Warum die SpVgg Weiden den Erfolg lieber still genießt [mit Video]

Weiden. Mit acht Punkten Vorsprung startet die SpVgg Weiden in die Rückrunde der Landesliga-Mitte. Trotzdem wollen Sportchef Hannes Beer und Trainer Andreas Scheler den Ball flach halten: „Wir haben ein brutal schweres Programm vor uns“, warnt er. Das Duo setzt auf Bescheidenheit und Leidenschaft.

Die ungeschlagenen Helden der SpVgg Weiden fiebern trotz Hundskälte dem Rückrundenauftakt entgegen. Bild: David Trott

Euphorie ist erlaubt. Auf dem Fußballplatz: Da darf sich jeder Spieler begeistert ins Geschehen stürzen. Jenseits der Spielfels, das für Fußballer die Welt bedeutet, herrscht Nüchternheit. Jedenfalls wenn es nach Sportchef Hannes Beer und Trainer Andreas Scheler geht. Die beiden wissen nur zu gut, wohin Übermut führen kann.

Nie wieder Insolvenz

Der Amberger Scheler hat das traurige Beispiel des FC Amberg vor Augen, der nach dem Aufstieg aus der Bezirksliga gegen den Abstieg kämpft. Und der frühere Fan-Beauftragte Beer weiß aus eigener Anschauung, was Insolvenz bedeutet. Noch 2009 hatte der Aufsteiger vom Wasserwerk mit sieben Punkten aus vier Spielen als Tabellenvierter der Fußball-Regionalliga Süd Vereine wie die Stuttgarter Kickers vor der Brust. Zum 1. Dezember 2010 musste die SpVgg dann den Spielbetrieb einstellen, wurde später sogar aufgelöst. So etwas möchte kein Fan in Weiden noch einmal erleben müssen.

Der Weg zurück in die Erfolgsspur kann aus Sicht der beiden deshalb nur über Oberpfälzer Bescheidenheit führen. „Die Zeiten, als wir in der Bayernliga, der damals dritthöchsten Klasse, im Derby gegen Jahn Regensburg vor 20.000 Zuschauern spielten, sind leider vorbei“, sagt Beer. „Der Erfolg heute ist noch ein zartes Pflänzchen, das man hegen und pflegen muss.“

Das Wörtchen „Aufstieg“ ist tabu

So lange bleibt das Wort „Aufstieg“ am Wasserwerk ein Tabuthema. Schon deswegen, weil die wirtschaftliche Situation eine andere ist, als zu Zeiten großer Hauptsponsoren wie Gustl Hegner oder Michael Fritsch. „In der Ära von Vorstand Michael Kurz verteilt sich das wirtschaftliche Engagement auf mehrere Schultern im Club 2021, in dem sich vor allem der Weidener Mittelstand einbringt“, erklärt Beer. „Deshalb sind wir nicht mehr so abhängig von einzelnen wie in der Ära Fritsch.“ Erste Früchte trägt das Konzept bereits: „Die Pandemie haben wir besser überstanden als andere.“

Die Aufbruchstimmung der vergangenen drei Jahre ist im Vereinsheim über dem Stadion spürbar: „Wir haben nach dem Abstieg die Struktur mit Talenten aus dem eigenen Nachwuchs und dem Leistungszentrum und auch im Schulterschluss mit der Stadt wieder auf eine vernünftige Basis gestellt“, freut sich Beer. „Und deshalb auch eine Infrastruktur mit zwei neuen Kunstrasenplätzen, wie sie zwischen Regensburg und Hof kaum einer hat.“

Rückkehr der Fans

Das kommt auch bei den Fans gut an: „Gegen Ettmannsdorf hatten wir an die 1000 Zuschauer“, freut sich Trainer Scheler über die Entwicklung. Das ist zwar noch weit weg von den 20.000 in goldenen Zeiten oder auch von den rund 2500 in der Regionalliga. Aber: „Leistung wird honoriert“, sagt der Coach, „wir wurden in der ersten Landesliga-Saison Dritter, waren bis zur bis Pandemie Zweiter, und haben nur durch den Quotienten den Aufstieg verpasst.“

Erfolg macht eben sexy. „Als Tabellenführer, der noch kein Spiel verloren hat, sind wir natürlich auch für die Fans der Gegner attraktiv, die jedes Wochenende zeigen wollen, dass sie die ersten sind, die uns schlagen.“ Scheler will dafür sorgen, dass das noch lange so bleibt. „Auch dass viele Eigengewächse bei uns spielen, steigert die Identifikation mit dem Verein, der so für viele wie eine Familie ist.“

So nämlich: SpVgg-Trainer Andi Scheler zeigt’s den Reportern wie gesunde Aggressivität auf dem Platz aussieht. Bild: David Trott

Sportchef und Trainer als Mädchen für alles

Vieles, was im Profibereich selbstverständlich ist, läuft bei einem Amateurverein so am Rande mit: „Um eine funktionierende Scoutingabteilung aufzubauen, muss ich jemanden anstellen, der das ganze Wochenende unterwegs ist“, erklärt Beer. Im Amateurbereich illusorisch. „Das machen der Coach und der sportliche Leiter eben mit“, stöhnt er über die idealistische Selbstausbeutung.

„Man stimmt sich untereinander ab, jeder hat da seine Wunschvorstellung.“ So bekommt eben auch der Nachwuchs seine Chance: „Zwei A-Jugend-Spieler hatten schon einige Einsätze“, sagt Scheler, der auch Spielertypen mag, die nicht in ein stromlinienförmiges Taktiksystem passen: „Auch Straßenfußball ist was Geiles“, bekennt er sich zu den Wurzeln des Sports-

Der Trainer als Tröster

Welche Rolle nimmt der Trainer für sich in Anspruch? „Du musst einer Mannschaft eine Ausrichtung geben, die vorhandenen Spielertypen unterbringen“, springt ihm der Sportchef zur Seite. „Wir legen Wert darauf, im Kollektiv zu funktionieren.“ Mit dem Profibereich, wo ein Trainerstab die Arbeit verrichtet und der Cheftrainer moderierend rumspaziert, sei der Knochenjob des Übungsleiters nicht zu vergleichen. „Unsere Jungs arbeiten bis 17 Uhr, fahren dann zum Training, da muss man die Motivation schon anders rauskitzeln, auch mal die Hand auf die Schulter legen.“

Motivationsprobleme gebe es aber auf dieser Ebene nicht: „Es ist immer noch unser liebstes Hobby“, strahlt Scheler, der – Spoileralarm – nur wenig Einblick in seine Spielphilosophie geben möchte. Schließlich soll der Nimbus der Unbesiegbaren noch eine Zeitlang halten. „Mit hoher PS-Zahl über die außen kommen“, verrät er dann doch, „das mag ich sehr.“ Der Tabellenführer müsse jedes Spiel selbst in die Hand nehmen: „Bei uns kommt keiner, wir sind gezwungen hoch zu stehen, das Spiel zu machen.“ Die Gefahr, dass da mal einer durchrutscht, sei groß. Da hilft nur eins: „Permanente Grundaggressivität gegen den Ball.“

Sportchef Hannes Beer und die SpVgg SV gehen künftig getrennte Wege. Foto: Jürgen Herda

Gras fressen statt Taktik büffeln

Taktische Finessen wie die konsequente Auswertung statistischer Daten von Spielern, die Alexander Blessin in Belgien zum Trainer des Jahres avancieren ließ, findet Scheler spannend, aber im Amateurbereich nicht umsetzbar. „Man hat so viel Arbeit außen rum, und nur maximal dreimal Training – da muss der Ball rollen.“ Wenn es ein sportliches Modell gibt, das Scheler bewundert, dann ist es die Strategie des SC Freiburg: „Das ist ein Vorzeigeclub, der einem Trainer auch nach dem Abstieg Zeit lässt, eine Truppe neu aufbauen.“

Für ihn gebe es nur einen Druck: „Wir wollen immer besser sein als im Vorjahr.“ Und das sei im Amateurfußball nur mit Ehrgeiz und Leidenschaft zu schaffen. „Klar gibt es ein taktisches Konzept, aber ob 4-4-2, 4-3-3 oder 4-3-2-1, alles schön und gut, es hängt von den Spielertypen ab.“ Da müsse man flexibel bleiben. Und letztlich sei Fußball doch ein recht einfaches Spiel. „Wie war das denn bei uns“, kommt er ins Schwärmen, wir wollten raus und alles niederreißen.“ Mit dieser Einstellung könnte es dann trotz aller Vorsicht dennoch klappen mit dem Aufstieg in die Bayernliga. Nach dem Motto: „Spiele gut und rede nicht darüber!“

Sportchef Hannes Beer und Trainer Andreas Scheler im OberpfalzEcho-Interview. Bild; Jürgen Herda

Landesliga Mitte: Zwei Heimspiele zum Auftakt

Da ist Geduld gefragt: Der Saisonauftakt verzögert sich um weitere drei Tage. Die Verantwortlichen des Tabellenvierten Seebach haben die Samstagspartie aufgrund der Platzverhältnisse. „Die Jungs sind natürlich alle heiß, würden am liebsten sofort loslegen sagt Sportchef Hannes Beer am Randes des Donnerstagstrainings zu OberpfalzEcho.

So darf die SpVgg Weiden erst am Dienstag, 19.30 Uhr, gegen den starken Aufsteiger Osterhofen (Platz 7) zeigen, wie gut die Mannschaft aus dem Winterloch kommt. „Der Flow, den wir in der Hinrunde hatten, ist ja nicht garantiert“, warnt Beer. „Du musst erstmal trotz Pandemie und zahlreichen Verletzungen gut aus der Winterpause rauskommen.

„Unser Nahziel ist, die 13 verbleibenden Spiele so erfolgreich wie möglich zu gestalten“, beschreibt Trainer Andreas Scheler schlicht das gängige Konzept, von Spiel zu Spiel zu schauen, ohne ständig den möglichen Aufstieg im Hinterkopf zu haben. „Das wird noch ein langer Weg, und da kommt jetzt ein schweres Spiel nach dem anderen.“ Wie gleich am Freitag, 19 Uhr, das Traditionsderby gegen den FC Amberg.

Und sollte es trotz allem am Ende reichen, dürfte das ein zusätzlicher Motivationsbooster sein: „Wenn es so kommt“, verspricht Scheler, „wollen wir die Mannschaft zusammenhalten, da war jeder maßgeblich beteiligt.“ Bei diesem geringen Durchschnittsalter stecke im Team noch viel Potenzial. „Wir müssten lediglich den Kader breiter aufstellen, weil die Bayernliga noch wesentlich intensiver ist.“

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