Neue Regeln im Nachwuchsfußball: Fluch oder Segen?

Weiden. DFB und BFV haben es beschlossen, die Vereine müssen mitmachen: Ab der Saison 2024/25 gibt es bei den jüngsten Kickern gravierende Neuerungen. Von der Reform sind nicht alle begeistert.

Der DFB und der BFV gehen im Juniorenfußball neue Wege. Foto: BFV

Die Liste der Kritiker der geplanten Reform im deutschen Nachwuchsfußball ist lang. Nach den Ex-Nationalspielern Thomas Helmer und Dietmar Hamann haben kürzlich auch Bundesliga-Trainer Steffen Baumgart sowie der österreichische Nationalcoach Ralf Rangnick Zweifel am Sinn der bevorstehenden Änderungen geäußert. „Wir sind eine Generation, die nur noch den weichen und seichten Weg geht“, sagte der Kölner Trainer Baumgart im WDR-Podcast „Einfach Fußball“. Und weiter: „Es ist doch nicht schlimm, wenn ein Kind verliert. Es muss doch lernen, mit Niederlagen umzugehen. Ich muss doch lernen, Spaß an dem Sport zu haben, nicht nur, wenn ich zehn Tore schieße.“

Hintergrund ist, dass der Deutsche Fußball-Bund (DFB) mit Beginn der Saison 2024/2025 bundesweit neue Spielformen im Nachwuchsbereich umsetzen will. Diese sehen im Kern kleinere Mannschaftsgrößen auf kleineren Spielfeldern vor und lösen die bisherigen Wettbewerbsangebote als feste Formate ab.

Spieletage statt Meisterschaftsrunde

Der Deutsche Fußballbund (DFB) erklärt die neuen Spielformen im Kinderfußball unter anderem wie folgt: “Um den Leistungsdruck zu minimieren und die sportliche Entwicklung der Kinder stärker in den Vordergrund zu rücken, wird in der G- und F-Jugend keine Meisterschaftsrunde ausgetragen. Stattdessen sind Spielenachmittage und Festivals mit mehreren Mannschaften und Spielfeldern vorgesehen. Integriert in die Spielformen ist ein Rotationsprinzip mit festen Wechseln der Spieler/innen, um allen Kindern Einsatzzeiten zu ermöglichen.” Wichtigstes Ziel der Reform in den Altersklassen U 6 bis U 11 sei es, mit einer kindgerechten Art des Fußballs den Spaß am Spiel nachhaltig zu fördern. Den Spielern würden mehr Aktionen und persönliche Erfolgserlebnisse ermöglicht.

Harter Kritiker der Reform

Neben den prominenten Kritikern der Reform gibt es auch im Amateurbereich Widerstand gegen das Vorhaben. So wettert die Tirschenreuther “Torwart-Ikone” Huberth Rosner: “Das ist eine Katastrophe. Die Begründung, dadurch den Druck rauszunehmen, kann ich nicht ernst nehmen. Ein Kind muss lernen, zu verlieren. Dazu gehören eine Tabelle sowie Auf- und Abstieg.” Auch ohne Wettkampf werde sich der Bessere immer durchsetzen und Tore schießen. “So gibt es doch auch Verlierer, wenn der Schwächere eben keine Tore schießt.” Der langjährige Keeper und Torwarttrainer (FC Tirschenreuth, FC VW Röslau) und Gründer der Torwartschule TKG Rosner wird deutlich: “Will man den Charakter des Fußballs abschaffen? Der deutsche Fußball ist auch so schon am Boden und bräuchte andere Neuerungen.”

Huberth Rosner Camptalente
Huberth Rosner ist ein entschiedener Gegner der Reform. Bild: TKG Rosner.

Kleinere Teams, vier Tore

Heinz Zach, Jugendleiter im Fußballbezirk Oberpfalz, sieht viel Gutes in der Reform. “Durch das neue System kommen auch die vermeintlich schwächeren Spieler öfter zum Zug. Das bedeutet, dass wir diese Akteure länger haben.” Das sei auch insofern wichtig, als die ganz guten Spieler meist schon in der D-Jugend ohnehin in Stützpunkte wechselten und viele Vereine dadurch in große Personalnot gerieten. Die neuen Spielformen sollen allen Kindern auf dem Platz so häufig wie möglich die Chance geben, den Ball selbst am Fuß zu haben, aktiv am Spiel teilzunehmen, Tore zu erzielen und damit persönliche Erfolgserlebnisse zu haben. “Deshalb setzen wir auf kleinere Teams, viel Abwechslung und zum Teil vier Tore. Die individuelle sportliche Entwicklung der Kinder und Jugendlichen wird damit gefördert, ihre Begeisterung für den Fußball verstärkt.”

“Ohne Torwart ist ein Unding”

Dagegen kann Rosner, der 47-jährige Berufssoldat, dem Vorhaben, in den drei unteren Altersklassen den festen Torwart abzuschaffen und durch ständig wechselnde Keeper zu ersetzen, nichts abgewinnen. “Das ist ein Unding. Soll ein talentierter Keeper erst mit zehn, zwölf Jahren ins Tor? Das ist natürlich viel zu spät.” Leidtragende der Reform seien vor allem kleinere Vereine. “Die müssen sich wegen der neuen Spielformen vier Tore anschaffen und brauchen viel mehr Betreuer als bisher. Viele haben doch jetzt schon Probleme, Trainer und Betreuer in diesem Bereich zu finden.”

Einflussnahme wird minimiert

Der DFB hofft, dass durch die veränderten Spielformen die Selbstständigkeit der Spieler verbessert und das Coachen durch die Trainer und die Einflussnahme der Eltern auf das Nötigste beschränkt werden. “Die Kinder lernen, verstärkt eigene Lösungen zu finden”, sagt der für den Kinder- und Jugendfußball zuständige DFB-Vizepräsident Ronny Zimmermann. Man müsse wie Kinder denken, nicht wie Erwachsene. Nur Kinder, die Spaß und Freude am Spiel entwickeln, würden dem Fußball erhalten bleiben. Die Reform soll den gesamten Fußball und seine Vereine an der Basis langfristig stärken, betont der Vizepräsident.

Der Punkt mit dem Einmischen der Eltern bei Jugendspielen ist auch für Huberth Rosner ein Kriterium, das er nachvollziehen könne. “Es ist gut, dass dies abgestellt wird.”

Viele Ballaktionen ermöglichen

Christian Most, Leiter des BFV-Nachwuchsleistungszentrums bei der SpVgg SV Weiden, hält die Idee, bei den jüngsten Jahrgängen auf kleinere Spielfelder zu gehen, grundsätzlich gut. “Ziel ist es ja, den Kindern möglichst viele Ballaktionen zu ermöglichen. Schwächere Spieler bleiben durch die wenigen Ballkontakte auf der Strecke und verlieren so die Lust am Fußball. Funino ist ja nur ein kleiner Teil des neuen Kinderfußballs. Das Gesamtkonzept sieht eine klare Differenzierung zwischen den Altersklassen (G-, F- und E-Jugend) vor. Während die Jüngsten im Zwei-gegen-Zwei oder Drei-gegen-Drei auf vier Minitore spielen, gibt es bereits bei der F-Jugend die Möglichkeit vom Drei-gegen-Drei oder Vier-gegen-Vier auf ein Fünf-gegen-Fünf auf zwei Kleinfeldtore mit Torhüter zu wechseln. Das heißt, auch Torhüter können bereits in der F-Jugend eingesetzt werden.”

BFV-NLZ-Leiter Christian Most. Foto: Werner Franken

Ab E-Jugend regelmäßig

Ab der E-Jugend kämen Torhüter regelmäßig zum Einsatz. Positionsspezifische Aspekte, auch im Torwartspiel, spielten für Most in diesem Alter noch keine Rolle. “Meine Erfahrungen auch beim DFB haben gezeigt, dass es in diesem Alter auch immer wieder zu Veränderungen auf der Torwartposition kommt. Ich habe beide Fälle schon erlebt. Torhüter wollten lieber im Feld spielen und Feldspieler wollten genauso gerne ins Tor. Wir hatten einen Fall bei uns am Stützpunkt, wo ein Feldspieler ins Tor gewechselt ist und jetzt sogar zur U 14-Bayernauswahl gehört.”

“Entwicklung der Spieler wichtiger”

Dem Stützpunktleiter ist auch das Thema “Wettbewerbscharakter” sehr wichtig. “Es wird im Jugendbereich – auch bei älteren Mannschaften – viel zu sehr auf Siege, Punkte und Ligenzugehörigkeit geachtet. Aus meiner Sicht ist es viel wichtiger, unsere Talente gut und qualitativ auszubilden. Die Entwicklung jedes einzelnen Spielers oder Spielerin muss im Jugendbereich absolut im Vordergrund stehen.” Für ihn seien gute Trainer mit einer guten Ausbildung viel wichtiger als die Liga, in der ein Team spiele. Christian Most: “Gerade von der G bis zur E-Jugend sind für mich Punkte und Siege vollkommen uninteressant. Spaß am Fußball und viele Ballkontakte sind hier gefragt.”

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