80 Jahre Kriegsende: Volles Haus bei Vortrag und Buchvorstellung in Grafenwöhr

Grafenwöhr. Ein gemeinsames Thema, zwei Autoren: Gerald Morgenstern und Christine Ascherl beleuchten am Sonntag im Kultur- und Heimatmuseum Grafenwöhr die letzten Tage des Zweiten Weltkriegs.

Buchvorstellung von “Sie kommen! Die letzten Kriegstage in der Oberpfalz” in Grafenwöhr: (von links) Historiker Dr. Marc Rothballer, Herausgeberin Christine Ascherl, Angela Biersack (Vorsitzende des Heimatvereins), Christine Meindl (Kultur- und Militärmuseum) und Autor Gerald Morgenstern. Foto: Morgenstern

Das Interesse war enorm: Gerald Morgenstern hielt seinen Vortrag – nach dem Gedenk-Akt vom Dienstag – am Sonntag schon zum zweiten Mal. Rund 80 Gäste kamen am Sonntagabend. Anschließend stellte Christine Ascherl die Neuauflage des Buchs “Sie kommen! Die letzten Kriegstage in der Oberpfalz” vor. Beide hatten viele Fotos im Gepäck, darunter auch ganz neue Schätze.

Zeitzeugen vor Ort

Am 5. und 8. April 1945 wurden mit den Luftangriffen von US-Bomberverbänden das Lager und Teile der Stadt Grafenwöhr in Schutt und Asche gelegt, am 19. April 1945 marschierten die Kampfgruppen der 11. US-Panzerdivision in Grafenwöhr ein. Gerald Morgenstern, Autor des zweisprachigen Buches „Truppenübungsplatz Grafenwöhr, Gestern-Heute“ blickte in einem Vortrag auf die Ereignisse des Aprils 1945 zurück.

Mit Luftbildern der US-Army, die während des Angriffs und nach der Bombardierung die Zerstörung dokumentierten, stellte der Autor sehr detailliert die Ausmaße der Luftangriffe dar. Gezeigt wurden auch Aufnahmen zerstörter Straßenzüge und Häuser in Gegenüberstellung der heutigen Ansicht. In den Vortrag ließ Morgenstern die Aussagen von noch lebenden Zeitzeugen wie die seiner Schwiegereltern Engelbert und Maria Reiter, von Heinz Asam, Hans Heindl, Toni Wittmann und Willi Specht mit einfließen.

Amerikaner filmten Vorrücken durch das brennende Vorbach und Oberbibrach

In einem Schwarz-Weiß-Film aus den amerikanischen Archiven der U. S. Signal Corps konnten die Zuschauer das Vorrücken der US-Truppen durch das brennende Vorbach und Oberbibrach bis zum Lager vor dem Grafenwöhrer Wasserturm nachverfolgen. Festgehalten war im Film auch die Besichtigung des am Nordrand des Übungsplatzes gesprengten Riese-Eisenbahngeschützes Dora durch den legendären US-General George Patton.

Mit der hoffnungsvollen Geschichte „Hochzeit in Krisenzeiten“, die sich am Morgen des großen Luftangriffs in Grafenwöhr zutrug, beendete Christine Meindl die Präsentation. „Das Kriegsende 1945 war der Beginn für 80 Jahre Frieden, der hoffentlich noch lange andauern möge“, war die Schlussfolgerung des ehemaligen Bundeswehrsoldaten Morgenstern.

Neuauflage “Sie kommen!”: neue Bilder, neue Texte

Christine Ascherl präsentierte die Neuauflage von “Sie kommen! Die letzten Kriegstage in der Oberpfalz”. Das Buch war 2005 und 2015 von Altverleger German Vogelsang herausgegeben worden. Enthalten sind rund 60 Beiträge aus den Zeitungen “Der neue Tag/Amberger Zeitung”. Ascherl hat den Band um etwa ein Dutzend Textbeiträge und viele Fotos erweitert. “Das Buch ist jetzt quasi 3D”, sagte sie. Den Grundstock bilden nach wie vor Zeitzeugenberichte von Einwohnern – von Waldsassen bis Schwandorf. Erweitert wurde das Buch um Berichte von amerikanischen Soldaten, Kriegsgefangenen und Überlebenden der Todesmärsche.

Zum Kriegsende ging es in der Region turbulent zu. “Hier bei uns spielte sich quasi der Showdown des Zweiten Weltkriegs ab”, so Ascherl. Im Juni 1944 waren die Amerikaner in der Normandie gelandet, im April 1945 waren sie bis in die Oberpfalz vorgerückt. In Cham war Schluss, die Tschechoslowakei wurde von Russland besetzt.

Auf den Straßen waren Tausende unterwegs. Die Konzentrationslager Buchenwald und Flossenbürg waren aufgelöst, die SS trieb in Todesmärschen ausgemergelte Häftlinge vor sich her in Richtung Alpenfestung. Gleichzeitig rückten aus Norden und Westen mehrere Verbände der US-Armee vor. In vielen Ortschaften gab es heftige Diskussionen zwischen Zivilbevölkerung und SS bzw. Volkssturm, welche die Orte verteidigen wollten. Tage, sogar Stunden vor dem Einmarsch der Amerikaner wurden Todesurteile vollstreckt, zum Beispiel in Kaltenbrunn. In Kirchenthumbach warfen Frauen Panzerfäuste in die Odelgrube. Nach der Lesung meldete sich ein Zuhörer, dessen Mutter damals mit angepackt hatte.

Amerikaner rückten mit eigener Zeitung “Sniper” vor

Neu im Buch sind eine ganze Reihe von Fotos von 1945. Fotos aus dieser Zeit sind rar. Der Zivilbevölkerung war das Fotografieren untersagt. Die Amerikaner hatten einerseits Profi-Fotografen dabei, die zum Signal Corps gehörten. Manche fotografierten aber auch privat. Historiker Dr. Marc Rothballer, der am Sonntag mit nach Grafenwöhr gekommen war, hat beispielsweise eine private Bilderserie eines texanischen Soldaten aufgetan, der in Neustadt/WN einquartiert war.

Von Rothballer stammt zudem ein neues Thema im Buch, das selbst der langjährigen Zeitungsredakteurin Ascherl unbekannt war. Die Amerikaner hatten auf ihrem Feldzug eine mitreisende Zeitung dabei: den “Sniper”. Gedruckt wurde da, wo man gerade war: “Von der Normandie an bis zu uns in der Region.” In Weiden druckte man ab dem Frühjahr 1945 mehrere Monate in der Druckerei Ferdinand Nickl. Rothballer ist es gelungen, Kopien der wenigen erhaltenden Ausgaben aufzutreiben. Berichtet wird beispielsweise vom Fund der “Dora”, der riesigen “Wunderwaffe” in Grafenwöhr. Teile sind heute noch im Kultur- und Militärmuseum Grafenwöhr zu sehen.

Gerald Morgenstern beleuchtete in seinem Vortrag mit vielen Bildern das Kriegsende in Grafenwöhr. Foto: Morgenstern
Gerald Morgenstern beleuchtete in seinem Vortrag mit vielen Bildern das Kriegsende in Grafenwöhr. Foto: Morgenstern
Buchvorstellung von
Buchvorstellung von “Sie kommen! Die letzten Kriegstage in der Oberpfalz” in Grafenwöhr: (von links) Historiker Dr. Marc Rothballer, Herausgeberin Christine Ascherl, Angela Biersack (Vorsitzende des Heimatvereins), Christine Meindl (Kultur- und Militärmuseum) und Autor Gerald Morgenstern. Foto: Morgenstern
Buchvorstellung von
Buchvorstellung von “Sie kommen! Die letzten Kriegstage in der Oberpfalz”. Foto: Morgenstern

“Sie kommen! Die letzten Kriegstage in der Oberpfalz 1945”

Das Buch “Sie kommen” wurde im Kultur- und Militärmuseum vorgestellt. Foto: Renate Gradl

“Sie kommen! Die letzten Kriegstage in der Oberpfalz 1945” ist im März 2025 in überarbeiteter Auflage beim Battenberg-Bayerland-Verlag erschienen, 168 Seiten, Hardcover, 24,90 Euro. Foto: Battenberg Bayerland

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