Unternehmensdialog bei Kassecker: “Der Mensch im Mittelpunkt”

Waldsassen. Beruf und Familie unter einen Hut bringen ist ausschließlich ein Frauenthema? Das war vielleicht früher so. Vielfach ist dennoch die alltägliche Vereinbarkeit von Familie und Beruf noch immer von kulturell verankerten Männlichkeits- und Weiblichkeitsbildern geprägt. Auch ist eine gleichberechtigte Beteiligung von Vätern an Hausarbeit, Kinderbetreuung oder Pflegetätigkeiten noch immer keine Normalität. Die Arbeitsgruppe „Familie und Arbeitswelt“ des Netzwerks Bündnis für Familie im Landkreis Tirschenreuth hat es sich auf die Fahnen geschrieben, eben dieses Thema im direkten Austausch mit Unternehmen zur Diskussion zu stellen. 

Firma Kassecker Waldsassen Firmendialog Agentur für Arbeit
Mitglieder der Arbeitsgruppe „Familie und Arbeitswelt“ mit Geschäftsführer Bernd Fürbringer (links stehend) vor dem neuen Banner, das zur Nachwuchswerbung aktuell viele Baustellen ziert. Von rechts: Christina Schönberger, BCA Jobcenter; Karin Hartung, Agentur für Arbeit; Evelin Schrems, AOK; Sabine Frank, Koordinatorin Netzwerk Bündnis für Familie; Florian Rieder, IHK; Bernd Fürbringer, Geschäftsführer Fa. Kassecker.

Erstmalig wurde dieses neue Format „UnternehmensDIALOG“ mit der Firma Kassecker in Waldsassen gestartet. Die regional fest verwurzelte Baufirma mit über 470 Mitarbeiter/innen und über 50 Auszubildenden ist überwiegend im süddeutschen Raum in den Geschäftsfeldern Hoch- und Industriebau, Tief- und Rohrleitungsbau, Bahn- und Ingenieurbau, Stahl- und Metallbau sowie Projektentwicklung aktiv. Aktuell arbeiten 52 Frauen im Betrieb, die auch teilweise Teilzeit beschäftigt sind. „Der Mensch im Mittelpunkt“ sei seit vielen Jahren Motto des Unternehmens, so Geschäftsführer Bernd Fürbringer im Gespräch mit der Arbeitsgruppe. Die Identifikation der Mitarbeiter mit dem Betrieb sei sehr stark. So könne das Unternehmen eine sehr geringe Fluktuationsrate verzeichnen. Eine gezielte Personalentwicklung und stetige Weiterentwicklung der Unternehmenskultur werde großgeschrieben.

Was geht – was geht nicht im Bereich Vereinbarkeit von Familie und Beruf?

Das Unternehmen setze hierbei einzelfallbezogen auf sehr individuelle und unbürokratische Unterstützung bei privaten Anliegen. Flache Hierarchien und offene Türen zur Geschäftsleitung ermöglichen ein vertrauensvolles Miteinander – auch mit der Mitarbeitervertretung. Lebensarbeitszeitkonten oder Gleitzeit- und Teilzeitregelungen in Bereichen, wo dies umsetzbar wäre, seien selbstverständlich. Auf Montage sei dies jedoch nicht realisierbar. Die Umsetzung von Projekten wäre dadurch gefährdet. Dafür wird versucht, Urlaubszeiten familienfreundlich zu planen – in Absprache eventuell auch im Sommer, was für die Baubranche eher unüblich sei. Durch beispielsweise die Neuaktivierung der Mitarbeiterzeitung „Baublick“ oder regelmäßige Beschäftigtenbefragungen, unter anderem durch ein regelmäßiges, anonymes Stimmungsbarometer, werde ein guter Informationsfluss auf allen Ebenen gewährleistet.

Wenig Nachwuchs trotz guter Arbeitsbedingungen

Als eher problematisch sieht Fürbringer die Nachwuchsgewinnung. Altersbedingt würden in den nächsten Jahren über 100 Mitarbeiter aus dem Unternehmen abgehen. Die Baubranche scheine bei der jüngeren Generation, trotz guter Bezahlung und vieler Zusatzleistungen, nicht mehr attraktiv zu sein. Er bezeichnet dies als „Generationenthema“.

Eltern würden heute ihre Kinder häufig zur akademischen Laufbahn und weniger hin zur handwerklichen Berufsausbildung motivieren. Die Studienabbrecherzahl habe sich entsprechend deutlich erhöht. Dabei biete die Baubranche durch die hohe Arbeitsplatzsicherheit, der Vielfältigkeit der Berufe, einer hohen Spezialisierung und dem eigenverantwortlichen Arbeiten im Team ein attraktives Betätigungsfeld mit stabilen Zukunftsperspektiven.

“Nur wer sät, kann ernten”

Seit jeher lege das Unternehmen zur Nachwuchsgewinnung daher großen Wert auf eigene qualifizierte Ausbildung. Nach dem Motto „Nur wer sät, kann ernten“ absolvieren aktuell über 50 Azubis bei der Firma Kassecker in den unterschiedlichsten Berufszweigen ihre berufliche Ausbildung oder ein duales Studium. Durch Informationsnachmittage – auch für Eltern – und einem Patensystem für Auszubildende im ersten Lehrjahr wird der Start in den Berufsalltag erleichtert. Ausflüge und Azubi-Projekte fördern den Austausch untereinander, die Teamentwicklung und bringen Abwechslung in den Alltag. Ein eigener Campus zur Aus- und Weiterbildung schult junge aber auch langjährige Mitarbeiter regelmäßig in den unterschiedlichsten Bereichen.

Beruflich nach eigenen Interessen und Stärken orientieren

Das Fazit der Arbeitsgruppe: In der öffentlichen Wahrnehmung sollte die Baubranche bzw. das Handwerk als Berufsoption wieder attraktiver werden. Eltern sollten dazu angehalten werden, ihre Kinder zu ermutigen, sich beruflich stärker nach eigenen Interessen und Stärken hin zu orientieren. Auch Schulen seien diesbezüglich in der Pflicht. Schulische oder freiwillige Praktika seien zur Orientierung und zum Schnuppern von Praxis-Luft hierbei enorm hilfreich.

Diskutiert wurde diesbezüglich auch die aktuelle Kampagne „Elternstolz“ eine Initiative der IHK, Handwerkskammer und des Wirtschaftsministeriums. Hierdurch solle die Wertschätzung des Handwerks wieder gesteigert und wertvolle Tipps und Infos rund um die Berufswahl geliefert werden.

* Diese Felder sind erforderlich.