WohnSachWerte: Staatsanwaltschaft steht kurz vor Anklageerhebung

Weiden. Die Staatsanwaltschaft Weiden steht kurz vor der Anklageerhebung gegen die WohnSachWerte eG. Die "Genossenschaft" soll 13,5 Millionen Euro an Beiträgen zweckfremd verwendet haben. Dem hauptverantwortlichen Ehepaar könnte damit ab Spätsommer der Prozess gemacht werden.

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Foto: OberpfalzECHO

Im Büro von Staatsanwalt Wolfgang Voit stapeln sich aktuell die Umzugskisten. Sie enthalten Ermittlungsakten im Strafverfahren gegen die Verantwortlichen der Genossenschaft WohnSachWerte eG. Der Schlussbericht der Kriminalpolizei Weiden, Kommissariat 2, liegt vor. 237 Seiten dick. Daran haben in den letzten Monaten Kripo-Mitarbeiter aus der ganzen Oberpfalz in einer eigenen Ermittlungsgruppe gearbeitet. Untergebracht war die Kerngruppe von acht Kommissaren bei der Polizeiinspektion Eschenbach.

Drei Beschuldigte im Hauptverfahren: Ehepaar und Sohn

Beschuldigte sind die Vorständin (49), ihr Ehemann (53, der Aufsichtsratsvorsitzende) und ihr erwachsener Sohn aus erster Ehe als Aufsichtsrat. Das Ermittlungsverfahren gegen sechs weitere Beschuldigte (darunter der zweite Vorstand, 35 Jahre, aus Regensburg) ist abgetrennt worden, um keine Zeit zu verlieren. Die zwei Hauptbeschuldigten sitzen immerhin seit über einem Jahr in Untersuchungshaft. Der Prozess muss so früh wie möglich beginnen. Realistisch ist Herbst.

Allein die Verlesung der Anklage könnte sich dann ziehen. Die Rechtssprechung des Bundesgerichtshofs sieht vor, dass alle Geschädigten einzeln benannt werden, dazu ihr Schadensbetrag. Voit prüft derzeit, wie viele mutmaßliche Betrugsopfer er in die Anklage aufnimmt. Die Genossenschaft führte insgesamt 107.000 Genossen, die potenziell geschädigt sind. 20.955 davon sind mit Zahlbeträgen im Schlussbericht aufgeführt.

Das Geld ist weg. Staatsanwalt Wolfgang Voit

Immobilien: Nur eine kleine Wohnung in Rothenstadt

Insgesamt wird von einer Schadenssumme von 13,5 Millionen Euro ausgegangen. Hauptvorwurf: Die Gelder der Genossenschaft seien nicht für den eigentlichen Zweck (Immobilien) verwendet worden. Tatsächlich kann man der WSW nur eine einzige Wohnung in Rothenstadt zuordnen.

Die Gelder wurden nach Erkenntnis der Kripo zum Großteil aus dem Unternehmen herausgeleitet. 9 Millionen Euro flossen, teilweise deklariert als “Provisionsleistungen”, auf das Konto einer anderen Firma des Ehemannes. Diese Gelder gingen teilweise weiter an “Broker”, die das betrügerische System in Schwung gehalten haben sollen.

Ab 2018 warb die Genossenschaft bundesweit um Mitglieder und wuchs rasend schnell. Ein Großteil der Kleinanleger schloss den Vertrag online ab, unter anderem über das Portal “Foerderhelden.de”. Staatsanwalt Voit geht davon aus, dass zumindest ein Großteil der Verträge nicht formwirksam zustande gekommen ist.

Bundesverband Verbraucherschutz gab Anstoß

Ihren Ursprung haben die Ermittlungen in Strafanzeigen, die vereinzelte Genossen gestellt haben. Sie bemerkten, dass ihr Arbeitgeber vermögenswirksame Leistungen abführte und wussten nichts von einem Vertragsabschluss. Etwas mehr Bewegung kam in die Ermittlungen, als der Bundesverband Verbraucherschutz Anzeige erstattete. Er strengte ein Unterlassungsverfahren gegen die WSW an. Die Kripo tätigte daraufhin Finanzermittlungen und stieß auf das auffällige Finanzkonstrukt: hohe Einnahmen, die zu einem hohen Grad wieder aus der Genossenschaft abflossen.

Den Einzahlern – kleine Arbeiter und Angestellte – wurde vorgegaukelt, sie würden ihre vermögenswirksamen Leistungen sinnvoll anlegen. “Das Geld ist weg”, sagt Staatsanwalt Wolfgang Voit. Nur eine halbe Million Euro (von über 13 Millionen) ist noch da. Vom Rest unterhielt das Ehepaar zum einen den eigenen Mitarbeiterstab. Zudem mussten Callcenter bezahlt werden, die Mitglieder anwarben.

Aufwändiger Lebensstil: Fernreisen und Aston Martin

Mit einem Teil der Millionen finanzierte sich das Ehepaar seinen aufwändigen Lebensstil. Sichergestellt wurden damals ein (geleaster) Aston Martin und teure Uhren. Das Paar liebte Fernreisen nach Südafrika und Dubai.

Am 22. März 2022 hatte die Polizei das Unternehmerehepaar in seinem Anwesen im Landkreis Neustadt/WN festgenommen. 30 Objekte im ganzen Bundesgebiet wurden durchsucht, unter anderem in Berlin, Hannover, Kaiserslautern, Halle/Saale. Seit diesem Tag sitzen die Eheleute in Untersuchungshaft. Mehrere Haftprüfungstermine endeten ohne Erfolg für die Inhaftierten. Das Gericht sieht Fluchtgefahr. Der nächste Haftprüfungstermin liegt unmittelbar bevor.

Das ist der Zeitablauf: Prozessbeginn nicht vor Herbst

Mit einem Prozessbeginn ist nicht vor Herbst zu rechnen. Staatsanwalt Voit arbeitet aktuell an der Anklage, die er spätestens im Juni erheben will. Dann entscheidet das Landgericht Weiden über die Eröffnung des Hauptverfahrens. Im sogenannten Zwischenverfahren haben die Verteidiger Gelegenheit zur Stellungnahme. Es ist nicht ausgeschlossen, dass das Verfahren am Ende am Landgericht Regensburg verhandelt wird. Die dortige Wirtschaftsstrafkammer ist zentral zuständig für komplexe Wirtschaftsstrafsachen.

Im Rahmen der Ermittlungen haben sich alle drei Beschuldigten in Vernehmungen geäußert. Die Vorständin hat zwei Verteidiger: Rouven Colbatz (Weiden) und Jörg Meyer (Regensburg). Der Aufsichtsratsvorsitzende wird von Anwalt Michael Haizmann (Regensburg) vertreten. Der ursprüngliche Pflichtverteidiger Matthias Haberl ist nicht mehr dabei. Der Sohn war im August 2022 aus der Untersuchungshaft entlassen worden, sein Verteidiger Dominic Kriegel kündigte damals Kooperationsbereitschaft an.

Das beschuldigte Ehepaar ist in Weiden und Umgebung bekannt. 2019 war wegen eines Kinderhilfsvereins “Karolina e.V.” ermittelt worden, den die beiden gegründet hatten. Das Verfahren war im November 2019 letztlich eingestellt worden, weil die selbst gegebene Vereinssatzung das Verhalten der Vorsitzenden abdeckte. Wie man jetzt weiß, lief zu diesem Zeitpunkt ab 2018 schon die mutmaßlich weit größere Nummer: die bundesweite Millionenabzocke von Kleinanlegern.

Parallel zur Strafsache läuft ein Insolvenzverfahren: “Finanzskandal: Gläubiger wollen ihr Geld zurück”

Die Festnahme mit Durchsuchungen erfolgte im März 2022: “Luxusleben auf Kosten anderer finanziert: Ehepaar in Untersuchungshaft”

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