Wodka in der Cola: Angeklagter trinkt während Verhandlung

Weiden. Das gibt es so nicht alle Tage. Ein Angeklagter genehmigt sich am Amtsgericht Weiden während der Verhandlung Wodka, gemischt mit Cola.

Schnaps, Wodka, Vodka, Alkohol, trinken, betrunken
Symbolbild: Pixabay

Montagvormittag, Amtsgericht Weiden. Verhandelt wird gegen einen 41-Jährigen aus Vohenstrauß. Unter dem Tisch, zwischen seinen Turnschuhen, hat er eine 1,5-Liter-Flasche Cola stehen. Während der Verhandlung nimmt er immer wieder ein paar Schlucke. Bis sich Richterin Carina Särve die Flasche an den Richtertisch bringen lässt. Sie schnuppert kurz. Ergebnis: Wodka. “Das bleibt bei mir.”

Hauptproblem ist Alkohol

Dort steht die “Coca-Cola” dann bis zum Urteil gegen Mittag. Die Flasche enthält das Kernproblem des 41-Jährigen: Alkohol. Am Montag steht er zum 18. Mal vor Gericht, in jungen Jahren am Amtsgericht München, seit einiger Zeit bei der Justiz Weiden. Diesmal hat Staatsanwalt Andreas Falk fünf Anklagen dabei. Darunter sind drei Trunkenheitsfahrten mit dem Fahrrad. Bei Promillewerten, bei denen jemand anders nicht mehr auf den Sattel käme.

Die Blutentnahmen ergaben einige Stunden nach den Taten 1,99 bis 2,4 Promille. Zu den Tatzeiten muss rechnerisch von Werten zwischen 2,29 bis 2,75 Promille ausgegangen werden, so ein Gutachten. Das Landratsamt Neustadt/WN hat dem Frührentner schon vor längerem das Radfahren untersagt.

Auf Supermarktparkplatz fixiert

Eine dieser Trunkenheitsfahrten gipfelte im April 2022 in einem Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte. Die Polizei Vohenstrauß war an einem Nachmittag auf den Parkplatz eines Supermarktes gerufen worden. Der Angeklagte (2,4 Promille) hatte vor Passanten seine Lebensgefährtin geschlagen. Die Beamten schlichteten. Der 41-Jährige sollte sein Rad heim schieben. 50 Meter weiter stieg er auf und radelte los. Die Polizei holte ihn ein.

Die Aggressivität steigerte sich auf dem Weg zum Streifenwagen. Mit ganzer Kraft habe sich der Betrunkene ihrem Griff entwinden wollen, berichten die Vohenstraußer Polizisten im Zeugenstand. “Das Aggressionspotenzial war enorm.” Grenzpolizisten und Verkehrspolizisten kamen zur Verstärkung. Am Ende ging es für den 41-Jährigen mit Handschellen und Kabelbindern an den Füßen im Rettungswagen ins Bezirkskrankenhaus. Derart außer Rand und Band kenne man ihn gar nicht, sagt ein Beamter: “Sonst kann man an sich mit ihm reden.”

Mit 2,07 Promille auf dem Bocklradweg

Und man kennt sich gut. Jeden Polizisten, jede Polizistin verabschiedet der 41-Jährige wie einen alten Bekannten aus dem Zeugenstand: “Servus”, “Ciao-ciao!” und “Mach’s gut!”

Eine weitere Trunkenheitsfahrt endete an einem Juni-Nachmittag 2022 am Bocklradweg ebenfalls in einer Totaleskalation. Der Vohenstraußer und ein Freund aus dem Landkreis Tirschenreuth waren volltrunken mit E-Bikes unterwegs. Der Kumpel stürzte und verletzte sich am Kopf. Als das Rote Kreuz eintraf, flippte der Tirschenreuther aus, zeigte den Hitlergruß, beschimpfte die Sanitäter. Der Angeklagte war keine große Hilfe, er hatte selbst 2,07 Promille. Der Zirkus mit seinem Spezl ging im Krankenhaus weiter, wo er stundenlang die Behandlung verweigerte.

Angeklagter trinkt sich langsam zu Tode

“Sind Sie eigentlich irgendwann mal nüchtern?”, fragt Richterin Carina Särve. Eigentlich nie. “Ich weiß nicht, wie ich das aufhören kann”, sagt er, “es hilft meiner Leber, wenn ich Alkohol trinke.” Nur so ließen sich die Schmerzen ertragen. Seine Leber ist kaputt, seine Bauchspeicheldrüse ist entzündet, die Gallenblase wurde entfernt.

Laut Landgerichtsarzt Dr. Rieder werde der gesundheitliche Verfall noch massiv zunehmen. Früher oder später würden die körperlichen Schäden den Angeklagten einholen, prophezeit der Mediziner. “Der nächste Rausch kann dann zu viel sein.” Der Mediziner prophezeit kognitive Schäden. Den intellektuellen Verfall. Umso schneller, je mehr Hochprozentiges der Angeklagte trinke. Kommentar des 41-Jährigen: “Aber Bier hilft nicht.”

Vorstrafenregister mit 18 Einträgen

Der 41-Jährige hat 18 Vorstrafen (Diebstahl, Raub, Betrug, Körperverletzung, Widerstand, Drogen). “Das brauchen Sie jetzt nicht vorlesen, das dauert zu lang”, sagt er zur Richterin. Er war schon zweimal im Gefängnis und zweimal nach Paragraph 64 in Entziehungsanstalten untergebracht. Zuletzt war der Angeklagte 33 Monate stationär in einer Klinik – und wurde ruckzuck wieder rückfällig. Eine Bewährungshelferin ist ratlos: “Im ambulanten Setting ist er nicht führbar.” Seinen Lebensunterhalt bestreitet er von 450 Euro Frührente und Grundsicherung.

Der Staatsanwalt Andreas Falk plädiert aufgrund “keinerlei Erfolgsaussicht” auf 1,5 Jahre Haft ohne Bewährung. Verteidiger Dominic Kriegel führt die “geringe abstrakte Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer” ins Feld. Er fordert eine Geldstrafe, was der Angeklagte “super” findet.

Haftstrafe ohne Bewährung: “Vielleicht rette ich ja Ihr Leben”

“Was mache ich mit Ihnen?”, fragt Richterin Carina Särve. Am Ende wird es ein Jahr Gefängnis – ohne Bewährung. Die Richterin sieht keine Möglichkeit für eine erneute Geldstrafe oder eine erneute Bewährung. Dies ließe sich nicht vertreten. “Deswegen sperre ich Sie ein. Vielleicht rette ich ja Ihr Leben, weil Sie jetzt ein Jahr trocken sein müssen.”

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, es ist innerhalb einer Woche möglich, Berufung einzulegen. Dann würde vor dem Landgericht Weiden erneut verhandelt.

* Diese Felder sind erforderlich.