Landkreis Tirschenreuth auf Rekordjagd

Freude über 140-Millionen-Euro-Haushalt und sinkende Kreisumlage

Tirschenreuth. Es kommt nicht alle Tage vor, dass im Kreisausschuss Freude herrscht bei allen Parteien. Grund dafür war der Rekordhaushalt von fast 140 Millionen Euro. Ganz viel damit zu tun hat eine Stadt aus dem westlichen Landkreis.

Das größte Projekt des Landkreises Tirschenreuth der vergangenen Jahrzehnte ist der Neubau der Realschule in Kemnath mit mehr als 60 Millionen Euro. Kürzlich haben die Arbeiten beim Schulzentrum begonnen. Foto: Udo Fürst

Die Zeiten, als der Landkreis Tirschenreuth als das “Armenhaus” der Oberpfalz mitleidig belächelt und verspottet wurde, sind vorbei. In der jüngsten Kreisauschusssitzung wollten die Frohbotschaften schier gar nicht mehr abreißen. Es war fast ein Feuerwerk an Rekorden, das Kreiskämmerer Klaus Pöllmann dem Gremium präsentierte.

Kreisumlage sinkt um fünf Prozent

So war die Rekordzahl von fast 140 Millionen Euro für den Kreishaushalt noch lange nicht der einzige Grund zur Freude bei den Kreisrätinnen und Kreisräten. Ein Novum in der Geschichte des Landkreises ist auch die Reduzierung der Kreisumlage um fünf Punkte von 45,5 auf 40,5 Punkte.

Und schließlich konnte Landrat Roland Grillmeier erfreut noch einen Höchststand zur Kenntnis nehmen: Die Umlagekraft steigt von 107 auf 228 Millionen Euro. “Damit liegt unsere Steuerkraft mit 2.977 Euro pro Einwohner mehr als doppelt so hoch wie im Bayerndurchschnitt“, freute sich der CSU-Politiker.

Geldsegen aus Kemnath

In erster Linie verantwortlich für diese überaus positive Entwicklung des ganzen Landkreises ist die Stadt Kemnath. Seitdem dort 2018 die Gewerbesteuer von 340 auf den bayernweit niedrigsten Hebesatz von 230 Punkten gesenkt wurde, schießen die Einnahmen steil nach oben. So nahm die Kommune 2020 fast 100 Millionen Euro Gewerbesteuer ein – mehr als 60 mal so viel wie drei Jahre zuvor.

Vor allem eine Firma hatte daran mit jährlich unglaublichen 80 Millionen Euro Gewerbesteuer den Löwenanteil: die Siemens Trademark GmbH & Co. KG. Sie hütet die Markenrechte für den weltweit bekannten Namen Siemens. Der Zeitwert des recht unscheinbaren Unternehmens gibt der Konzern mit rund 9,5 Milliarden Euro an.

Immer noch viele Schulden

Haushaltsmäßig gehöre der Landkreis nun zu den am besten ausgestatteten in Bayern, worauf man stolz sein könne, betonte der Landrat. Dank Kemnath und anderen Industriestandorten. Einen kleinen Wermutstropfen schenkte der Landrat den Kreisräten aber doch noch ein: “Wir gehören immer noch zu den am höchsten verschuldeten Landkreisen.” Millionen-Investitionen wie der 63 Millionen Euro teure Realschulbau in Kemnath seien nur durch die Mitfinanzierung durch die Kreisumlage möglich.

Lob der Fraktionen

In seltener Einmütigkeit lobten die Fraktionssprecher das Zahlenwerk des Kämmerers. So sah CSU-Sprecher Bernd Sommer eine tolle Leistung vieler Landkreiskommunen, wobei Kemnath natürlich noch herausrage. Hans Klupp (Freie Wähler) sah es als Ergebnis einer positiven Entwicklung vieler Jahre und Uli Roth (SPD) beglückwünschte Kemnath, wollte aber die Leistungen anderer Kommunen nicht schmälern. Er hätte sich sogar eine etwas höhere Kreisumlage vorstellen können, doch das “würde den Gemeinden wehtun”.

Sehr zufrieden mit dem Haushalt waren auch Matthias Grundler (Liste Zukunft, “Wir dürfen die Sondersituation durch extreme Mehreinnahmen nicht zu Lasten der Kommunen ausnutzen”) und Josef Schmidt (Grüne), der die konstante Hebesatz-Politik lobte, die ein ständiges Hin und Her vermeide.

Weg vom Aschenputtel-Image

“Wir sind nicht mehr das Aschenputtel des Bezirks”, sagte eine sichtlich zufriedener Bezirksrat Toni Dutz (CSU). Statt früher sieben Prozent zahle der Landkreis Tirschenreuth nun 15 Prozent Bezirksumlage. “So viel wie der Landkreis Regensburg”, sagte Dutz. Statt 20,7 Millionen Euro überweist der Kreis in diesem Jahr 40,7 Millionen Euro. Tirschenreuths Bürgermeister Franz Stahl bat um Unterstützung und Verständnis für Industrie- und Gewerbe: “Was würden wir ohne unsere Betriebe machen?”

Schuldenstand steigt

Mit Abstand die größte Ausgabe im Investitionsplan bis 2025 sind die 563 Millionen Euro für den Neubau der Realschule Kemnath. Weitere Ausgaben: Acht Millionen Euro für die Sanierung der Sporthalle beim Stiftland-Gymnasium, zwölf Millionen Euro für den Neubau eines Verwaltungsgebäudes für das Landratsamt und eine Million Euro für die Außenanlagen der Berufsschule Wiesau. Die Schulden des Landkreises steigen von derzeit 28,4 Millionen Euro auf voraussichtlich circa 39 Millionen Euro.

Die endgültige Entscheidung über die Verabschiedung des Haushalts 2022 liegt zwar beim Kreistag, der am 25. März zusammenkommt. Doch das dürfte nur Formsache sein, haben doch alle Fraktionen bereits ihre Zustimmung signalisiert.

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