindeutig im World Wide Web. Mittlerweile betreibt die Witt-Gruppe weltweit 22 Onlineshops mit einem Umsatzanteil von rund 38 Prozent. Je nach Land und Marke liegt der Anteil aber bereits bei bis zu 65 Prozent. Trotzdem: Es ist Luft nach oben.

Jetzt kommen die Babyboomer

Bis zum Jahr 2030 ist jeder und jede zweite Deutsche über 50. Genau die Zielgruppe für das Weidener Unternehmen. “Darin liegt eine riesige Chance für die Witt-Gruppe. Insbesondere die Babyboomer-Generation mit ihrer hohen Kaufkraft wird sich als Wachstumsmotor erweisen”, ist Kiener überzeugt. Doch die ist anspruchsvoll, ihr Modegeschmack vielfältiger. Da ist er als Brand-Manager extrem gefragt: “Wir müssen sie mit unseren Marken und unseren Qualitätsprodukten überzeugen.”

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