Unsere Bürgermeister (3): Erbendorfs Ingenieur Reger ist nichts zu schwer

Erbendorf. Sie sind noch ein Spiegelbild unserer Gesellschaft, die Bürgermeister unserer Region. Nach dem Bad Neualbenreuther Schreiner folgt Erbendorfs Maschinenbauingenieur Johannes Reger. Seit 2020 konsolidiert er die Porzellanstadt als Nachfolger des legendären Hans Donko und entwickelt sie weiter.

Bürgermeister Johannes Reger beim Redaktionsgespräch. Foto: Jürgen Herda

Aufgewachsen im Erbendorfer Ortsteil Altenstadt mit Schloss, ist Maschinenbauingenieur Johannes Reger vor seiner Station im Rathaus viel herumgekommen: Ferienjobs bei Seltmann, Wehrdienst in Oberviechtach, Studium in Regensburg, Berufseinstieg bei Siemens. 1996 wird das CSU-Mitglied in den Stadtrat gewählt, 2008 steigt er zum zweiten Bürgermeister unter Hans Donko auf, seit 2020 sitzt er im Chefsessel.

„Very urgent“: Treffen im Wald

Lehrjahre sind keine Herrenjahre, musste der noch junge Herr Ingenieur lernen. Seine Diplomarbeit schreibt er bei der Scherdel GmbH: „Eine super Firma“, sagt Reger. Die Zeit bei Siemens Kemnath ist sehr prägend. „Der Standort war anfangs noch wie ein kleiner Mittelständler, aber wir mussten die Vorgaben aus den USA einhalten.“ Deshalb habe man jeden Arbeitsschritt dokumentieren müssen, von wegen deutscher Bürokratie: „In den Staaten haben sie eine andere Industriekultur – man geht davon aus, dass keiner eine Berufsausbildung hat.“

Projekte des Weltkonzerns in Asien kommen ihm entgegen: „Die haben das gleiche System wie wir, man hat einen Datensatz, mit dem man arbeitet.“ Seit Reger einmal im Wald einen Anruf aus Indien entgegennahm – „very urgent“ –  habe es dort geheißen: „Do you remember the meeting in the forest – erinnern Sie sich an das Treffen im Wald?“ Der Kundenwunsch stehe im Zentrum der Unternehmensphilosophie. „Die Kollegen in China planen kürzer, aber stellenweise konkreter, – es geht darum, die Sachen mit Bildern im Kopf bis zum Ende zu denken.“ Das habe er sich für seine Amtszeit abgeguckt. „Das versuche ich auch beim Thema Finanzen – und illustriere es mit Powerpoint-Präsentationen im Stadtrat, damit die Kollegen verstehen, was wir vorhaben und wo wir stehen.“

Siemens Kemnath Symbol Luftbild
Bei Siemens Kemnath startete Johannes Reger seine Karriere als junger Ingenieur. Foto: Siemens

Geplänkel um das Protokoll

Zugegeben, das ist nicht immer so einfach. Schon die Mehrheitsverhältnisse seien schwierig, CSU und Christliche Wählergemeinschaft haben zusammen 8 Sitze, Freie Wähler 5, SPD 4, Grüne 2, dazu ein fraktionsloser Stadtrat. „Durch das Geplänkel, besonders darum, wie man das Protokoll richtig schreibt, gibt der Stadtrat kein gutes Bild nach außen ab.“ Es gebe ein Trio im Stadtrat, das darauf bestehe, dass ihre Wortmeldungen genauestens wiedergegeben würden. 

„Deshalb dauerte oft auch lange, bis es fertig ist. Das ist nicht in meinem Interesse.“ Ein Stadtrat der Freien Wähler habe deshalb den Antrag gestellt, das Protokoll zeitnah ins Netz zu stellen. „Wir haben gesagt, das machen wir gerne, aber dann so, wie es die Gemeindeordnung vorschreibt, mit den Mindestanforderungen an ein Protokoll, aber ohne das ganze Gerede.“ Zufrieden seien die drei damit freilich nicht, aber der Informationsfluss werde zügig garantiert.

Das Erbe Hans Donkos

Sehr zufrieden ist Reger damit, was sein Vorgänger ihm hinterlassen hat: „Hans Donko hat die Stadt gewaltig nach vorne gebracht.“ Immerhin war Donko auf Erbendorfs langer Bürgermeisterliste der mit 24 Jahren Amtszeit am zweitlängsten amtierende Rathauschef. Nur einer war länger am Ruder. Bürgermeister Achaz Scharsack regierte 35 Jahre lang von 1748 bis 1783. Dessen Amtszeit gegen Ende des Österreichischen Erbfolgekriegs (1740–1748), nach dem Frieden von Füssen zwischen Bayern und Österreich, in dem das Haus Wittelsbach auf alle Erbansprüche an Österreich und den Kaisertitel verzichtete.

24 Jahre auf weniger als 24 Zeilen zusammengefasst: Reger nennt als Erbe des Schneidersohns den Einstieg in die Städtebauförderung, den Wiederaufbau des Oberpfalzturms, den Bau des Kurwegs auf der ehemaligen Lokalbahntrasse Erbendorf-Reuth, des Berufsbildungszentrums, der Kinderkrippe und des Kinderhorts. Dazu kommt das Industriegebiet „Schleifmühl“ oder der Ausbau von Frühmessgasse, Jahnstraße und Kemnather Straße. „Ein Quantensprung war die Gründung der Stadtwerke“, sagt Reger. Der Alt-Bürgermeister habe auch den Umbau der ehemaligen Bermas-Produktionshalle zum Vier-Sterne-Aribo-Hotel angestoßen und umgesetzt.

Mobiler Dorfladen Steinwald Allianz
Architekt der Allianz: Der bayerische Staatsminister Franz Josef Pschierer (zweiter von rechts) mit Steinwald-Allianz Geschäftsführer Martin Schmid, Professor Dr. Alexander Pflaum vom Fraunhofer Institut SCS, Steinwald-Allianz-Vorsitzender Hans Donko und MAN-Regionalleiter Martin Zaindl. Foto: Oberpfalzecho

Architekt der Steinwald-Allianz

Auch dass Erbendorf nach dem Brand von 2009 wieder eine neue Stadthalle bekam, habe man Donko zu verdanken. Einen städtebaulichen Kraftakt habe er mit der Wohnanlage Brückelpoint mit 71 Doppelhaushälften für die US-Streitkräfte und dem Aufbau des Nahwärmenetzes hingelegt. Das Bürgerhaus, das Museum „Flucht und Vertreibung“, die ambulante Tagespflege und den Bau der Schulschwimmhalle habe der Vorgänger auf den Weg gebracht. „Im Gewerbegebiet, das Hans Donko initiiert hat, gibt es eine Reihe von Startups, die als Einmann-Betrieb begannen und inzwischen bis zu hundert Beschäftigte zählen.“ 

Donko habe auch über die Stadtgrenzen hinaus gewirkt: Ihm sei es zu verdanken, dass sich 10 Gemeinden und Städte zur Steinwald-Allianz zusammengeschlossen hätten – heute ein Zweckverband mit 17 Mitgliedskommunen. Ein daraus resultierendes Großprojekt: der Radwegebau rund um den Steinwald und die Öko-Modellregion. Wer nichts tut, kann nichts falsch machen. Umgekehrt: Wer viel tut, zahlt viel. Deshalb muss Reger heute etwas kürzertreten: „Laufende Projekte führen wir weiter, ansonsten konsolidieren wir uns finanziell.“ Dennoch geht es im Bereich der Stadtentwicklung mit Mitteln der Städtebauförderung und Investitionen in die Infrastruktur in der Innenstadt und den Stadtvierteln kontinuierlich weiter. Investitionen im Energiebereich werden die Stadt finanziell dauerhaft entlasten.

So schön ist Erbendorf. Foto: Touristinfo

Regers Ferienjobs bei Seltmann

2022 habe man das Projekt „Tagespflege-Einrichtung“ abgeschlossen, 2023 wurde das Museum für „Flucht und Vertreibung“ fertig. Ebenso werden heuer das Bürgerhaus und die Schwimmhalle in Betrieb genommen. „Den Straßenunterhalt haben wir zurückgestellt für den Breitbandausbau“, sagt der Bürgermeister. Kanal- und Energiekosten bereiten auch immer wieder Kopfzerbrechen. „Aber insgesamt läuft es gut und für die Weiterentwicklung ist der Weg klar.“ Familien sind die Zukunft: „Die Kinderzahlen steigen wieder“, sagt Reger, „wir müssen uns anpassen bei Kinderkrippen und -gärten.“ Ein Vorteil: „Alle sind zentrumsnah, deshalb ist Leben in der Innenstadt.“ Auch in der Tagespflege bringe man verschiedene Generationen zusammen. „Wir haben 20 größere Bauprojekte, einige werden heuer fertig.“ 

Wirtschaftlich habe man inzwischen einen vielseitigen Branchenmix hinbekommen, aus dem viele Leuchttürme herausragen: „Zwischen Abitur und Studium habe ich als Formgießer bei Seltmann gearbeitet“, erinnert sich Reger. Auch im Vorpraktikum und immer im Winter. „Seltmann hat kontinuierlich investiert, Roboter eingeführt, kein Mensch langt da mehr das Geschirr an, das ist von Boden bis Decke voll mit Hightech.“ Ähnlich sehe es bei der Weiß Messwerkzeuge GmbH aus: „Auch deren Wasserwaagen-Herstellung läuft mit Hochtechnologie.“ Ebenso sind die Industriebetriebe im Gewerbegebiet auf dem modernsten Stand und für die Zukunft gerüstet.

Werksverkauf bei Seltmann Erbendorf. Foto: Seltmann

Kultur ist schön, macht aber Arbeit

Der kultivierte Herr Reger hat natürlich auch ein Herz für die Kultur. Da sieht er alle Gemeinden am Zug: „Das kann eine Kleinstadt alleine nicht abdecken.“ Zusammen aber würde ein Schuh daraus: „Wir haben so viele super Dinge im Landkreis, unser Theater in der Stadthalle, den Spielmannszug und Zither-Club sowie die kirchlichen Musikgruppen, die Wurzer Sommerkonzerte, die Konzerte in Speinshart und Weiden, die Futura in Windischeschenbach – ich bin oft selbst überrascht, was es alles gibt, man hat das gar nicht alles auf dem Schirm.“ Sein persönliches Anliegen: die Mitmach-Kultur fördern! „Der Besuch von Veranstaltungen ist das eine, das aktive sich Einbringen steht auf einem anderen Blatt Papier.“ 

Der Spielmannszug und der Zitherclub haben eine aktive Jugend. Die Bläsergruppen aber tun sich trotz aller Anstrengungen in der Jugendarbeit schwer. „Wahrscheinlich sagen die jungen Leute, ,zur Feuerwehr gehe ich, da gibt’s eine Gaudi, aber Posaune nach der Schule ist mir zu anstrengend’.“ Er selbst mag lebendige Volksmusik, die sich weiterentwickelt: „Hubert von Goisern habe ich mal live erlebt, wir waren begeistert.“ In Erbendorf habe Markus Werner Musikunterricht im Ferienprogramm angeboten: „Das wurde anfangs nicht angenommen.“ Dann aber hatte er einen Stand bei der Kirwa: „Daraus entstand ein Weihnachts-Musical, das klasse ankam und inzwischen hat sich eine Gruppe entwickelt, die jeden Freitag im Rathaus probt“, sagt der ehemalige Kolping-Junge, der früher den Kirwa-Zug mitorganisiert hatte.

Zukunftsperspektive für Familie und Jugend 

Mit der Kinderkrippe, den Kindergärten, der offenen und gebundenen Ganztagsschule sowie dem Kinderhort sei die Stadt für die Zukunft gut gerüstet. Das Generationennetzwerk biete für Senioren ein breites Programm. Kinder und Jugendliche fänden bei den Vereinen ein vielfältiges Angebot. 

Dennoch sei die Generation Z im gesellschaftlichen Leben noch nicht angemessen repräsentiert. Corona habe deren Lage noch verschlechtert. „Die Krise ist nun aber vorbei und inzwischen hat ein Zukunftsworkshop der Jugend stattgefunden.“ Die Anregungen aus dem Workshop seien vielversprechend und gingen in die konkrete Umsetzung: „Ich denke da etwa an die Verbesserungen bei den Bushäuschen und dem Jugendkino.“

Open-Air-Kino in Erbendorf. Foto: Constantin Film

Erbendorfer Energiekonzept

„Zu den Windrädern im Hesseunreuther Wald sind die Meinungen geteilt“, sagt Erbendorfs Bürgermeister Johannes Reger. „Vor allem bei den direkt Betroffenen.“ Das Thema beschäftige ihn seit mehr als zehn Jahren, er habe damals eine Kosten-Nutzen-Rechnung zu Windaufkommen und Ertrag aufgemacht. „Wir haben ein Energiekonzept mit Photovoltaik entwickelt, weil die Windräder wirtschaftlich grenzwertig sind – auch weil die Baukosten steigen und Tage mit Windflauten bleiben, wird der Strompreis massiv verteuert.“ 

Dennoch könne Windenergie in gewissem Maß zur Versorgung beitragen: „Wir müssen eine Balance mit der Natur hinbekommen, nicht alles zupflastern.“ Die Planung der Freiflächen-Photovoltaik ist erledigt und die ersten Projekte kommen zur Umsetzung: „Wir haben den Strombedarf hochgerechnet“, sagt der Ingenieur, „wenn mehr Elektro-Heizungen und E-Mobilität kommen, verdoppelt sich der Bedarf. Wie sollen wir das darstellen?“ 

Regers Rezept: „Wenn wir bei uns die PV verdreieinhalbfachen, können wir damit die öffentlichen Gebäude, die Haushalte und den privaten Pkw-Verkehr vom Frühjahr bis Herbst ohne Brennstoff mit Strom und Wärme versorgen.“ Die Großindustrie sei weiter auf Importe angewiesen. Was aber mache man im Winter? „Ein bisschen was bringt der Wind schon. Auch Biogas kann eine tragende Säule sein.“ Wasserstoff sei mit riesigen Verlusten behaftet und der Wasserverbrauch müsse sorgfältig geplant werden. „Da wird sich jeder fragen müssen: Was kann ich persönlich beitragen?“ 

Auf kommunaler Ebene arbeite man daran, weitere Dachflächen zu nutzen: „Wir haben eine große Anlage am Brücklpoint und haben uns Freiflächen-PV auf 24 Hektar verteilt auf mehrere Gebiete als Ziel gesetzt – zwei davon gehen gerade in die konkrete Umsetzung.“ Für die Nutzung der Dächer auf Schule, Turn-, Schwimm- und Stadthalle lägen Konzepte vor. „Nur wenn die Öffentliche Hand sowie Industrie und Haushalte in die regenerativen Energien investieren, kommen wir mit der Energiewende voran.“

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