Unsere Bürgermeister (5): Warum Sebastian Dippold sich sein Büro mit Stoffhasen teilt

Neustadt/WN. Nach zwölf CSU-Jahren hatte Sebastian Dippold 2020 das Rathaus in der Kreisstadt wieder für die SPD zurückerobert. Die Entsorgung der giftigen Altlasten der Bleikristallindustrie stand und steht ganz oben auf seiner Agenda.

Sebastian Dippold (37) ist seit 2020 Bürgermeister der Kreisstadt. Foto: Theo Kurtz

Wie viele Stoffhasen sind es? Sechs, zehn oder noch mehr? Egal, die stehen jedenfalls fein säuberlich aufgereiht vor den beiden Computerbildschirmen auf Dippolds Schreibtisch. Mit einem einzigen Exemplar fing alles an. Der Bürgermeister hatte das Knuddeltier beim Radlfahren gefunden, aber nicht mehr seinen Besitzer. Kurz vorher hatte er eine Familie mit einem weinenden Kleinkind entdeckt. “Vermutlich hatte das Stofftier der Kleinen gehört”, erinnert er sich. Doch die Leute waren kurze Zeit später wie vom Erdboden verschluckt. Über Facebook und auch über den Radiosender Bayern 3 hatte der Bürgermeister nach dem Bärchen-Besitzer suchen lassen. Vergeblich. Das Häschen ist noch immer in seinem Besitz. Dazu gesellten sich peu à peu größere und kleinere Mümmelmänner, die ihm die Hörer ins Rathaus geschickt hatten.

50 Stimmen Vorsprung bei der Stichwahl

Dort sitzt er jetzt seit 1. Mai 2020. In der Stichwahl und mit einem Mini-Vorsprung von 50 Stimmen hatte er den Sprung in den Chefsessel geschafft. In der Politik einmal Karriere zu machen, das hatte der gelernte Hörfunkredakteur nie angestrebt. “Ich will zwar etwas bewegen, aber ich bin nicht auf Ämter aus.” Apropos bewegen: Genau aus diesem Grund hatte er im Alter von 20 Jahren den Ortsverband der Jusos in der Kreisstadt aus der Taufe gehoben. Zwei Jahre später hatte er das SPD-Parteibuch in der Tasche. Wenn politisch aktiv, dann nur bei den Genossen. Das war für ihn von vornherein klar. Konservative Ansichten mag er nicht. “Das ist für mich wie Stillstand“. Und den mag er erst recht nicht. 

Alle Blicke waren auf ihn gerichtet

Als Juso-Ortsvorsitzender war er bei der Klausursitzung der Neustädter SPD in Flossenbürg mit dabei. „Das dürfte 2016 oder 2017 gewesen sein.” Damals wurde darüber beraten, wen man in das Bürgermeisterrennen im Jahr 2020 schicken sollte. Dippold hatte fleißig mitdiskutiert, ohne aber irgendwelche Ambitionen zu haben. Doch irgendwann hatte er dann festgestellt, dass sich alle Blicke auf ihn richten. Er sagte zu. „Wenn du etwas bewegen willst, musst du auch so eine Aufgabe annehmen.“ 

Klinken putzen war angesagt

Dippold bereitete sich akribisch darauf vor, besuchte zahlreiche Seminare der Friedrich-Ebert-Stiftung. Entsprechend geschult, stürzte er sich in den Wahlkampf. Nach Feierabend hieß es für ihn: Klinken putzen und sich beim Wahlvolk bekannt machen. Eine Kärrnerarbeit, die sich in seinen Augen aber auf alle Fälle ausgezahlt hat. In dem Städtchen mit seinen 6.000 Einwohnern leben genügend Bürger, die man halt nicht an Stimmtischen oder in den Vereinen abholen kann. “Also musst du zu den Leuten hin und dich vorstellen.“

Altlasten der Bleikristallindustrie müssen weg

Ganz oben auf seiner Agenda stand damals wie heute: Die Stadt von ihren Altlasten aus Bleikristall-Zeiten zu befreien. Deren giftige Hinterlassenschaften findet man bis heute noch immer im Stadtgebiet. Vermutet werden sie im Erdboden der Freizeitanlage. Untersuchungen sollen hier für Klarheit sorgen. Zu finden sind sie auf dem ehemaligen Firmengelände von Tritschler und Winterhalder. Dabei hätte gerade diese belastete Industriebrache Entwicklungspotenzial. Dippold hatte das Areal auch schon mal als Austragungsort für eine Landesgartenschau ins Spiel gebracht. Die maßgeblichen Leute hatten sich vor Ort bereits umgesehen, fanden das Gelände spannend. Das Problem: Die Landesgartenschau übernimmt keine Altlastenentsorgung. Vorher muss die Kommune also klar Schiff machen. Dann kann man eine Bewerbung starten.

Interesse an dem Gelände

„Wir sind an dem Gelände interessiert“, erzählt der Bürgermeister. Doch die Eigentumsverhältnisse sind nicht so einfach und die Preisvorstellungen klaffen auseinander. „Im Grunde genommen müsste man es eigentlich geschenkt bekommen.“ Dippold ist trotzdem zuversichtlich, eine Einigung zu erzielen. „Die Verhandlungen sind auf einem guten Weg.“ Was könnte man aus dem sanierten Areal nicht alles machen. Ein Naherholungsgebiet zum Beispiel. Dippolds Traum wäre auch, eines der alten Gebäude in eine Sporthalle zu verwandeln, in der dann die DJK-Basketballer – Traum zwei – ihre Zweitbundesliga-Pflichtspiele abhalten können. Momentan gehen die Korbjäger ja in der zweiten Regionalliga auf Punktejagd. 

Auf dem Weg zur energieautarken Gemeinde

Der Ukraine-Krieg und die dadurch ausgelöste Energiekrise haben Dippold und den Stadtrat aktiv werden lassen. Bis auf den Stadtplatz wurden alle Laternen auf LED umgerüstet. Auf dem Dach der Stadthalle wurde eine leistungsstarke Fotovoltaik-Anlage installiert. Gemeinsam mit Nachbarkommunen will man das Windenergie-Potenzial ausloten. Mit dem Freien Wähler-Stadtrat Karl Meier hat die Kommune zudem einen versierten Energiereferenten bestellt. „Wir wollen energieautark werden“, lautet Dippolds Ziel. Nicht weniger ambitioniert ist ein anderes: Die Verwaltung ist personell unterbesetzt. Aktuell fehlen noch immer vier Leute. „Das haben uns auch schon Fachstellen bescheinigt.“ Wenigstens konnte mit dem Technischen Bauamt nicht nur ein wichtiges Ressort geschaffen, sondern mit Thomas Baldauf auch exzellent besetzt werden. „Diese fachliche Expertise, die wir jetzt im Haus haben, hilft uns enorm weiter.“ 

Kommunale Liegenschaften erhalten

Ansonsten wird in den nächsten Jahren viel Geld in den Erhalt der kommunalen Liegenschaften investiert werden müssen. Die 25 Jahre alte Stadthalle könnte eine Auffrischung vertragen und auch das Feuerwehrgerätehaus ist schwer in die Jahre gekommen. Vielleicht wird sogar ein Neubau notwendig. Wenn Dippold nicht gerade im Rathaus sitzt, kann man ihn vielleicht dort antreffen. Er ist immerhin Oberfeuerwehrmann, Maschinist und eigentlich auch ausgebildeter Atemschutzträger. Das haut aber aufgrund seines Vollbarts nicht mehr hin. 

In der Natur unterwegs

Wandern und fischen, das macht der Rathauschef in seiner Freizeit am liebsten. „Ich mag die Natur und finde dort die Ruhe, um abschalten zu können.“ Zum Einkaufen geht er mittlerweile nicht mehr so oft. Als ihn einmal seine Freundin eigentlich nur kurz zum Bäcker schicken wollte, kam er erst nach einer geschlagenen Dreiviertelstunde wieder heim. Viele Neustädter hatten ihren Rathauschef in ein Gespräch verwickelt. Jetzt holt die Freundin die Frühstückssemmeln. „Dafür fahre ich mit ihr alle zwei Monate für ein Wochenende zum Wellnessen“, lächelt er. 

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