Bockboanig [ˈbɔkbaɪ̯nɪç]: Manus Hohlpumpmuskel

Nordoberpfalz. Meine Glosse steht in dieser Woche ganz unter dem Motto – frei nach Goethe – "Die Leiden des jungen Manu N.", dem ja vor kurzem nach eigenem Bekunden das Herz herausgerissen wurde. Die arme Haut, ich möchte nicht mit ihm tauschen. Oder doch?

Der Beweis ist erbracht – es gibt immer einen, der besser ist. Foto: Andreas Huber

Diese Fußballprofis sind doch so was von weltfremd, abgehoben und arrogant – fast alle, außer unser Manu. So war doch bis vor kurzem die allgemeine Meinung. Vielleicht ist es ganz gut, dass jetzt mal ein sakrosanktes Idol so richtig schön einen rausgehauen hat. Und ich habe mich tatsächlich über Maßen geärgert. Im Gegensatz zur Politik, da ärgert man sich über Maaßen schon gar nicht mehr (auch die schlechten Wortspiele sollte man immer selber machen). Irgendwie machte das immer den Reiz aus, dass man unabhängig von der eigenen Leistung und Kompetenz über die Halbgötter auf dem Rasen gnadenlos urteilen darf.

So hat sich also vor kurzem auch Strafraumgott Manuel Neuer in einem Interview in der Süddeutschen Zeitung zur Entlassung seines Freundes und Torwarttrainers Toni Tapalovic geäußert.

Ich hatte das Gefühl: Mir wird mein Herz rausgerissen.Manuel Neuer

Geht es vielleicht mit noch mehr Pathos? Vielleicht sollte der Herr mal statt zum Skifahren nach Mexiko oder Peru reisen. Eventuell findet er ja noch einen heidnischen Priester, der die alten Rituale der Inkas beherrscht.

Lieber Herr Neuer!

Ja, Ihnen wurde Ihr Torwarttrainer geraubt. Tragisch. Ich kann es kaum in Worte fassen. Apropos Worte – als ich die Ihren las, war mein erster Gedanke: “Bei dem hat doch einer den Deckel offen gelassen.” Der Verdacht hat sich leider auch bei mehrmaligen Lesen nicht ausräumen lassen.

Es wäre schön zu wissen, ob Sie nachvollziehen können, wie es der Familie Ihres Bundesligakollegen Sébastien Haller das Herz herausgerissen hat, als die Krebsdiagnose eintraf. Ähnlich dürfte es auch Frau Meier oder Herrn Müller gehen, wenn bei der außerplanmäßig einberufenen Betriebsversammlung ein bestens gefönter Anzugträger auftaucht und sich als Insolvenzverwalter vorstellt. Oder haben Sie eine Ahnung vom Leidensdruck der Rentnerin, die leider von der “gesellschaftlichen Teilhabe” ausgeschlossen ist? Ich gebe zu, die haben zumindest keinen Torwarttrainer, den man ihnen wegnehmen kann.

Lieber Herr Neuer, herzlich willkommen in meiner Realität – dem sogenannten “Leben”. Als Jugendtrainer weiß ich, wie viele Neuer-Trikots Woche für Woche um mich herumwirbeln und an jedem verdienen Sie direkt oder indirekt mit. Natürlich haben Sie auch aufgrund erbrachter Leistungen das Recht, Ihre Meinung zu sagen. Jeder, der selbst Fußball gespielt hat, hat schon mal nachgetreten. In der Regel spontan und mit extrem schlechten Gewissen im Nachgang. Für ein solches Interview braucht es aber Terminabsprachen, Räumlichkeiten, Themenabklärung und letztendlich auch die endgültige Freigabe. Das Ganze war also Wort für Wort so beabsichtigt.

Quo vadis, Manu?

Wie soll es nun für Sie weitergehen? Wie wäre es mit einer WG mit Cristiano Ronaldo und Neymar? Sie könnten beispielsweise einen gemeinsamen Spiegelsaal einrichten, wo sie sich täglich mehrere Stunden betrachten können. Im Bad gäbe es dann eine umgebaute Küchenwaage mit Laserscanner, damit sie alle täglich prüfen können, wer die dicksten und schwersten Testikel hat. Und in der Hauskapelle könnten Sie Ihr herausgerissenes Herz als Reliquie für nachfolgende Torwartgenerationen aufbewahren.

Nix für ungut, aber ich habe mich da geärgert und gebe auch gerne zu, dass das schon harter Tobak von mir ist, denn schließlich sind wir froh, wenn Fußballer mal keine glattgebügelten Aussagen vom Reißbrett äußern. Solange sich die Debatte noch beim Thema Fußball bewegt, ist es ja kein Problem – man kann sich wunderbar echauffieren, dafür oder dagegen sein und sich auch aufs vortreffliche streiten. Weil es eben doch nur Fußball ist.

Es schwappt langsam in die Realität herüber

Wenn das Ganze leider nicht auch eine Blaupause unserer gesellschaftlichen Entwicklung wäre. Und so, wie der Verein immer größer sein sollte als der einzelne Spieler, sollte auch die Gesellschaft, der Staat, über dem einzelnen stehen. Die Zeiten dieser Solidarität und Fair-Plays sind leider vorbei.

Und so, wie dieses Verhalten jetzt beim Fußball verklappt wird (“Er fordert Respekt für seine Leistungen”, “Es hat schon ein leichter Kontakt stattgefunden”), so reden wir uns solches Fehlverhalten auch in der Gesellschaft schön. Darüber sollten wir uns aufregen, denn im Gegensatz zur großen Fußballbühne wäre das wirklich wichtig.

Ich habe fertig.

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