Tirschenreuther Notärzte wundern sich über Stellungnahmen aus Weiden

Tirschenreuth. Mit Verwunderung haben die Notärzte des Krankenhauses Tirschenreuth die Aussagen eines Krankenkassen-Sprechers und des Ärztlichen Leiters Rettungsdienst Weiden, Dr. Josef Kick, aufgenommen.

Beim Protestzug im Januar gegen die KNO-Reform marschierten die Tirschenreuther Notärzte vorne weg. Foto: Martin Zimmer

Dr. Mathias Kalkum, einer der Sprecher der Tirschenreuther Notärzte, hat der Redaktion folgende Antwort auf unseren Artikel „Die KNO-Reform ist nachvollziehbar und alternativlos“ https://www.oberpfalzecho.de/beitrag/die-kno-reform-ist-nachvollziehbar-und-alternativlos zukommen lassen.

“Nur zwei Dinge gleichzeitig möglich”

“Wenn man sich über die Jahre mit den verschiedenen möglichen Vorstellungen beschäftigt, wie denn ein ideales Gesundheitswesen aussehen könnte, dann stößt man irgendwann auf dieses Bonmot: Für das ideale Gesundheitswesen sind drei Dinge erforderlich:
1. Hervorragende, am jeweiligen Stand der Wissenschaft orientierte Spitzenmedizin.
2. Gleichen Zugang zu dieser Spitzenmedizin für alle.
3. Bezahlbarkeit.

Leider sind nur jeweils zwei dieser Ziele gleichzeitig möglich – suchen Sie sich zwei aus! Bisher haben wir uns in der Diskussion weitgehend auf die politische Seite beschränkt: Auf die Kommunen, in deren Verantwortung es liegt, dass in ihrem Landkreis oder ihrer kreisfreien Stadt eine funktionierende Gesundheitsversorgung existiert. Auf das Bundesland, dessen Aufgabe es ist, die Krankenhausstandorte zu planen (leider verweigert sich der Freistaat hartnäckig dieser Aufgabe). Und auf den Bund, der den Rahmen für die Finanzierung der Krankenhäuser festlegt.

Desaströse Fallpauschalen

Gesundheitsminister Karl Lauterbach hat dafür einen Plan, wie die Krankenhausstruktur in Zukunft aussehen sollte (was die Länder ärgert) und er hat einen Plan, wie die Finanzierung aussehen sollte. Die – nicht von Herrn Lauterbach eingeführten – desaströsen Fallpauschalen sollen für die kleineren Krankenhäuser zumindest teilweise durch eine sogenannte Vorhaltepauschale ersetzt werden. Ein Krankenhaus wie Tirschenreuth oder Kemnath bekäme also einen Teil seiner Einnahmen alleine dafür, dass es da ist, wenn man es braucht (klingt ja nicht dumm).

Wir wollen an dieser Stelle die Diskussion mit den verantwortlichen Politikern aller Ebenen nicht weiterführen. Sie haben uns zugehört und jetzt geht es ans Nachdenken. Aber während die Länder die Investitionskosten für die Krankenhäuser, die sie planen oder die sie vielleicht auch nicht planen, übernehmen sollen, sollen die Krankenkassen für die laufenden Kosten aufkommen. Also genau die Fallpauschalen. Leider bezahlen sowohl die Länder als auch die Kassen nicht den vollen Betrag, der notwendig wäre. Was ein wesentlicher Grund dafür ist, dass so viele Krankenhäuser Defizite schreiben.

“Note 4 für Krankenkassen”

Die Krankenkassen haben, grob gesagt, den Auftrag, ihren Versicherten die notwendige,
ausreichende und zweckmäßige Behandlung zu bezahlen. In Schulnoten also eine 4. Wer einmal versucht hat, von seinem Arzt oder seiner Krankenkasse eine Leistung zu bekommen „weil sie ihm doch immer so guttut“, der weiß, was ich meine. Es ist also interessant zu hören, was der im OberpfalzEcho nicht namentlich genannte „Sprecher der AOK“ dazu sagt. Die gesetzlichen Krankenkassen haben nämlich genau zu diesem Zweck eine Karte erstellt, auf der jeder erkennen kann, wie sich denn die ausreichende und zweckmäßige Versorgung ändern würde, wenn ein konkretes Krankenhaus wegfallen würde. Und auch, wo der Wegfall eines Krankenhauses nach Ansicht der Krankenkassen ohne gesundheitlichen Nachteil für die Versicherten möglich wäre. So kann jeder selbst sehen, ob ihm der Verlust eines bestimmten Krankenhauses schaden würde.

Weder ausreichend, noch zweckmäßig

Für die beiden verbliebenen Krankenhäuser im Landkreis Tirschenreuth zeigt sich sofort, dass es dann weder eine ausreichende, noch eine zweckmäßige Versorgung geben würde. Nur noch eine weit entfernte, teure Versorgung. Und das gilt auch für die Geburtshilfe.
Insofern wäre es interessant zu wissen, wie sich denn die AOK offiziell dazu positioniert, ob das eine Einzelmeinung ist oder ob das generell die Haltung der AOK ist. Krankenkassen kann man ja schließlich auch wechseln, wenn man meint, man bekomme für seine Beiträge keine ausreichende Versorgung mehr.

“Busunfälle, Massenkarambolagen, Brände”

Ebenso interessant sind die Aussagen von Dr. Josef Kick und ILS-Leiter Jürgen Mayer. Sie
unterscheiden sich nicht wesentlich von dem, was Herr Dr. Bayeff-Filloff uns schon in München gesagt hat: Es gebe Tracer Indikationen (akuter Herzinfarkt, Polytrauma und Schlaganfall), die man wegen des besseren Ergebnisses willen nur in bestimmten Krankenhäusern versorgen dürfe, die dafür spezielle Geräte und Abteilungen vorhalten. Und diese Fälle würden ja sowieso nicht in Tirschenreuth behandelt. Für alle anderen Notfälle gebe es ja keine zeitlichen Vorgaben, also könne man die ja auch in weiter entfernte Kliniken fahren. Wir haben Dr. Bayeff-Filloff ausdrücklich auf die verschiedenen Großschadensereignisse in unserer Region, wie diverse Busunfälle, Massenkarambolagen auf der A 93 oder Altenheim- oder Wohnhausbrände angesprochen. Seine Antwort war, dass die meisten der Betroffenen ja sowieso am nächsten Tag entlassen werden würden. Warum also der Aufwand? Auf die langen Transportzeiten und eventuelle Hilfsfristen
angesprochen, lautete Bayeff-Filloffs Antwort, in dem Fall könne man die betreffenden
Fristen ja einfach vergrößern. Kein Problem.

“Schlag ins Gesicht”

Jeder Mensch, der sich in seiner Freizeit für den Notarzt oder den Rettungsdienst engagiert, kann das nur als Schlag ins Gesicht und als Aufforderung interpretieren, sich ein anderes Hobby zu suchen. Können wir ja mal darüber nachdenken.

Zum Schluss möchte ich noch eine ganz andere Sichtweise erwähnen: Krankenhäuser werden als Teil der Kritischen Infrastruktur betrachtet (KRITIS), die für ein funktionierendes Gemeinwesen besonders wichtig und deshalb besonders zu schützen sind. Stichwort Covid, Stichwort Kriegs- oder Katastrophenfall. Nicht zuletzt deshalb werden sie ja von Computerbanden und von feindlichen Regierungen so gerne angegriffen. Europas größte Computerzeitschrift, die C’T, verfolgt die technische Seite von E-Rezept, elektronischer Patientenakte und sicherer IT-Infrastruktur deshalb schon lange. In einem aktuellen
Beitrag wird darüber diskutiert, ob der Ausfall eines Krankenhauses und die dadurch notwendigen längere Transportwege von etwa 30 Kilometer einen messbaren Schaden für die betroffenen Patienten haben können. Erste Hinweise bestätigen diese Annahme. In einem konkreten Fall kam dabei eine Frau zu Tode.

Fall für Juristen?

Die Informatiker und Juristen diskutieren in dem Artikel, ob man die Erpresser-Banden deshalb analog zu innerstädtischen Rasern wegen Mordes anklagen kann. Uns wirft man Schwarzmalerei vor, wenn wir darauf hinweisen, dass durch die verlängerten Fahrzeiten Patienten zu Schaden kommen könnten. Trotzdem sollte man mal darüber nachdenken.
Sonst tun es tatsächlich irgendwann die Juristen.”

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3 Kommentare

Gast - 06.02.2024

Schade, dass es immer noch Menschen gibt, die sich über dieses ernste Thema lustig machen müssen. Das Krankenhaus TIR, im übrigen jedes Krankenhaus, ist nicht dazu da VOR Katastrophen zu schützen, sondern die dadurch verletzten Personen zu versorgen. Passieren kann immer was, und dann wäre es gut, wenn die Grundversorgung stimmen würde und das nächste Krankenhaus in der Nähe ist….

Katastrophal - 05.02.2024

Katastrophal was die in München wieder nicht berücksichtigen! Wenn eine Bus – Massenkarambolage im brennenden Altenheim passiert, dann brauchen wir das KH Tirschenreuth!

Bin geflasht - 04.02.2024

Massenkarambolage, Altenheimbrände … jetzt kommen aber die ganz großen Geschütze. Wow … bin geflasht vor was uns das Krankenhaus in Tirschenreuth alles beschützen und retten kann. Ich wünschte auch gegen Trump, Putin und AFD.