Bündnis für Toleranz: „Querdenker Helmut Bauer ist ein Mensch mit zwei Gesichtern“

Weiden. Hans Lauterbach vom „Oberpfälzer Bündnis für Toleranz und Menschenrechte“ hatte mit seiner Anzeige den Stein gegen Querdenker Helmut Bauer ins Rollen gebracht. Weil der Staatsschutz trotz Dutzender Mordaufrufe auf dessen Facebook-Gruppenseite „Der Grüne Schrei“ nicht selbst aktiv wurde.

Hans Lauterbach vom „Oberpfälzer Bündnis für Toleranz und Menschenrechte“. Bild: Jürgen Herda

Dass er kein Streithansl ist, will Hans Lauterbach unbedingt klarstellen: „Ich habe noch nie jemanden angezeigt.“ Und das, obwohl sich der Sulzbach-Rosenberger in seinen Jugendjahren in den 90er Jahren handfeste Händel mit Skinheads und anderen Rechtsradikalen lieferte.“

Die Radikalisierung von Helmut Bauer aber, der als Wortführer der Oberpfälzer Querdenker-Szene mit seiner Facebook-Gruppe „Der Grüne Schrei“ rund 4500 Mitglieder beeinflusst habe, sei eine Gefahr für die Demokratie. „Ich will den alten Mann nicht im Gefängnis sehen“, unterscheidet der Selbstständige zwischen dem Menschen Bauer, dessen persönliche Geschichte er durchaus als tragisch empfindet, und der öffentlichen Figur, die er als Hetzer wahrnimmt.

Warnschuss vom Gericht“

„Ich wollte, dass er vom Gericht einen Warnschuss bekommt“, sagt Lauterbach, der zusammen mit den rund 40 aktiven Mitgliedern des „Oberpfälzer Bündnisses für Toleranz und Menschenrechte“ monatelang die Veröffentlichungen und Kommentare auf Bauers Facebook-Seite beobachtet und ausgewertet hat. „Er hat die Posts ja auch noch kreuz und quer verlinkt auf Telegram.“

Bauer sei ein extrem aktiver Rechtspopulist, sagt Lauterbach. „Mit wahnhaften Zügen, da schließe ich mich Jan Nowak von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus an.“ Hinter jedem Ereignis vermute er eine große Verschwörung der Eliten, den „Great Reset“, wie die Anhänger der sektenhaften Qanon-Bewegung das nennen. Aus Flucht wird ein politisch gewollter Bevölkerungsaustausch, aus der Corona-Pandemie eine Plandemie, um die Grundrechte abzuschaffen – und der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine ist von den Amerikanern provoziert, weil die sich im großen Stil Ackerboden unter den Nagel reißen wollten.

Querdenker wollen den Umsturz

„Ob Gendern, das Frauenbild, Klima und CO2“, zählt er die Feindbilder der Querdenker auf, „er und die angebliche Opposition gegen die Mehrheitsmeinung haben sich ein Weltbild generiert, das sich immer weiter von der gesellschaftlichen Realität entfernt.“ Die Quer- oder Mehrdenker, wie sie sich auch nennen, konstruierten sich aber nicht nur aus einer Unmenge von Fake-News ihre eigenen Wahrheiten. Sie wollten sie der Gesellschaft zum Teil mit Gewalt aufoktroyieren: „Sie greifen Andersdenkende an und schaffen ein Klima, das die Demokratie stürzen will.“ Gerade in der Pandemie hätten sie Randgruppen aller Art, die Schwächsten unserer Gesellschaft, Menschen mit Handicap, mit ihrem egoistischen Verhalten gefährdet.

Hans Lauterbach hat zum Gespräch im gleichen Café am selben Tisch, an dem am Tag zuvor Helmut Bauer seine Perspektive schilderte, Belege für seine Argumente mitgebracht. Pausenlos sucht er Links zu von Bauer geposteten Fake-News, Videos, auf denen der Querdenker bei Demos zu sehen ist. „Nicht von ungefähr hat er die Initiative ,Landtag abberufen’ unterstützt“, verweist er darauf, dass der Verfassungsschutz die Querdenker als staatszersetzende Organisation unter Beobachtung gestellt hat. „Unsere Rolle als Bündnis ist es, vor Ort darauf hinzuweisen, weil bei ihnen Wissenschaft und Fakten nichts mehr gelten.“

Hate-Speech-Beauftragter wird aktiv

Mit den Ergebnissen Tausender Stunden ehrenamtlicher Recherche hat sich Lauterbach schließlich an den Staatsschutz gewandt – in der Erwartung, dass der Staat ein Interesse haben müsse, sich selbst gegen demokratiefeindliche Bestrebungen zu schützen. „Da müssen Sie schon selbst eine Anzeige stellen“, habe man ihm dort gesagt. Erst der bayerische Hate-Speech-Beauftragte, Oberstaatsanwalt Klaus-Dieter Hartleb, sei aktiv geworden. „Die Anzeige habe ich im November 2020 gestellt, anschließend wurden in den nächsten Monaten die Klarnamen der Personen ermittelt, die auf Bauers Seite zum Mord an Andersdenkenden aufgerufen hatten.“

Lauterbach habe Helmut Bauer als einen Mann mit zwei Gesichtern kennengelernt: „Auf der einen Seite hat er diese väterliche Art, kann zuhören und man kann sich mit ihm unterhalten.“ Auf der anderen Seite sei er ein Rechtspopulist, der auch in den eigenen Reihen radikal mit denen breche, die ihm widersprächen. „Inzwischen veröffentlicht er auf dem Grünen Schrei vor allem Putin-Propaganda“, ärgert sich der Bündnis-Vertreter über die Verherrlichung eines Diktators, der die Menschenrechte mit Füßen tritt. „Ich habe in die Augen von ukrainischen Müttern geschaut, deren Töchter vergewaltigt wurden.“

Noch eine Putin-Versteherin: Helmut Bauer lobt die französische Sängerin für ihre offene Verehrung des russischen Despoten. Screenshot: Facebook:

Oberpfälzer Bündnis für Toleranz und Menschenrechte

Das „Bündnis für Toleranz und Menschenrechte“ in Amberg sei bewusst wie eine Bürgerinitiative, nicht wie ein Verein organisiert. „Wir wollen kein Geld vom Staat, wir wollen außerparlamentarische Opposition machen“, sagt Hans Lauterbach. Die Stärke dieser Gruppe mit rund 40 aktiven Mitgliedern und einem Mobilisierungspotenzial von bis zu 5000 Menschen sei die Vernetzung von Initiativen, Kirchen und Flüchtlingshelfern, die sich allesamt gegen Antisemitismus, Chauvinismus, Fake-News, Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Verschwörungstheorien einsetzten.

Mittlerweile gebe es ein vergleichbares Bündnis auch in Cham und Schwandorf, in Weiden und im Landkreis Regensburg – hier aber auf Vereinsebene. „Wir sehen unsere Aufgabe in der Öffentlichkeitsarbeit“, sagt Lauterbach, „wir legen Fakten auf den Tisch, die belegen, dass die Behauptungen des Milieus nicht stimmen, das glaubt, es hätte den echten Durchblick.“ Das funktioniere auf Facebook sehr gut.

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