Soll die Wehrpflicht wieder her?

"Zivis" wären bei Hilfs-und Pflegeorganisationen willkommen

Neustadt/WN. Landrat Andreas Meier hat vorgeschlagen, die Wehrpflicht und mit ihr den Ersatzdienst wieder einzuführen. Was sagen die Hilfsdienste und die Bundestagsabgeordneten aus der Region zu dieser Idee?

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Sollte in Deutschland die Wehrpflicht mit Ersatzdienst wieder eingeführt werden? Diese Frage stellte Landrat Andreas Meier auch angesichts des Pflegenotstands. Bild: OberpfalzECHO (Archvibild)

“Wir müssen uns ernsthaft überlegen, ob es nicht Sinn macht, die allgemeine Wehrpflicht wieder einzuführen. In Verbindung mit einer alternativen Pflicht zum Sozialdienst oder Zivildienst könnte man so unter anderem vielleicht auch den Pflegenotstand nachhaltig abfedern! Und es schadet übrigens auch keinem jungen Menschen, sich eine Zeit lang verpflichtend für die Gesellschaft und die Gemeinschaft einzubringen.” Diese Sätze postete Neustadts Landrat Andreas Meier vor wenigen Tagen auf Facebook. Utopie oder diskutabler Vorschlag?

Die Reaktionen

Während die Vertreter der Hilfs- und Pflegedienste in der Region durchaus Sympathie äußern für diese Idee – was den Zivil- oder Ersatzdienst betrifft – stehen die Oberpfälzer Bundestagsabgeordneten Meiers Vorschlag skeptisch gegenüber. “Was unsere jetzige Situation betrifft, hilft uns die Wiedereinführung der Wehrpflicht kein bisschen. Vielmehr müssen wir uns die Frage stellen, wie die Bundeswehr möglichst schnell und modern ausgestattet werden kann”, sagt Uli Grötsch (SPD).

Am stockenden Vormarsch der Russen in die Ukraine zeige sich, dass Masse nicht gleich Klasse sei. “Putin hat dort ein Viertel seiner Armee eingesetzt und dennoch große Probleme mit dem Widerstand der Ukrainer.” Man müsse vielmehr darüber diskutieren, welche Art von Armee man wolle – eine strategische Eingreiftruppe, die überall auf der Welt eingesetzt werden könne, oder eine reine Verteidigungsarmee, wie sie dies früher war.

Nein vom Parteifreund

Kurz und bündig antwortet MdB Albert Rupprecht auf den Vorstoß seines Parteifreunds Meier: “Ich sehe nicht, dass die Wiederbelebung der Wehrpflicht derzeit eine entscheidende Hilfe wäre. Wir müssen uns darauf konzentrieren, was wirklich hilft!”

Ähnlich sieht es der Grünen-Abgeordnete Stefan Schmidt aus Regensburg. “Man sollte sich mit überstürzten Vorschlägen zurückhalten.” Die geopolitische Situation und Sicherheit der Welt erfordere andere Strategien als die Wiedereinführung der Wehrpflicht. “Die Frage ist doch vielmehr, wie wir am wirkungsvollsten unsere Werte wie Demokratie und Freiheit verteidigen können.”

“Wir haben andere Probleme”

“Das ist ja eine wunderbare Idee”, sagt der FDP-Abgeordnete Ulrich Lechte aus Regensburg schmunzelnd zu Meiers Vorschlag. Die Forderung sei zwar verständlich, wäre aber ein völlig übereilter Schritt, den auch viele Fachleute schon abgelehnt hätten. “Die Bundeswehr in ihrer jetzigen Struktur wäre gar nicht in der Lage, sich um eine Wiedereinführung der Wehrpflicht zu kümmern. Da gibt es andere Probleme und Aufgaben wie die Ausstattung und Ausrüstung. Das muss möglichst schnell geklärt werden.”

Viele Zivis sind geblieben

“Ich wäre nicht böse, wenn der Zivildienst wieder eingeführt werden würde”, sagt Sandro Gallitzdörfer, Geschäftsführer des BRK-Kreisverbands Weiden-Neustadt. Das könnte die Arbeit angesichts des Pflegenotstands schon erleichtern. “Wir bräuchten überall Leute: Im Rettungsdienst, als Fahrer, Helfer, und, und, und.” Früher seien auch einige Zivildienstleistende beim BRK hängengeblieben. “Für viele ist das eine schöne Berufung”, sagt Gallitzdörfer und fügt hinzu, dass er selbst als Zivi zum BRK gekommen und bis heute geblieben sei.

“Hilfreich und bereichernd”

Auch ARV-Bezirksgeschäftsführer Christian Henkens würde die Unterstützung durch Ersatzdienstleistende vor allem in der Tagespflege begrüßen. “Das wäre sehr hilfreich, sinnvoll und bereichernd.” In den ambulanten Pflegediensten wäre dies aber nicht möglich, da “Zivis” in der häuslichen Pflege (Pflegedienst) alleine nicht eingesetzt werden dürften. In Pflegeheimen dagegen könne er sich das sehr gut vorstellen. “Hier wären Ersatzdienstleistende tatsächlich eine große Unterstützung und Entlastung.”

Der ARV habe seinerzeit den Wegfall der Ersatzdienstleistenden durch die Einstellung von Hilfskräften kompensiert. Die Personalsituation sei nach wie vor angespannt. Man bekomme nur noch vereinzelt Bewerbungseingänge von Pflegehilfs- und Pflegefachkräften, doch insgesamt habe sich die Bewerbersituation in den vergangenen Jahren dramatisch verschlechtert. “Und diese Situation wird sich in den nächsten Jahren noch deutlich verschärfen”, befürchtet Henkens.

Findungsjahr für alle Geschlechter

Die Caritasverbände Tirschenreuth, Weiden und Neustadt/WN halten die Wiedereinführung des klassischen Wehr- beziehungsweise Ersatzdienstes für äußerst ungünstig. “Ein Findungsjahr für alle Geschlechter wäre zeitgemäßer. Zudem sollte dieses Jahr eher ein Dienst für unsere Mitmenschen sein”, schreiben die Kreisverbände. Zusätzlich zu den Wohlfahrtsverbänden könnten zum Beispiel auch Natur- und Umweltorganisationen oder kulturelle Einrichtungen davon profitieren, “eben alle Organisationen, die dem Gemeinwohl dienen”.

Problem Anleitung

Zusätzliches Personal im sozialen Bereich wäre für die Caritas eine große Hilfe. Gerade im Bereich der Altenhilfe wären Ersatzdienstleistende eine wertvolle Unterstützung, die vielfältige Tätigkeitsbereiche übernehmen könnten. „Allerdings darf man nicht vergessen, dass wir als Wohlfahrtsverband erst einmal Personal zur Anleitung abstellen müssten – Personal, das aufgrund der aktuellen Pandemie zusätzlich zum Personalmangel im sozialen Bereich eh schon ausgelastet ist“, sagt Martin Kneidl, Geschäftsführer des Caritasverbandes Tirschenreuth.

Bronold war einst selbst “Zivi”

Manch Zivildienstbeschäftigter sei nach seinem Dienst in einen sozialen Beruf eingestiegen. So auch der Geschäftsführer des Caritasverbandes Weiden–Neustadt/WN: „Auch ich bin durch den Zivildienst animiert worden, im sozialen Sektor tätig zu werden. Ohne diese Erfahrung hätte ich mir eine Tätigkeit in diesem Bereich nie vorstellen können“, betont Daniel Bronold.

Ein freiwilliges Gesellschaftsjahr würde selbstverständlich die jetzige Situation verbessern. Zumal auch die Caritas Personalengpässe im sozialen Sektor zu spüren bekämen und man sich deshalb über jede Bewerbung freue.

Allerdings könne man seine Dienstleistungen in der Altenpflege sowie in den Beratungsstellen nach wie vor uneingeschränkt anbieten. “Vielleicht wäre es an der Zeit, seinen Horizont durch ein ‘freiwilliges Gesellschaftsjahr’ im sozialen Bereich zu erweitern. Das Allheilmittel gegen den Fachkräftemangel wird ein verpflichtendes soziales Jahr aber nicht sein. Ganz abgesehen vom Nachgeschmack, den ein erzwungener gesellschaftlicher Einsatz mit sich bringt”, schreibt die Caritas.

Bei weiteren Ausfällen wird’s eng

“Personelle Unterstützung könnten wir natürlich gut gebrauchen”, sagt Dieter Landgraf, Geschäftsführer der Malteser Weiden, und erzählt, dass man früher sehr viele Zivis im Fahrdienst oder beim “Essen auf Rädern” gehabt habe. Das Aus für den Ersatzdienst habe man durch den Bundesfreiwilligendienst ganz gut abfedern können. “Da hatten wir immer so vier, fünf Leute. In den letzten zwei Jahren sind es aber nur noch maximal zwei Freiwillige gewesen. Das ging grad noch so”, erzählt der Geschäftsführer.

Da man aber auch immer weniger ehrenamtliche Helfer bekomme, werde es schon langsam eng. “Und bei noch mehr Ausfällen wird’s ganz heftig.” Der Geschäftsführer glaubt aber nicht an die Wiedereinführung der Wehrpflicht, die ja Voraussetzung für einen Ersatzdienst wäre. “Das geht ganz sicher nicht von heute auf morgen. Außerdem ist die Bundeswehr als attraktiver Arbeitgeber und Freiwilligenarmee einfach zeitgemäßer.”

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1 Kommentare

Roman - 04.03.2022

Ja, zurWehrpflicht. Nicht nur wegen der Ukraine, sondern das unsere Jugendlichen wieder Anstand lernen. Würde auch dazu beitragen gegen die Jugendkriminalität.