30 Jahre Kunstverein Weiden: Heimat nicht nur für Max Bresele und Joseph Beuys

Weiden. Die Institution „Kunstverein“ ist ein Kind der bürgerlichen Emanzipation vor gut 200 Jahren. Der Weidener Kunstverein ist da deutlich jünger, frischer, aufgeweckter. Und hat als frisch gebackener 30er noch so einiges vor.

Wolfgang Herzer (links) und Robert Hammer vom Kunstverein Weiden markieren den Ort, an dem der Container mit Eiche zu Ehren von Joseph Beuys stehen soll. Foto: Beate Luber

Der wunderliche, „wilde“, wie ihn Urša Centner-Francé bezeichnete, oft kauzige und immer schräge Max Bresele setzte sich in seiner Kunst mit der Bedrohung des Leibes und der Seele des Menschen auseinander. Als Material für seine Kunstwerke benutzte Max Bresele neben Farbe, Leinwand, Papier, Holz, vor allem jegliche Art von Schrott und Abfall.

Er war ursprünglich in München als experimenteller Filmemacher in der Szene eine Größe. In Regensburg hat die Internationale Kurzfilmwoche einen Preis nach ihm benannt. Max Bresele fuhr mit seinem dürren Moped samt klapperndem Anhänger, den er mit seinen Kunstwerken vollgestopft hatte, aus der mittleren Oberpfalz durch die ganze Republik auf Ausstellungen und Kunstmessen.

Stadtverwaldung und Honigpumpe

Bresele war sogar auf der Documenta X, 1997, der Weltkunstausstellung in Kassel vertreten und hat dort seine engagierte Kunst im öffentlichen Raum gezeigt. Genauso, wie der im Gegensatz zu ihm international bestens bekannte Künstler Joseph Beuys, mit seinen 7.000 Eichen für die „Stadtver*wald*ung“ und die „Honigpumpe“, die das Megathema unserer Tage, die „Energie fürs Leben auf der Erde“ prophetisch vorwegnahm.

Warum soll das interessant sein? Nun, weil beide unterschiedlichsten Künstler, Beuys wie Bresele, im Kunstverein Weiden ein Zuhause, eine Plattform, einen physischen Ort, einen Botschafter ihrer Kunst gefunden haben. Max sogar das Bresele-Museum in den Räumen des Kunstvereins in Weiden. Weil beide Künstler den Bogen, den bunten Regenbogen, spannen, der über dem Haus in der Lederergasse 6, am Rande der Altstadt, an Ausstellungstagen zu sehen ist.

Als Kultur noch zum guten Ton gehörte

Am Ende des Regenbogens, das wissen wir alle, liegt der berühmte, glitzernde und blinkende Schatz, der güldene Reichtum, das hehre und manchmal ephemere Glück. Zwei von, fast möchte man sagen, „unzähligen“ Künstlern und Künstlerinnen, Gruppierungen und anderen Kunstvereinen, nicht zuletzt das Netzwerk KoOpf, dessen „Sendemast“ ebenso im Büro des KV Weiden zu finden ist.

30 Jahre Kunstverein Weiden wäre, wenn man es in Hundejahre multiplizierte, mal sieben also, 210 Jahre Kunstangebot für Weiden, ja für ganz Ostbayern. Spaß beiseite, 210 Jahre ist in etwa die Spanne Zeit, seit es die Institution Kunstverein in Deutschland gibt. Auch politisch ist „Der Kunstverein“ interessant. Übrigens ein deutsches Phänomen, eine vielfach und weltweit nachgeahmte Erfindung des aufstrebenden deutschen Bürgertums, das sich die Kultur und Kultiviertheit des vormals tonangebenden Adels auf seine Weise anverwandelte. Die ersten Kunstvereine wurden um 1800 von aufstrebenden Bürgern gegründet.

Regensburger Kunstverein schon 1847

Ihr Ziel war die Vermittlung zwischen Kunstinteressierten und zeitgenössischer Kunstproduktion. Die Beschäftigung mit Kultur und das Sammeln von Kunst sollte nicht nur dem Adel überlassen bleiben. Die Kunstvereine, waren Ausdruck von Emanzipationsbestrebungen, Schritt in eine moderne demokratische Gesellschaft. Zu den ältesten Kunstvereinen zählt die Albrecht-Dürer-Gesellschaft in Nürnberg von 1792. Schon 1847 wurde in der Oberpfalz, in Regensburg, der Kunst- und Gewerbeverein gegründet, der bis heute in eigenen Häusern Ausstellungen von Rang organisiert. Kunstvereine sind frühe Bürgerinitiativen für Kunst und Kultur, für Selbstvergewisserung und Fragen an die Zeit und zeugen vom erstarkenden Selbstbewusstsein der Individuen.

Der Kunstverein Weiden ist nun aber tatsächlich erst 30 Jahre alt und daher und aus anderen Gründen vielleicht weniger verstaubt als altehrwürdigere „Vereinsmeiereien“. Im Gegenteil, es wird nicht viele unter den circa 300 deutschen Kunstvereinen geben, die so frisch und so auf der Höhe der Zeit, auf der Höhe der wichtigen Diskussionen und der gesellschaftlichen und natürlich vor allem der künstlerischen Vielgestaltigkeit sind.

Programmvielfalt: Von Fluxus bis Weindler

Das Programm der zurückliegenden Ausstellungen und Veranstaltungen belegt die Behauptung eindrucksvoll. Man kann nur ein paar Namen nennen, die Liste der gezeigten Kunst und Künstlerinnen ist einfach zu lang. Aber an den bekannten Kameramann und Fotografen Helge Weindler wird man sich erinnern, Ehemann und Mitstreiter von Doris Dörrie, beide von der Hochschule für Film Fernsehen in München – Weindler aus Furth im Wald, Amberg und eben auch zeitweise in Weiden lebend. Wie Wolfgang Keuchl aus Kümmersbruck bei Amberg nutzte er Sofortbilder, Polaroidaufnahmen. Eva Pietzcker, heute in Berlin und international erfolgreiche Druckgrafikerin erster Güte, zuletzt im Sündikat auch wieder nach Weiden geholt.

Harald Naegeli, der Sprayer von Zürich, in den 70ern weltweit sehr bekannt, selbst bei einem kunstfernen Publikum; Urs Lüthi, ebenfalls aus der Schweiz und eine internationale Größe und auch er Documenta-Teilnehmer; Franz Erhard Walther, seine Fans erinnern sich an seine textilen, kofferartigen Skulpturen, Weltstar, Kunstprofessor, Maßstäbe setzend. Man konnte die Sammlung Goetz sehen, 40 Jahre Fluxus, 2008 Beuys und den ebenfalls international angesehenen und einflussreichen „Nagelkünstler“ Guenther Uecker. Kooperationen gab es schon früh mit den Kunstakademien Nürnberg und Prag, mit der OTH Weiden-Amberg. 2017 hat der Kunstverein Weiden den Bezirkskulturpreis bekommen.

Von regional bis internationale Avantgarde

In meinen Augen, man kann es in der Auflistung erkennen, ist die Verschränkung von international erfolgreichen und einheimischen Künstlern, von jungen Künstlerinnen mit dem großen Kunstgetriebe, von Zentrum und Peripherie die ganz große Aufgabe und auch der größte Erfolg des KV Weiden. Bresele, aber auch der viel zu früh verstorbene Karl (Charlie) Aichinger, die als „Wilde Kerle“, wenn ich mich recht erinnere, sogar im Gespann gezeigt wurden.

Peter Lang darf ich nennen. Der junge, heute in Berlin lebende Künstler, Ludwig Kreuzer soll nach einer kongenialen Einführung von Wolfgang Herzer den Rang und die Wichtigkeit von Joseph Beuys mutig (mit 15!) infrage gestellt haben. „Bravo“ kann man da nur sagen, „Bravo“ an den KV, der die Plattform für solche „Welteroberungen“ zur Verfügung stellt.

Das Doppel-Herz des Kunstvereins

Doch wer ist denn der Kunstverein eigentlich, wer hat denn, hinter der zweigeteilten Leuchtreklame über dem Lokal „Neues Linda“, was immer wieder an den „Rattinger Hof“ in Düsseldorf denken lässt, den Hut auf, den Hintern in der Hose und die elementare Kraft und ja, auch die kognitiven Fähigkeiten so ein Tagwerk abzuliefern? Es sind ja immer die Menschen, hinter und in den Institutionen und Vereinen, in der Feuerwehr, nicht anders als beim Kunstverein, bei der Firma XYZ, wie in einer Kunstgalerie. Das weiß jede und jeder in Weiden und darüber hinaus, dass der Kunstverein zuerst Wolfgang Herzer und dann zur Unterstreichung gleich nochmal Wolfgang Herzer ist, Mastermind und erster Arbeiter, erster Kunstkenner und erster Kunsttheoretiker.

Wolfgang Herzer verkörpert den Kunstverein wie kein zweiter. Aber dennoch gibt es diese Zweite und Folgende. Gabi Hammer muss bei der Aufzählung genannt werden, aber auch Robert Hammer, Ludwig Kreutzer Senior, Maria Weber, Klaus Bergler und die ganze aktive Crew, die gerade den Vorstand bildet und die Arbeit macht. Die „Kulturstadt“ muss den ehrenamtlichen Machern dankbar sein, wie der dritte Weidener Bürgermeister Reinhold Wildenauer kürzlich sagte. Und das soll bitte keine Sonntagsrede bleiben.

Der Kunstverein Weiden

Der Kunstverein Weiden wurde 1993 gegründet, um der Bevölkerung der Oberpfalz die Gegenwartskunst zu vermitteln. Er vertiefte durch grenzüberschreitende Partnerschaften mit der Akademie der Bildenden Künste Prag und anderen Kunstvereinigungen in Tschechien die nachbarschaftlichen Kontakte. Ein weiteres Ziel war die gemeinsame europäische Nachwuchspflege im bayerisch-böhmischen Grenzland. Besonderes Gewicht wurde auf die Auseinandersetzung mit der Oberpfälzer Kunst- und Ideenwelt gelegt. Der Verein schloss sich 1999 mit ähnlichen Vereinen und Museen zur Kulturkooperative KoOpf Oberpfalz zusammen.

Kooperationen

  • Kulturwerkstatt Kalmreuth Floß
  • Jugendkunstschule Kulturwerkstatt Kalmreuth /Kunstbau Weiden
  • Ostbayerische Technische Hochschule Amberg-Weiden
  • Akademie der Bildenden Künste Nürnberg
  • Akademie der Bildenden Künste Prag
  • Film- und Fernsehfakultät der Akademie der Musischen Künste (FAMU) Prag Abteilung Fotografie
  • Neue Gruppe/ Haus der Kunst München
  • Hochschule Wismar/ Fachbereich Architektur
  • Galerie Nothelfer Berlin
  • Galerie Knust München
  • Edition Copenhagen/ Kopenhagen
  • Kunsthaus Lübeck
  • Galerie MXM Prag (bis 2002)

Ausstellungen

  • Museum Max Bresele: Eröffnung mit Werken von Bresele und Thiem, 14. Juli bis 27. Juli 2017
  • Ausstellung „2 + 4 Wachstumslinien“. Ein produktives Künstlersymposium: Vier Meter kreative Kraft. Die deutsche Einheit im Großformat. 5. Oktober bis 6. November 2016
  • Ausstellung „Zeitspuren – Reisen in die Vergangenheit“: 4. August bis 11. September 2016
  • Vernissage der Nürnberger Künstlergruppe „Der Kreis“, 18. Januar bis 28. Februar 2016
  • Ausstellung „Farbvergnügen“: Der Künstler Reinhold A. Goelles und sein Wandgemälde-Projekt in der ehemaligen Kirche St. Augustin, 14. Juni bis 31. Oktober 2014
  • Wilde Kerle, die mit Visionen Ernst gemacht haben: „Wir von hier“ – Arbeiten von Karl Aichinger und Max Bresele. 21. Oktober bis 13. November 2011

Bernhard Dagner „Farbstiftzeichnungen – Lichtobjekte“: 24. Oktober bis 27. Oktober 2006

* Diese Felder sind erforderlich.