Die Suche nach einem Facharzttermin gleicht einer schier aussichtslosen Odyssee

Weiden. Wenn jemand einen Facharzttermin braucht, kann er was erzählen. Meist nichts Gutes, wie ein Beispiel aus der Region zeigt.

Falls man überhaupt einen Termin bekommt, sind stundenlange Wartezeiten bei Fachärzten keine Seltenheit. Foto: Karl-Hans Krause

Augenarzt, Kardiologe, Hautarzt, Neurologe – für Termine beim Facharzt muss man sich in Geduld üben. Vor allem auf dem Land gleicht die Suche nach einem einigermaßen zeitnahen Termin einem schier aussichtslosem Unterfangen. Gibt es zu wenige Fachärzte zwischen Waldsassen und Waidhaus, Kemnath und Moosbach?

Nur mit Glück zum Termin

Monatelange Wartezeiten sind nicht selten. Nur wer Glück hat, kommt über entsprechende Kontakte schneller an einen Termin. Mitunter kann es sogar bis zu einem halben Jahr dauern, ehe man erlöst wird. Wenn überhaupt. Immer häufiger ist auch zu hören, dass die Praxis keine neuen Patienten mehr aufnimmt. Genauso leidig ist nach wie vor das Ärgernis der bevorzugten Behandlung von Privatversicherten. Fakt ist: Es gibt zu wenig Fachärzte. Und vor dem Hintergrund der älter werdenden Bevölkerung und dem damit auch wachsenden Bedarf an ärztlicher Betreuung wird das Problem in Zukunft eher noch größer.

Wohl dem, der zeitnah einen Facharzttermin bekommt. Foto: Pixabay

„Diät halten“

Exemplarisch für das Facharztproblem ist das Beispiel eines jungen Mannes, der wegen eines Zusammenbruchs in ein Krankenhaus der Region gebracht wurde. Fünf Tage und zahlreiche Untersuchungen später begann die Leidenszeit des Patienten. Von der Klinik mit dem Hinweis nach Hause geschickt, „Diät zu halten“ (welche auch immer gemeint war) und einen Neurologen aufzusuchen, ließ man den Handwerker ziemlich ratlos zurück. Zwar wurde eine konkrete Ursache für den Knockout genannt, „aber mit Sicherheit sagen können wir das nicht“. Deshalb eben der Termin beim Facharzt. Den musste sich der sportliche und bis dato nie mit einem solchen Problem konfrontierte Mann selbst besorgen. Nach circa 30 vergeblichen Versuchen – meist kam gar keine Verbindung zustande – klappte es in der Uni-Klinik Erlangen. Dort bekam er einen Untersuchungstermin am 18. Oktober – zwölf (!) Wochen nach dem Zusammenbruch.

Unter den Zielzahlen

Was sagt die Kassenärztliche Vereinigung Bayern (KVB) zum Dilemma Facharztversorgung? „… dass wir in einzelnen Fachgebieten, z. B. Augenärzte oder Hautärzte, in Nordostbayern eine Versorgungssituation haben, die unter den Zielzahlen liegt … Hier spürt auch die KVB den zunehmenden Ärztemangel und tut sich zunehmend schwer, Interessenten für die selbständige Tätigkeit als niedergelassener Arzt oder Ärztin zu gewinnen“, schreibt Axel Heise von der KVB in München. Auch finanzielle Förderungen hätten kaum Mediziner bewogen, sich auf dem Land niederzulassen. Zum konkreten Fall könne die KVB nichts sagen, schreibt aber: „Es ist auch Aufgabe der Krankenhäuser, Patienten im Rahmen des Entlassmanagements bei der Nachsorge zu unterstützen.“  

Eine andere Realität

Ruth Waldmann, gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion im Bayerischen Landtag, wirft der KVB vor, ihren Versorgungsauftrag nicht ausreichend zu erfüllen. „Das Problem gibt es leider immer wieder. Auf dem Papier gibt es rein rechnerisch nur in vereinzelten Regionen Unterversorgung, in der Lebensrealität der Menschen sieht das aber ganz anders aus.“ Ein Grund sei auch, dass sich zu wenige Ärztinnen und Ärzte speziell in bestimmten Regionen niederlassen wollten. Gleichzeitig wollten viele Mediziner nicht als selbständige Unternehmer das Risiko und die Belastung einer Praxisgründung oder -übernahme eingehen. „Viele bevorzugen heute eine Anstellung in einem MVZ (Medizinisches Versorgungszentrum) oder in einer größeren Praxis.“

Da die Versorgung de facto nicht zuverlässig klappe, sollte die Staatsregierung Verantwortung übernehmen und eine echte Bedarfsplanung für Bayern vorlegen. Waldmann: „Schließlich geht es um die gesundheitliche Versorgung der Bevölkerung, da darf man nicht mehr länger zuschauen und schönreden.“

Stundenlange Warteschleife

Die KVB schreibt, dass es in einem solchen wie dem geschilderten Fall die Möglichkeit gebe, über die Telefonnummer 116117 zeitnah einen Termin beim Facharzt zu bekommen. In der Realität sieht auch das anders aus: Nach schier endlosen Versuchen, die oft genug in einer stundenlangen Warteschleife endeten, teilte man dem 33-Jährigen mit, dass er für eine Terminvereinbarung einen sogenannten Dringlichkeitscode brauche, den ihm der Hausarzt geben müsse. Die Crux dabei: Längst nicht alle Hausärzte beteiligen sich an diesem System. Auch der Arzt des Handwerkers nicht.

Termine über die Servicestelle

Auch das Bundesgesundheitsministerium antwortet auf Anfrage von OberpfalzEcho ähnlich: „Für Patientinnen und Patienten, die keinen Termin bei einem Facharzt finden, besteht die Möglichkeit, sich an die Terminservicestelle der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung zu wenden. Die Terminservicestellen müssen gesetzlich Versicherten innerhalb einer Woche einen Behandlungstermin mit einer maximalen Wartezeit von vier Wochen … in zumutbarer Entfernung vermitteln.“ Bei einer Akutbehandlung gelte eine maximale Wartezeit von zwei Wochen … Könne die Terminservicestelle keinen Behandlungstermin innerhalb der vorgegebenen Wartezeiten vermitteln, habe sie einen Behandlungstermin in einem Krankenhaus anzubieten. Grau ist alle Theorie.

„Wahrscheinliche Krankheit“

Nach der Entlassung aus dem Klinikum setzte sich der Patient ausführlich mit seiner „wahrscheinlichen Krankheit“ auseinander, informierte sich, was er tun und was er lassen sollte. Er entwarf einen speziellen Ernährungsplan und versuchte weiter, einen Facharzttermin zu bekommen. Lange vergeblich. Doch dann geschah doch noch ein kleines Wunder: Nach neun Wochen teilte die Terminservicestelle mit, dass sie für ihn einen Neurologen-Termin vereinbart habe: am 19. Oktober, einen Tag nach der Untersuchung in Erlangen …

   

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