Schott Rohrglas bekommt Millionenförderung für ein “beispielgebendes Projekt”

Mitterteich. Große Freude bei Schott Rohrglas: Der Glasröhrenhersteller bekommt für seine Pilotanlage für treibhausgasarme Schmelztechnologie knapp 15 Millionen Euro Förderung. Insgesamt wird die Grünstromwanne circa 40 Millionen Euro kosten.

Schott Rohrglas verlängert die Kurzarbeit. Davon sind allein 700 Mitarbeiter im Werk Mitterteich betroffen. Foto: Schott Rohrglas

Die neue Glasschmelzwanne werde überwiegend mit Grünstrom beheizt, teilte das Unternehmen mit. “Dieser Technologiewandel weg von fossilen Energieträgern ist in der Branche beispielgebend”, sagt Schott-Pressesprecher Ludwig Bundscherer.

Vollelektrische Schmelzwanne

Die Glasherstellung ist ein enorm energieintensives Verfahren. So müssen die Wannen auf bis zu 1700 Grad erhitzt werden, damit das Glas schmilzt. Bisher wird diese Hitze meist durch Gas erzeugt. Seit 2021 entwickelt der Glashersteller Schott bereits im Förderprojekt “PROSPECT” eine vollelektrische Schmelzwanne für Spezialglas in pharmazeutischen Anwendungen.

Die Forschung des Technologiekonzerns zur Treibhausgasneutralität bei gleichzeitigem Qualitätserhalt des Spezialglases münden nun im Anschlussprojekt „PROSPECT Pilot“: Am Standort Mitterteich wird auf Grundlage der Ergebnisse eine Pilotanlage zur großtechnischen Umsetzung der weitgehend CO₂-freien Herstellung von Pharmaglas gebaut.

Seit August Kurzarbeit

Die gute Nachricht kann das Unternehmen mit seinen 1350 Beschäftigten allein im Werk Mitterteich – weltweit arbeiten circa 17.000 Männer und Frauen in 33 Ländern für den Glashersteller – gut gebrauchen. Nachdem die Unternehmenszahlen bei Schott jahrelang nur einen Weg gekannt hatten, nämlich den nach oben, musste man zum 1. August in Mitterteich 800 Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken.

Die Betroffenen arbeiten seither circa 15 Prozent weniger. Standortleiter Stefan Rosner hatte damals erklärt: “Wir erleben gerade weltweit eine Schwäche des Marktes für Glasrohr.” Das sei allerdings kein reines Schott-Problem. Auch namhafte Mitbewerber würden Schmelzaggregate kaltlassen.

Schott Rohrglas stellt jedes Jahr mehr als elf Milliarden Pharmaverpackungen für Impfstoffe und Flüssigmedikamente (Stand: 2021) her. Eine besondere Bedeutung kam dem Spezialglaskonzern während der Coronapandemie zu: Drei Viertel aller Covid-Impfstoffentwickler bestellten bei Schott Fläschchen. Die Produktion lief auf Hochbetrieb.

Corona-Boom als Bumerang

Der Boom in der Coronazeit mit Rekord-Auftragszahlen für Glasröhren erwies sich dabei als Bumerang. Rosner: “Während der Coronazeit haben viele unserer Kunden so viel wie möglich bestellt und eingelagert, um das eigene Geschäft abzusichern. Diese Bestände werden jetzt abgebaut, entsprechend sinkt die Nachfrage.” Dazu komme eine stockende Lieferkette in wichtigen Märkten wie Ägypten, Argentinien oder China.

Der Konzern gehe aber davon aus, dass sich die Markt- und Konjunkturprobleme lösen und man 2024 im Werk Mitterteich wieder an allen Glaswannen produzieren könne. Der Standortleiter versicherte, dass man weiterhin auf alle Mitarbeiter setze. “Wir haben im vergangenen Jahr viele Menschen eingestellt und angelernt – 2024 werden wir unser Personal wieder dringend benötigen und unter Volllast laufen. Freistellungen wären deshalb in der aktuellen Situation keine gute Idee und entsprechend auch keine Option für uns”, betonte Rosner.

226x 133 Meter und 30.058 Quadratmeter groß auf zwölf Hektar Gesamtfläche: Das neue Logistikzentrum von Schott Rohrglas am Westrand von Mitterteich an der A 93. Im Frühsommer soll das Distributionszentrum eingeweiht werden. Foto: Udo Fürst

Beruhigend für die Mitarbeiter dürfte auch die Aussage des Schott-Vorstandsvorsitzenden Frank Heinricht auf der Bilanzpressekonferenz des Unternehmens im Januar gewesen sein. Er hatte damals gesagt: “Mitterteich ist ein ganz wichtiger Standort für die Versorgung unserer Pharma-Sparte und auch für andere Hersteller von Pharmaverpackungen. Wir haben hier in den vergangenen fünf Jahren 180 Millionen Euro investiert.” Aktuell wird an der A 93 bei Mitterteich ein neues 30.000 Quadratmeter großes Logistikzentrum gebaut.  

Klimafreundliche Glasproduktion

Über das Förderprogramm “Dekarbonisierung in der Industrie” unterstützt das Kompetenzzentrum Klimaschutz in energieintensiven Industrien (KEI) ein Projekt zur klimafreundlichen Glasproduktion. Aufbauend auf ein gefördertes Forschungsvorhaben wird eine Pilotanlage gebaut, mithilfe der sich Pharmaglas weitestgehend ohne Treibhausgasemissionen herstellen lässt.

Die Qualitätsanforderungen an medizinische Hightech-Produkte, wie Ampullen oder Spritzen, sind beträchtlich. Ihre CO₂-arme Fertigung in einer elektrifizierten Schmelzwanne großindustriell zu erproben, ist Ziel der Schott AG. Das Unternehmen erhält dafür vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) Fördermittel in Höhe von rund 14,8 Millionen Euro.

CO₂-arme Herstellung

Der Technologiekonzern demonstriert mit dem Aufbau einer Pilotanlage im industriellen Maßstab die technische Machbarkeit einer CO₂-armen Herstellung von speziellem Pharmaglas. In den vergangenen zwei Jahren forschte Schott bereits an den Herausforderungen. Die Forschungsergebnisse werden nun in Mitterteich in einem innovativen Anlagenkonzept großtechnisch erprobt.

Im Projekt “PROSPECT Pilot” fließen insgesamt circa 36,4 Millionen Euro in den Bau und Einsatz einer vollelektrischen Glasschmelzwanne. Betrieben mit Grünstrom wird die Treibhausgasemission um etwa 80 Prozent gegenüber der derzeitigen Technologie reduziert. Allein die von Schott betriebenen Pharmaglaswannen verursachen bisher jährlich rund 188.000 Tonnen CO₂-Emissionen.

In einer solchen Pilotanlage soll erstmalig vollelektrisch pharmazeutisches Spezialglas CO₂-arm geschmolzen werden. Grafik: Schott Rohrglas

“Für die energieintensive Glasbranche ist der Klimaschutz eine enorme Herausforderung. Daher freuen wir uns, sie mit diesem Pilotprojekt auf dem Weg in die Treibhausgasneutralität unterstützen zu können. Es geht letztlich darum, die Prozesse so weit wie möglich zu elektrifizieren, um damit den Verzicht auf fossile Energien konkret voranzutreiben. Mithilfe dieses Know-hows wird mittelfristig zur Dekarbonisierung der gesamten Glasindustrie beigetragen”, sagt KEI-Leiter Mario Hüttenhofer anlässlich der Förderbescheidübergabe.

Die Glasindustrie gehört zu den energieintensiven Industriebranchen in Deutschland und verursacht jährlich knapp vier Millionen Tonnen CO₂-Emissionen. Der größte Anteil des Energiebedarfs entsteht im Schmelzprozess. In feuerfesten Schmelzwannen werden die Glasrohstoffe bei Temperaturen von bis zu 1.700 Grad Celsius aufgeschmolzen. Bisher werden diese Wannen hauptsächlich mit den fossilen Energieträgern Erdgas und Heizöl befeuert. Durch eine künftige Elektrifizierung dieses Prozesses sollen erhebliche Mengen des dabei freigesetzten Kohlenstoffdioxids eingespart werden.

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