Straßenumfrage: Das sagen die Weidener zum sozialen Pflichtjahr

Weiden. Bei einer bundesweiten Umfrage haben sich 45 Prozent der 16- bis 35-Jährigen für ein verpflichtendes soziales Jahr ausgesprochen. Wie stehen die Oberpfälzer einem Arbeitseinsatz in Altenheimen oder Pflegeeinrichtungen gegenüber?

Es fehlt an Fachkräften in der Pflege und medizinischen Versorgung. Ein verpflichtender einjähriger Arbeitseinsatz im sozialen Bereich könnte die Lage entspannen. Vor der Abschaffung der Wehrpflicht hatte der parallele Zivildienst eine vergleichbare Funktion.

Bei einer bundesweiten Umfrage konnten sich fast genauso viele 16- bis 35-Jährige das frühere Modell Wehrpflicht oder Zivildienst (44 Prozent) vorstellen wie ein soziales Pflichtjahr (45 Prozent). Nur eine Minderheit möchte dabei allerdings ausschließlich junge Männer verpflichtet sehen (27 Prozent). Wenn schon, dann beide Geschlechter.

Grund der Diskussion

In einer Pressekonferenz äußerte kürzlich Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die Sorge, dass die Pandemie, die Folgen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine, Inflation und galoppierende Energiepreise sowie Katastrophen infolge des Klimawandels die gesellschaftlichen Spannungen weiter vergrößern könnten. Den Zusammenhalt glaubt Steinmeier mit einem sozialen Pflichtjahr wieder stärken zu können.

Wir müssen in dieser Krisenzeit mehr tun, um den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft zu stärken.Frank-Walter Steinmeier

Die Menschen hätten in der Coronapandemie, während der Flutkatastrophe im Ahrtal und beim solidarischen Umgang mit den Flüchtlingen aus der Ukraine einen großen Einsatzwillen gezeigt. “Das ist gut. Es gibt aber auch Anzeichen dafür, dass das bürgerschaftliche Engagement, das Rückgrat unseres Gemeinwesens, mancherorts schwächer wird”, sagte der Bundespräsident.

Steinmeier habe den Eindruck, dass der Austausch zwischen Jung und Alt, Arm und Reich, Stadt- und Landbewohnern und zwischen Einheimischen und Zuwanderern verloren gehe. Er könne sich deshalb gut vorstellen, dass nicht nur Jugendliche, die unter den Corona-Maßnahmen ohnehin besonders gelitten hätten, sondern auch erwachsene Bürger für ein solches soziales Jahr herangezogen werden könnten.

Weiden ist zwiegespalten, aber eher aufgeschlossen

Wir haben in der Weidener Altstadt nachgefragt, was die Bürgerinnen und Bürger von diesem Konzept halten:

Dr. med. Andreas Falkert aus Weiden
Dr. med. Andreas Falkert aus Weiden
Brigitte Schwarz aus Weiden
Brigitte Schwarz aus Weiden
Renate R. aus Altenstadt bei Neustadt W/N
Renate R. aus Altenstadt bei Neustadt W/N
Mariana Stoyanova aus Vohenstrauß
Mariana Stoyanova aus Vohenstrauß
Klaus Bräuer aus Thiersheim
Klaus Bräuer aus Thiersheim
Foto: Ann-Marie Zell
Foto: Ann-Marie Zell
Foto: Ann-Marie Zell
Foto: Ann-Marie Zell
Foto: Ann-Marie Zell

Einige Interviewpartner, wie Dorothee Rühl und Andreas Falkert, haben selbst ein diakonisches Jahr oder Zivildienst geleistet. Gerade nach dieser positiven Erfahrung würden sie sich wünschen, dass auch die nachfolgende Generation ein soziales Jahr leistet.

Ich glaube, man würde ein soziales Jahr in den meisten Fällen nicht freiwillig absolvieren. Ich kenne viele junge Männer, die anstelle der Wehrpflicht Zivildienst geleistet haben, aber nicht freiwillig in die Pflege gegangen wären. Im Nachhinein waren sie von der Arbeit sehr begeistert und haben neue Einblicke bekommen.

[…]

Also zu Älteren, glaube ich, ist oft der Kontakt durch die Großeltern da. Aber so grundsätzlich zu bedürftigeren Gruppen, vor denen man sonst oft Scheu hat, wird die Distanz eher größer. Das Pflichtjahr ist hier eine gute Sache, um Brücken zu bauen.Dorothee Rühl

Stadträtin Brigitte Schwarz (SPD) betont, dass in Weiden bereits viele Jugendliche ehrenamtlich tätig sind und sich in Vereinen engagieren. Sie befürwortet das Konzept eines sozialen Jahrs allerdings zumindest vorerst auf freiwilliger Basis.

Mariana Stoyanova ist derselben Meinung: “Es ist schwierig, Jugendliche in ein soziales Jahr zu schicken und einen Beruf ausüben zu lassen, wenn bei manchen kein Herz dahinter steckt.”

Vor- und Nachteile halten sich die Waage

Das Meinungsbild in Weiden bei unserer, alles andere als repräsentativen Umfrage, bleibt diffus. Hoffnungen und Ängste halten sich die Waage. Die Jugend ist tendenziell eher offen für neue und vielleicht sogar spannende Erfahrungen in einem unbekannten Berufszweig. Ein Jahr lang in einer Branche zu arbeiten, die nichts mit den Inhalten aus der Ausbildung oder dem Studium zu tun haben, halten andere jedoch für problematisch.

Vor allem für Menschen, die bereits im Beruf stehen, ist es schwer vorstellbar, das eigene Unternehmen und die liebgewonnenen Kollegen auf Zeit zu verlassen. Dabei spielen durchaus auch pekuniäre Überlegungen eine Rolle: Nicht wenige bezweifeln, mit der Aufwandsentschädigung während ihres sozialen Pflichtjahres den teuer gewordenen Lebensunterhalt bestreiten zu können.

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1 Kommentare

Gisela's Stubenraucht - 11.11.2022

Find ich eine super Idee! Weiter so Weiden