Kompetenz und Sachverstand haben keine Angst vor dem Fettnäpfchen

Vohenstrauß. Der Wunsch entsteht beim Putzen mit der Oma. Während er die Waschschüsseln der Herren Beamten leert, denkt er: An so einem Schreibtisch möchte ich auch mal arbeiten. Aber ohne die zerrissene Hose hätte das vermutlich nicht geklappt.

Von Gabi Eichl

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Sein Lieblingsplatz, das Eck auf der Terrasse mit Blick bis nach Leuchtenberg. Hier sitzt Alfons Sier jetzt öfter, er ist mit Ablauf des Monats im Ruhestand.

Alfons Sier (64), seit 2005 Geschäftsleiter der Stadtverwaltung, hat seinem Schreibtisch den Rücken gekehrt. Nach 41 Jahren Dienst im Vohenstraußer Rathaus. Er sitzt nun öfter in seinem Eck auf der Terrasse, seinem Lieblingsplatz. Nur das „Zigretterl“, das ihn dabei begleitet hat, hat er sich abgewöhnt.

Wie Gerhard Schröder weiß er früh schon, was er will

Beinahe ist man an den früheren Bundeskanzler Gerhard Schröder erinnert, der jung schon ins Kanzleramt wollte. Auch Alfons Sier weiß schon sehr früh, was er will. Als Kind begleitet er jahrelang seine Großmutter abends in die Friedrichsburg, die dort im damaligen Landratsamt geputzt hat.

Kleinere Tätigkeiten wie das Leeren der Waschschüsseln – Waschbecken wie man sie heute kennt, gab es in der Burg nicht – sind ihm übertragen. Und während er das Woche für Woche erledigt, sagt er immer wieder zur Oma, dass er auch einmal an so einem Schreibtisch arbeiten will. Ganz so wie die Herren Beamten.

Des houd so sa mäin.”

Der Wunsch bleibt. 1973 schreibt er mit 17 die Ausleseprüfung für den mittleren Dienst mit. Er besteht, wird genommen, kommt aber nur wegen einer zerrissenen Hose gerade noch rechtzeitig zum Vorstellungsgespräch. Denn als der Brief mit der Einladung zu Hause eintrifft, ist Alfons mit Freunden an der Goldbachschleife.

Dort platzt ihm die Hose auf, er radelt nach Hause, will sich nur schnell eine andere Hose anziehen und gleich wieder weiter, als die Mutter ihm einen Brief reicht. Absender: das Landratsamt. Er schafft es gerade noch mit dem Bus nach Neustadt. Wäre er an diesem Vormittag nicht gekommen, hätte man den nächsten auf der Liste angeschrieben, erklärt man ihm. „Des houd so sa mäin“, sagt Alfons Sier rückblickend.

Max Steger holt den jungen Beamten zurück in die Heimat

Das bleibt nicht der einzige erstaunliche Zufall in seiner Karriere als Verwaltungsbeamter. Nach der Bundeswehrzeit ist er ans Landratsamt Neumarkt abgeordnet. Inzwischen hat er aber seine spätere Frau Roswitha kennengelernt und möchte wieder näher zurück in die Heimat. Er bewirbt sich 1979 mit Erfolg für die Regierung in Regensburg, will von Vohenstrauß aus pendeln. Auf Wohnungssuche wendet er sich an den damaligen Vohenstraußer Bürgermeister Max Steger. Und weil dieser im Personalausschuss des Landkreises sitzt, fragt Alfons Sier ihn auch gleich, ob er sich nicht an ihn erinnern möge, wenn einmal eine Stelle bei einer Gemeinde im Landkreis frei werde.

Drei Tage später klingelt in seinem Büro in Regensburg das Telefon. Max Steger. Die Stadt Vohenstrauß suche einen mittleren Verwaltungsbeamten, ob er Interesse habe. Noch am Samstag derselben Woche trifft er sich mit Steger und dessen Amtsleiter Hans Frischholz.

Die Entscheidung einer Kollegin ist der Sechser im Lotto

Zu verdanken hat Alfons Sier den Anruf Stegers der Witwe des verstorbenen Bauunternehmers Wolfgang Töppel. Gisela Töppel war damals in Mutterschutz und entschied sich, nicht mehr zur Stadtverwaltung zurückzukehren, sondern bei ihrem Mann mitzuarbeiten. Auch das hat wohl so sein müssen.

Als Assistent durchläuft er fast alle Sachgebiete, die damals noch nicht so spezialisiert waren. Steger hatte ihm bei der Einstellung schon gesagt: „Bei der Stadt sind Sie für alles zuständig.“

Zentralisierung der Standesämter scheitert an Bürgermeistern

Der Rundumschlag kommt ihm später immer wieder zugute, wie er sagt. Doch ein Sachgebiet bleibt seine Leidenschaft: das Standesamt. Für das hatte er eine Vision, die er aber nicht verwirklichen konnte.

Sier übernimmt 1995 das Standesamt, inzwischen hat er die Prüfung für den gehobenen Dienst bestanden, und macht sich stark für drei zentrale Standesämter im Landkreis. Dasjenige für den östlichen Landkreis hätte er gern selbst besetzt. Er weiß die Standesbeamten der kleinen Gemeinden hinter sich, scheitert aber an den Bürgermeistern, die die Aufgabe nicht abgeben wollen.

Maßeinheit “1 Sier”, der Abstand zwischen zwei Fettnäpfchen

Mit Alfons Sier geht der „kleine Hausjurist“ der Stadtverwaltung in den Ruhestand, so hat ihn Bürgermeister Andreas Wutzlhofer gern genannt. Gegangen sind auch der „Tüpferlscheißer“, der wie zufällig bei allem und jedem noch einen Rechtschreibfehler fand, und der „kleine Terrier“, der sich bei einer Suche oder Recherche bis zum Erfolg festbiss.

Es gab am Rathaus aber auch die Maßeinheit „1 Sier“, die Entfernung zwischen zwei Fettnäpfchen, in die zu treten Alfons Sier sich nie gescheut hat.

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