BücherECHO: Vogelwilde Literatur!

Nordoberpfalz. In dieser Folge möchte unser Autor eine Lanze für krasse Literatur brechen – und die gibt es schon seit Jahrhunderten.

“Zu langatmig, verquastes Zeug, voll abgehoben und kaum zu lesen, weil unverständlich”, das muss sich der praktizierend bohrende Bücherwurm leider viel zu oft anhören. Dabei sollte jeder, der nicht sofort beim Thema Buch Schnappatmung bekommt, sich mal mit so einem unterhalten.

Ich würde gerne über Bücher sprechen und auch aus meinem Erfahrungsschatz heraus die eine oder andere Leseempfehlung geben. Und die sollte nicht mit spitzen Fingerlein erfolgen, sondern mit saftigen Worten. Deshalb möchte ich heute ein Plädoyer für “vogelwilde Bücher” halten.

Verdammt guter Stoff – da ist für jeden was dabei

“Vogelwilde” Autoren gibt es nicht nur aktuell, sondern man findet sie auch in der gesamten Geschichte der Weltliteratur. Als besonders gelungenes Beispiel möchte ich die Story eines verarmten Adeligen anmerken, der bei seinem Niedergang bedauerlicherweise den Verstand verloren hat und in seinem Wahn, ein edler Ritter zu sein, in die skurrilsten Situationen schlittert. Urkomisch, zutiefst menschlich und als Werk einfach rundum wertvoll. Erkannt? Ich kann jedem nur empfehlen, sich mit Don Quichotte auf seinen verrückten Trip zu begeben. Es lohnt sich. Geschrieben Anfang des 17. Jahrhunderts!

Auch weitläufig unbekannte literarische Kleinode wie Borstal Boy von Brendan Behan sind es immer wieder wert, sie zu heben. Irisch, rau, hart und eben vogelwild – wie würde sonst ein Autor schreiben, dessen kurzes, 41-jähriges Leben so beschrieben wird: “Zu jung, um zu sterben, aber zu betrunken, um zu leben”. Es muss schließlich nicht immer Hemingway sein.

Literarisches Trüffelschwein oder was?

Eine häufig gestellte Frage ist, wie man denn solche Werke entdeckt (“wia kummst du immer auf des Zeich”). Die Antwort ist leicht, aber zeitaufwändig: Lesen, lesen, lesen. Und vor allem mit offenem Visier lesen, Verstand einschalten, eine eigene Meinung bilden. Schnell erkennt man dann eine individuelle Tendenz, was einem denn wirklich ganz persönlich zusagt und für deren Lektüre man gerne die wertvolle Freizeit investiert.

+++ Achtung! Der Konsum eines vogelwilden Buches kann zu Spaß, guter Laune und im schlimmsten Fall sogar zum Konsum eines weiteren vogelwilden Buches führen! +++

In meinem Fall sind das beispielsweise die russischen Klassiker und Autorinnen und Autoren aus Österreich. Was macht die so gut und so außergewöhnlich? Meine These ist, dass sie zwar Deutsch schreiben, aber nicht das typisch deutsche Stöckchen im Gesäß haben oder frei nach dem Wiener Schmäh: “Piefke, scheiß’ di net oh!”

Clemens J. Setz, Franzobel und Raphaela Edelbauer sind da nur drei bekannte Beispiele, die Liste ließe sich beliebig verlängern – alles Autoren, bei denen man dem nächsten Werk entgegenfiebert.

Und die Moral von der Geschicht’ …

In der Welt der Literatur ist der Geist vollkommen frei – und der Mut des Lesers grenzenlos. Romantisch, realistisch, abgespaced oder eben vogelwild – die individuelle Meinung zählt und jeder bestimmt selbst, was für ihn gut ist. Das kommt nicht mehr oft vor in unserer Welt. Ein Grund mehr, zum guten Buch zu greifen, vor allem, wenn man selbst bestimmt, was für einen gut ist. Das finde ich gut. Denn genau das macht auch den Alltag leichter und die Vorfreude auf einen entspannten Feierabend, an dem man seine Geschichte weiterlesen kann, ist auch nicht zu verachten.

Das alles ist auch nicht übertrieben oder plakativ formuliert, denn das kann Literatur leisten. Das muss Literatur auch leisten. Wer sonst, wenn nicht sie? Herzlich willkommen im Menschsein! Seid und lest vogelwild, das braucht unsere Welt.

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