Tobias Reiß als effektiver Lobbyist der Nordoberpfalz in München

Brand/Tirschenreuth. Auf den Titel „gewiefter Strippenzieher“ ist Tobias Reiß stolz. Das darf er nach der Wahl zum Direktkandidaten am Samstag in aller Stille auch weiter für die Region im Landtag sein. Als solcher ist er auch Finanzminister Albert Füracker aufgefallen, was dieser nicht ohne Respekt im Redaktionsgespräch verriet.

Tobias Reiß holt im Stimmkreis Tirschenreuth fast 44 Prozent der Erststimmen. Foto: OberpfalzECHO

Dem CSU-Bezirksvorsitzenden Albert Füracker ist nicht entgangen, wie effektiv Tobias Reiß im Hintergrund die Fäden für eine effektive Stärkung seines Wahlkreises zieht: Ob Stabi-Hilfen in Höhe von 183 Millionen für die nördliche Oberpfalz seit 2012, Behördenverlagerung, die 760 Arbeitsplätze in die Nordoberpfalz transferierte, die Förderoffensive „Alte Mauern neu beleben“, der Studiengang Geo-Informatik für die OTH Weiden oder die Lobbyarbeit für ein KI-Zentrum Speinshart. In vielen Fällen hat der Parlamentarische Geschäftsführer seine Finger im Spiel.

„Ich sehe mich nicht als Befehlsempfänger von oben“, sagt der Rechtsanwalt, „sondern als konstruktiv-kritische Kraft in München, die immer die Brille der Nordoberpfalz auf hat.“ Anders als Abgeordnete anderer Parteien versteht sich der gebürtige Bayreuther, der im Landkreis Tirschenreuth sozialisiert wurde, nicht als „verlängerter Arm der Parteizentrale“, sondern als „Anwalt der Region“.

Finanzminister Albert Füracker im Redaktionsgespräch. Archivbild: Jürgen Herda

An der richtigen Stelle zur richtigen Zeit

„An der richtigen Stelle zur richtigen Zeit im richtigen Ton und mit den richtigen Argumenten überzeugen“, mit dieser Prämisse habe Reiß, der seit 2008 Mitglied im Bayerischen Landtag ist, Erfolge für die Region errungen. Antichambrieren nennt man diese Form der Politik auch, die am Hof des Sonnenkönigs Ludwig XIV. entstanden sein dürfte und auf das geduldige Warten und Vorsprechen im Vorzimmer der Macht verweist.

Wenn Reiß‘ Initiativen im Sinne des französischen Wortes „antichambre“ im Vorzimmer Markus Söders entstehen, ginge Toni Dutz Vorwurf der Hinterzimmer-Politik ins Leere. Was er damit meint: Die Behördenverlagerung in die nördliche Oberpfalz war in der CSU durchaus umstritten. Reiß aber hat entgegen mancher Ministerauffassung den Vorteil für die ländliche Region und damit auch für die CSU beim damaligen Ministerpräsidenten Horst Seehofer entgegen dem oft städtischen Blickwinkel – Stichwort Ifo-Institut – so beharrlich platziert, dass sie tatsächlich Wirklichkeit wurde.  

Skeptische Haltung während der Pandemie

Erfolge für die Region ließen sich laut Reiß am besten durch das Zusammenwirken der verschiedenen Ebenen erzielen: „Je mehr Akteure an einem Strang ziehen, vom Gemeinderat bis zum JU-Landesvorsitzenden, von den Bürgermeistern über den Landrat bis zu den Abgeordneten in München, Berlin und Straßburg, desto größer die Erfolgsaussichten.“ Daher sei es von enormer Bedeutung gewesen, dass die CSU bei der Kommunalwahl 2020 den Landrat, die Kreistagsmehrheit und auch 21 von 26 Bürgermeister im Landkreis Tirschenreuth stellen konnten.

Auch seine skeptische Haltung gegenüber manchen Corona-Maßnahmen habe seine Glaubwürdigkeit gestärkt. „Zweieinhalb Jahre Pandemie liegen hinter uns, was für Menschen jeden Alters und Lebenssituation Unsicherheit bedeutet hat.“ Junge Familien hätten sich an ihn gewandt, weil sie bei geschlossenen Kitas oder Schulen dringend Unterstützung und Betreuung für ihre Kinder gebraucht hätten, um Familie, Alltag und Beruf noch unter einen Hut zu bringen. Senioren, die in Sorge gewesen seien, wie schlimm es für sie als Risikopatienten werden könne. „Unternehmer, die von einem Tag auf den anderen ihr Geschäft schließen mussten, ohne Perspektive, wann und wie es weitergeht.“

Landtagsabgeordneter Tobias Reiß beim CSU-Bezirksparteitag in Neumarkt. Archivbild: Marina Kramer

„Sacharbeit statt Poltern“

Der Abgeordnete habe aus der politischen Arbeit in so einer kritischen Phase seine Schlüsse gezogen: „Manche Gewissheiten der Vergangenheit gelten nicht mehr so einfach, im Privaten wie in der Politik weltweit.“ Prioritäten und der Blickwinkel auf die Welt hätten sich verändert. Dazu gehöre auch, dass man bei all den Maßnahmen und Therapie-Strategien genauer hinschauen müsse und sie auch hinterfragen dürfe, wenn ihre Wirksamkeit in keinem Verhältnis zu ihren Kosten stünde.

Seinen Politikstil beschreibt Reiß als „Sacharbeit statt Poltern“. Seine Forderung: „Halt ma zamm!“So sieht er seine Rolle als CSU-Kreisvorsitzender: „Ich will vermitteln, Meinungen zusammenführen und auch erkennen, welche Herausforderungen aber auch Potenziale wir haben.“ Dass er dabei vor allem auch den Nachwuchs und mehr Frauen einbinden möchte, könnte auf Kosten mancher altgedienter CSU-Politiker gehen, wie das Beispiel Toni Dutz zeigt.

Maschinist der Demokratie

Reiß sieht die Wahlempfehlung für den Landrat und gegen den Wiesauer Bürgermeister naturgemäß anders als der Betroffene: „Die 50 führenden Vertreterinnen und Vertreter der CSU im Stimmkreis haben nach intensiver Diskussion mit großer Mehrheit einen Empfehlungsbeschluss gefasst.“ Das ist aus seiner Sicht Teil seiner Agenda, „die Demokratie und den offenen Diskurs zu stärken“. So sieht man das aus der Perspektive des „Maschinenraums der Demokratie“.

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